ArchivDeutsches Ärzteblatt48/2020Medizinstudium: Das dürfen Studierende im Praktischen Jahr

MANAGEMENT

Medizinstudium: Das dürfen Studierende im Praktischen Jahr

Halbe, Bernd

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

PJler sind Studierende, die unter ärztlicher Aufsicht – am Patienten – arbeiten dürfen. Umfang und Ausgestaltung der genauen Tätigkeit eines PJlers differenzieren dabei stark von Klinik zu Klink, doch es gibt Vorgaben gemäß der Approbationsordnung, die beachtet werden müssen.

PJler sollen nur Tätigkeiten übernehmen, die ihre Ausbildung fördern. So legt es die Approbationsordnung fest. Foto: sturti/iStock
PJler sollen nur Tätigkeiten übernehmen, die ihre Ausbildung fördern. So legt es die Approbationsordnung fest. Foto: sturti/iStock

Das Praktische Jahr (PJ) im letzten Jahr des Medizinstudiums gilt mitunter als Highlight des gesamten Studiums. Es ermöglicht den Studierenden, sich in der praktischen Anwendung ihrer im Studium erworbenen Kenntnisse zu üben sowie vor der Aufnahme der Facharztausbildung die eigenen Fähigkeiten und Interessen kennenzulernen.

Nach der Approbationsordnung für Ärzte sollen PJler „entsprechend ihrem Ausbildungsstand unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen durchführen“ (§ 3 Abs. 4 Satz 3 ÄAppO). Dabei soll sie oder er aber nur Tätigkeiten übernehmen, die ihre beziehungsweise seine Ausbildung fördern. Leistungen, die von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt höchstpersönlich zu erbringen sind, darf der PJler nicht übernehmen. Man spricht insoweit auch vom Kernbereich der ärztlichen Leistungserbringung. Dazu zählen solche Leistungen, die der Arzt wegen ihrer Schwierigkeit, ihrer Gefährlichkeit für die Patientin oder den Patienten oder wegen der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen unter Einsatz seiner spezifischen Fachkenntnis und Erfahrung höchstpersönlich erbringen muss.

Übertragbare Aufgaben

Grundsätzlich dürfen laut der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung folgende Aufgaben übertragen werden: Vorbereitende Anamnese mit anschließender Überprüfung im Gespräch, Kapilläre/venöse Blutabnahmen, subkutane und intramuskuläre Injektionen einschließlich Impfungen, Intravenöse Applikationen (außer Erstapplikationen), Zweite oder dritte OP-Assistenz, Versorgung unkomplizierter Wunden beziehungsweise regelmäßige Kontrolle durch einen Arzt.

Zudem ist es einem PJler erlaubt, die Eingriffs- und Risikoaufklärung durchzuführen, soweit dies seinem theoretischen und auch praktischen Ausbildungsstand entspricht und diese Tätigkeit unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes stattfindet (OLG Karlsruhe, 29. Januar 2014 – 7 U 163/12).

Nicht übertragbar sind insbesondere die eigentliche Anamnese, das Stellen einer Indikation und einer Diagnose, die Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen, die Aufklärung und Beratung des Patienten, die Entscheidung über die Therapie sowie die Durchführung invasiver Therapien einschließlich der Kernleistungen operativer Eingriffe. Bei einer solchen Delegation ärztlicher Tätigkeiten sind zwei Verantwortungsbereiche voneinander abzugrenzen. zum einen trägt der delegierende Arzt die Verantwortung über die Anordnung. Zum anderen hat der Durchführende die sogenannte Durchführungsverantwortung.

Verantwortungsbereiche

Die Anordnungsverantwortung verlangt von dem Delegierenden eine Auswahl sowohl der Tätigkeit als auch des Durchführenden, entsprechend der Gefährlichkeit und Schwierigkeit der Maßnahme und dem Ausbildungsstand des Durchführenden. Diese Auswahlkriterien stehen in unmittelbarem Zusammenhang miteinander. Eine Hilfestellung für die Feststellung der Geeignetheit des Durchführenden bilden die Ausbildungskataloge der jeweiligen Universitäten und Kliniken. Aus dem Ausbildungsstand ergibt sich, ob der Durchführende grundsätzlich für die Tätigkeit geeignet ist. Allerdings muss zusätzlich eine Einzelfallprüfung stattfinden. Sofern der delegierende Arzt Anhaltspunkte feststellt oder zu hören bekommt, dass der PJler für gewisse Tätigkeiten ungeeignet ist, darf er ohne weitere Überprüfung Aufgaben nicht delegieren.

