

Wenn Patienten zu mir zur Kontrolle kommen, lese ich mir vorher gerne die digitale Akte durch und gerade bei denjenigen, die ich schon über Jahrzehnte betreue, kommt das gute Gefühl auf, nicht allzu viel falsch gemacht zu haben. Vor allem, wenn die erstmalige Betreuung von der Bewältigung einer lebensbedrohlichen Situation geprägt war und wir der statistischen Prognose ein Schnippchen schlagen konnten. Dies schafft eine besondere Verbundenheit, die seitens dieser Patienten allerdings gerne auch mal so umdekliniert wird, dass die üblichen Regularien der ambulanten Versorgung für sie nicht zu gelten haben. Wenn man es schafft, das Verdikt der Prognose aus dem Weg zu räumen, braucht man sich schließlich um so etwas Lächerliches wie Terminvereinbarungen, Überweisungen oder Krankenversicherungskarten nicht mehr zu kümmern.
So auch bei meinem heutigen Patienten, der mir voller Zorn berichtet, dass meine Fachangestelltin ihm nicht sofort außerplanmäßig einen Termin nach Wunsch bei mir einräumen wollte, sondern zunächst an den Hausarzt verwiesen hatte. „Die hat sich benommen wie eine Axt im Fleischerladen!“ Ich erläutere ihm, dass es durchaus sinnvoll ist, wenn Patienten im Falle von Beschwerden sich zunächst an ihren Hausarzt wenden, der sie im Notfall umgehend bei uns vorstellt. Wenn man sich als Facharzt nur noch mit Herz und Gefäßen beschäftigt, verliert man den Blick für andere Körperteile, für eine ganzheitliche Betrachtung ist man beim Hausarzt besser aufgehoben. Auch wenn ich täglich mit meiner eigenen Wirbelsäule, meinen Hüft- und Kniegelenken herumlaufe, so sollte man mich besser nicht nach den damit verbundenen Malaisen befragen. Mein Patient beharrt jedoch darauf, all dies unmöglich zu finden: „Axt im Fleischerladen!“ Er verlangt wohl von mir, dass ich umgehend besagte Fachangestelltin zu mir zitiere und die gewünschte Axt an sie lege.
Nein, für so etwas bin ich überhaupt nicht zu haben, denn ich bin mächtig stolz auf meine Fachangestelltinnen, die mir mehr als kompetent zur Seite stehen und sich sowohl durch Freundlichkeit wie auch durch Fröhlichkeit auszeichnen. Außerdem wäre ich ohne sie aufgeschmissen: Wenn mein Rechner nicht funktioniert, lautet mein erster Reparaturversuch: „Hilfe!“ Wenn ich schwächeln sollte, stellen sie mir einen zweiten Eimer Kaffee hin. Wenn ich meine Arztbriefe mit Tippfehlern säume, so werden diese gnadenlos korrigiert. Wenn ich mal wieder keinen Schimmer von Heil- und Hilfsmitteln habe, so wird dies professionell geklärt. Ich gestehe freimütig: Dank meinen Fachangestelltinnen gestaltet sich mein Berufsleben als ein betreutes Arbeiten und ich bin überaus glücklich damit.
Aber mein Patient lässt nicht locker: „Axt im Fleischerladen!“ Ich denke mir: Trotz Corona verrichten alle meine Angestelltinnen tapfer ihren Dienst, egal, wie viel Probleme es mit der Betreuung von Familienangehörigen gibt. Auch dafür und auch im Namen meiner Patienten bin ich ihnen einfach nur dankbar. Mein Patient haut mit der Faust auf den Tisch: „Axt im Fleischerladen!“ Bleibt mir nur der Rat übrig: Sie können sich gerne einen anderen Kardiologen suchen.
Dr. med. Thomas Böhmeke
ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.