ArchivDeutsches Ärzteblatt48/2020Unabhängig von Biomarkerstatus: Niraparib bei Ovarialkrebs

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Unabhängig von Biomarkerstatus: Niraparib bei Ovarialkrebs

König, Romy

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Der PARP-Inhibitor Niraparib kann in der Therapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms ab sofort unabhängig vom Biomarkerstatus eingesetzt werden. Die Europäische Arzneimittel-Agentur hat eine Indikationserweiterung für die Erstlinien-Erhaltungstherapie zugelassen.

Jährlich erkranken in Europa mehr als 65 000 Frauen an Eierstockkrebs. In Deutschland macht das Ovarialkarzinom ein Drittel aller bösartigen Neubildungen der weiblichen Genitalorgane aus. Trotz der hohen Ansprechraten auf eine Platin-basierte Chemotherapie in der ersten Therapielinie erleiden ungefähr 85 % der Frauen mit fortgeschrittenem Eierstockkrebs immer noch ein Rezidiv.

Zum Spektrum der Systemtherapien dieser Krebsform gehören seit einiger Zeit sogenannte PARP-Inhibitoren, Wirkstoffe also, die das Enzym Poly-(ADP-Ribose-)Polymerase hemmen. Doch in der Erstlinienbehandlung konnten damit in Monotherapie bislang nur Frauen mit einem BRCA-mutierten (BRCAm) fortgeschrittenen Eierstockkrebs behandelt werden, sagt Prof. Dr. Antonio González-Martín, Co-Director des Department of Medical Oncology, Clínica Universidad de Navarra in Spanien. „Dies sind insgesamt nur etwa 20 % all dieser Patientinnen.“

Unabhängig vom Biomarker

Nun hat die Europäische Arzneimittel-Agentur den PARP-Inhibitor Niraparib (Zejula®, GlaxoSmithKline) als Erstlinien-Erhaltungstherapie für Patientinnen mit fortgeschrittenem Platin-sensitivem Ovarialkarzinom auch unabhängig von deren Biomarkerstatus zugelassen. Schon zuvor hatte im Frühjahr 2020 die US-amerikanische Food and Drug Administration einem sNDA-Antrag (Supplemental New Drug Application) für Niraparib als Erstlinien-Erhaltungstherapie stattgegeben.

Die Indikationserweiterung erfolgte auf Basis der zentralen Phase-III-Studie PRIMA. Der primäre Studienendpunkt, der progressionsfreie Überlebensvorteil (PFS), konnte signifikant verbessert werden: In der HRd-positiven Population (Patientinnen mit homologer Rekombinationsdefizienz) führte Niraparib zu einer 57%igen Verringerung des Risikos für ein Fortschreiten der Krankheit oder Tod gegenüber Placebo (Hazard Ratio [HR] 0,43; 95-%-Konfidenzintervall [KI] 0,31– 0,59; p < 0,001). In der Analyse der Gesamtpopulation zeigte sich eine Verringerung von 38 % (HR 0,62; 95-%-KI 0,50-0,76; p < 0,001). Zudem war das Risiko für Progression bei Patientinnen mit BRCA-mutierten Tumoren um 60 % reduziert (HR 0,40; 95-%-KI 0,27– 0,62; p < 0,001).

Das Sicherheitsprofil von Niraparib in der PRIMA-Studie entspricht González-Martín zufolge dem zuvor beobachteten klinischen Sicherheitsprofil. Zu Beginn der PRIMA-Studie erhielten die Patientinnen eine feste Anfangsdosis von 300 mg Niraparib oral einmal täglich. In einer nachträglich genehmigten Änderung des Studienprotokolls erhielten Patientinnen mit einem Körpergewicht unter 77 kg und/oder einer Thrombozytenzahl unter 150 000/μl vor Therapiebeginn eine individualisierte Startdosis von einmal täglich 200 mg.

Bei der individualisierten Anfangsdosis wurden im Vergleich zur Gesamtpopulation niedrigere Raten an hämatologischen Nebenwirkungen der Grade 3 und 4 beobachtet (Thrombozytopenie: 14,8 % vs. 36,2 %, Anämie: 22,5 % vs. 35,6 %, Neutropenie 9,5 % vs. 14,6 %). González-Martín wertet die Indikationserweiterung als einen „wichtigen Schritt vorwärts bei der Behandlung dieser herausfordernden Tumorerkrankung“. Auch Prof. Dr. med. Andreas du Bois, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie an den Kliniken Essen-Mitte (KEM), hält PARP-Inhibitoren für eine sinnvolle Ergänzung des Systemtherapieregimes, mahnt aber, dass es in der Praxis immer eine differenzierte Betrachtung brauche. So seien PARP-Inhibitoren nur für jene Ovarial-Patientinnen zugelassen, die an einem High-grade-Karzinom leiden.

Vorteil durch Einmaldosierung

Doch auch bei dieser Population prüft der Mediziner zunächst – mit Blick auf Stadium, OP-Strategie und eventuelles OP-Ergebnis –, ob der humanisierte monoklonale Antikörper Bevacizumab indiziert ist oder „zumindest dazugegeben werden kann“. Erst wenn dies nicht der Fall sei, komme für ihn die Erhaltungstherapie mit einem PARP-Inhibitor infrage.

Ohne vorliegende BRCA-Mutation sei hier Niraparib nun „der Standard“. Liegt hingegen eine BRCA-Mutation vor, bietet sich neben Niraparib auch weiterhin der PARP-Inhibitor Olaparib an – die Entscheidung darüber hänge von einzelnen Erfahrungen ab; Niraparib könne aber durch seine Einmaldosierung für manche Patienten vorteilhaft sein.

Die Anwendung von Niraparib wird derweil im Rahmen mehrerer Studien weiter evaluiert. Der Hersteller GSK baut nach eigenen Angaben derzeit ein „umfassendes klinisches Entwicklungsprogramm“ auf, in dem die Aktivität der Substanz über mehrere Tumortypen hinweg evaluiert werden soll. Romy König

Quelle: Virtuelles Zejula Launch-Webinar, 11. November 2020; Veranstalter: GSK Oncology

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