

Ursula Stüwe engagierte sich über drei Jahrzehnte in der ärztlichen Berufspolitik. Mit großem Engagement trat sie der wachsenden Bürokratie und der Ökonomisierung im Gesundheitswesen entgegen. Sie setzte sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Versorgungsqualität in den Krankenhäusern und die Aus- und Weiterbildung des Nachwuchses ein.
Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Ursula Stüwe eine Medizinerin, die sich über drei Jahrzehnte berufspolitisch engagiert hat. Sie setzte sich insbesondere für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Versorgungsqualität in den Krankenhäusern ein. Entschieden warnte sie vor den Folgen einer wachsenden Bürokratisierung und Ökonomisierung im Gesundheitssystem, nicht zuletzt für die Aus- und Weiterbildung des ärztlichen Nachwuchses. Durch ihr großes Engagement in der ärztlichen Selbstverwaltung und ihr Eintreten für eine patientenorientierte Medizin hat sie sich
um das Gesundheitswesen, die deutsche Ärzteschaft und das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in ganz besonderer Weise verdient gemacht.
Ursula Stüwe wurde am 2. Februar 1947 in Gütersloh geboren. 1965 begann sie eine Ausbildung zur Krankenschwester in Heidelberg. Von 1968 bis 1969 arbeitete sie am Städtischen Krankenhaus Neukölln in West-Berlin, bevor sie an das St.-Markus-Krankenhaus in Frankfurt am Main wechselte. Von 1972 bis 1979 studierte sie Humanmedizin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Während der ersten fünf Jahre des Studiums arbeitete sie als Nachtschwester an der Universitätsklinik. 1979 begann sie ihre Weiterbildung zur Fachärztin für Chirurgie im Städtischen Krankenhaus Wiesbaden, den heutigen Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK), wo sie bis zu ihrem Ruhestand 2010 als Oberärztin in der Allgemein- und Viszeralchirurgie und ab 2001 auch als medizinische Controllerin in der Finanzabteilung tätig war. Stüwe engagierte sich über mehrere Dekaden berufspolitisch sowohl im Marburger Bund als auch in der Landesärztekammer Hessen. 2003 wurde sie Vorsitzende des Landesverbandes Hessen beim Marburger Bund; 2004 wurde sie zur Präsidentin der Landesärztekammer gewählt.
Von den vielen berufspolitischen Themen standen die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung in den Krankenhäusern ganz oben auf Stüwes Agenda, nicht zuletzt mit Blick auf die besonderen Herausforderungen für Ärztinnen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wo immer möglich verschaffte sie sich Gehör und prangerte an, dass durch die zunehmende Bürokratie und den stetig wachsenden Kostendruck nicht nur die Qualität der ärztlichen Tätigkeit und der Patientenversorgung Schaden nehmen, sondern dass die Situation in den Kliniken vor allem auch junge Mediziner zunehmend demotivieren und aus der kurativen Tätigkeit oder ins Ausland vertreiben wird. Offen übte sie Kritik am Gesundheitssystem, das nicht mehr auf die bestmögliche Behandlung der Kranken, sondern auf Wettbewerb, Budgetierung und Leistungssteigerung ausgerichtet ist. Insbesondere mit der Einführung der Fallpauschalen nach der Jahrtausendwende verbindet sie einen Wendepunkt, an dem zwar die Organisationsstrukturen in Krankenhäusern verbessert werden konnten, gleichzeitig aber das Primat der Ökonomie die Oberhand gewann.
Während ihrer Präsidentschaft wurde in Hessen eine Qualifizierungsoffensive für Medizinische Fachangestellte gestartet. Sie initiierte den ersten Wiedereingliederungskurs für Ärztinnen und Ärzte nach Familienpause im Land. Für ihr standespolitisches Engagement erhielt sie 2018 die Ehrenplakette der Landesärztekammer Hessen in Gold.
Ganz besondere Episoden ihrer Ärztinnenlaufbahn bilden die Polarexpeditionen, an denen Stüwe teilnahm. Sie erfüllte sich einen Traum, als sie im Dezember 1999 ihre Kliniktätigkeit unterbrach und 14 Monate lang für das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Antarktis war. Im August 2010 brach sie nach Eintritt in den Ruhestand als Schiffsärztin auf der „Polarstern“ in die Arktis und im Februar 2011 in die Antarktis auf. In einem ihrer Berichte über ihre Zeit als Schiffsärztin beschreibt Stüwe, dass es ein Geschenk für sie war, in einem gut ausgestatteten Schiffshospital einfach nur „richtige Medizin“ machen zu können – ohne Kodieren, Fallpauschalen oder Abrechnungsstreitigkeiten.