Sofern eine Aufgabe an einen PJler delegiert worden ist, ergibt sich aus der Anordnungsverantwortung weiterhin, dass der Delegierende die Durchführung der Tätigkeit überprüfen und notfalls eingreifen können muss. Sofern ein Arzt nach einer gewissen Zeit das Können eines PJlers besser einschätzen kann, ist auch eine Beschränkung der Überprüfung auf Stichproben möglich. Der Arzt muss sich aber regelmäßig in Rufweite zum Durchführenden befinden. In Ausnahme dazu dürfen bei bloß vorübergehender Abwesenheit Leistungen durchgeführt werden, die der Arzt einzelfallbezogen bereits angeordnet hat, wenn dies – insbesondere hinsichtlich des Kenntnisstandes und der Erfahrung des PJlers sowie des Gefährdungspotenzials für den Patienten – medizinischen Erfordernissen genügt.

PJler, die mit einer Tätigkeit betraut sind, trifft die Durchführungsverantwortung. Dies bedeutet, dass sie eine Tätigkeit nur so ausführen dürfen, wie sie angeordnet und erlernt worden ist. So kann von einem PJler etwa das Durchführen einer Tätigkeit unter Einhaltung des hygienischen Standards verlangt werden. Außerdem besteht die Möglichkeit des Übernahmeverschuldens. Sofern eine Aufgabe delegiert werden soll, und der Durchführende hat hierfür nicht die notwendige Fachkenntnis, darf diese Aufgabe nicht durchgeführt werden. Der PJler muss also dann mitteilen, wenn ihm eine Aufgabe zugemutet wird, die seinen Kenntnisstand übersteigt. Er darf die Tätigkeit nicht durchführen, um sich nicht einem Haftungsrisiko auszusetzen.

Pflichten der PJ-Betreuenden

Den behandelnden Arzt treffen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag mit dem Patienten. In diesem ist auch geregelt, dass die Behandlung unter Einhaltung des medizinischen Standards erfolgt. Zu diesem Standard gehört es auch, dass Tätigkeiten aus dem Kernbereich des ärztlichen Handelns nicht delegiert werden. Außerdem umfasst der medizinische Standard die Maßgabe, dass eine Delegation einer Tätigkeit nur dann erfolgen darf, wenn der Durchführende ausreichend ausgebildet ist. Letztlich gehört zum medizinischen Standard deshalb auch die Einhaltung der Überwachungspflichten bei der Delegation. Daher ergeben sich mehrere Ansatzpunkte für etwaige Behandlungsfehler, welche zu haftungsrechtlichen Risiken führen können.

Um diese Risiken zu verringern, ist die Behandlungsdokumentation wichtig. Entsprechend der Regelungen des Arzthaftungsrechts gilt bei fehlender Dokumentation einer Maßnahme die Vermutung, dass diese Maßnahme nicht durchgeführt worden ist. Sofern eine Aufgabe delegiert wird, sollte zwingend zudem dokumentiert werden, an wen die Tätigkeit delegiert worden ist und dass im Nachhinein eine Kontrolle der Durchführung stattgefunden hat.

Neben den zivilrechtlichen Risiken sind aber auch strafrechtliche Risiken denkbar. Möglich sind Strafbarkeiten wegen Körperverletzungsdelikten, wobei in der Praxis vor allem eine fahrlässige Körperverletzung relevant wird. Sofern ein ärztlicher Heileingriff durchgeführt wird, ist dieser grundsätzlich geeignet, den Tatbestand eines Körperverletzungsdelikts zu erfüllen. Daher bedarf es einer rechtmäßigen Einwilligung in den Eingriff. Die Einwilligung ist nur dann wirksam, wenn der Patient umfassend aufgeklärt wird. Übernimmt also ein PJler die Durchführung der Aufklärung, ist es zwingend notwendig, dass er hierbei ausreichend überwacht und angeleitet wird, damit kein Strafbarkeitsrisiko entsteht. Außerdem willigt der Patient stets nur in eine Behandlung entsprechend des medizinischen Standards ein. Daher gilt das bereits bei den zivilrechtlichen Haftungsrisiken Gesagte. Es darf also keine Abweichung vom medizinischen Standard vorliegen, da sonst die Einwilligung den Heileingriff nicht mehr deckt und eine Strafbarkeit in Betracht kommt.
Prof. Dr. jur. Bernd Halbe
Fachanwalt für Medizinrecht
www.medizin-recht.com

Berufshaftpflicht

Die Auffassung, Medizinstudierende hafteten bei eigenen Fehlern nicht, sondern es hafte ausschließlich das Krankenhaus oder der Praxisinhaber, ist in dieser Form nicht korrekt.

Zwingend sollten daher auch PJler auf das Bestehen einer entsprechenden PJ-Haftpflichtversicherung in angemessener Höhe achten. Alternativ können sie prüfen, ob und inwieweit sie über den ausbildenden Betrieb mitversichert sind. Grundsätzlich gilt aber, dass beide Seiten sich absichern und nicht darauf verlassen sollten, dass die Tätigkeit während des Praktischen Jahres von einem bestehenden Versicherungsschutz umfasst ist.

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote