ArchivDeutsches Ärzteblatt6/2021Digitalisierungsaffinität: Ausgangslage unterschiedlich

POLITIK

Digitalisierungsaffinität: Ausgangslage unterschiedlich

Haserück, André

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern zeigen sich laut einer aktuellen Umfrage mehrheitlich offen für digitale Gesundheitsangebote – Ärzte in Praxen sind hingegen skeptischer. Ursächlich für die Diskrepanz dürften nicht zuletzt unterschiedliche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sein.

Laut einer Umfrage, die der Digitalverband Bitkom gemeinsam mit dem Hartmannbund unter mehr als 500 Ärztinnen und Ärzten in Deutschland durchgeführt hat, sehen 86 Prozent der Krankenhausärzte in der Digitalisierung primär Chancen für das Gesundheitswesen – zehn Prozent halten die Digitalisierung für ein Risiko. Bei den Vertragsärzten betonen lediglich 53 Prozent die Chancen – und 39 Prozent die Risikoperspektive. Einen „digitalen Graben“ zwischen Praxen und Kliniken, wie es Bitkom-Präsident Achim Berg ausdrückte, sieht Dr. med. (I) Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbundes und Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), allerdings nicht. Insgesamt werde die Ärzteschaft die Chancen einer sinnvollen Digitalisierung nutzen – der Mehrwert für die Versorgung in den Praxen müsse aber ausreichend erkennbar sein.

Die in der Umfrage zutage getretene unterschiedliche Einschätzung von Digitalisierung resultiere nicht aus einem unterschiedlichen Willen, Digitalisierung zum Nutzen von Ärztinnen und Ärzten und ihren Patientinnen und Patienten einzusetzen. Geprägt werde die Bewertung, so Reinhardt, durch die sehr verschiedenen Voraussetzungen im beruflichen Alltag. Da die IT in den Krankenhäusern in spezialisierte Abteilungen ausgelagert sei, könnten sich Klinikärzte auf die Nutzung der digitalen Angebote konzentrieren. Praxisinhaber würden hingegen im Versorgungsalltag zu selten einen echten Mehrwert des digitalen Fortschritts für sich und ihre Patienten erleben. Zudem seien die technischen Voraussetzungen administrativ und kostentechnisch aufwendig. Wo die Voraussetzungen mit Blick auf die medizinischen, administrativen und wirtschaftlichen Voraussetzungen stimmen und sich die Digitalisierung als echter Mehrwert in der Versorgung zu erkennen gibt, da werde sie von Ärzten auch angenommen und befördert, so Reinhardt.

Ärztinnen digitalaffiner

Neben den Diskrepanzen zwischen den Sektoren offenbart die Umfrage auch einen deutlichen Unterschied zwischen Ärztinnen und Ärzten: 74 Prozent der Frauen sehen die Digitalisierung als Chance, aber nur 63 Prozent der Männer. Und: Je jünger die Ärzte sind, desto aufgeschlossener und optimistischer sind sie. 88 Prozent der unter 45-Jährigen sehen die Digitalisierung als Chance. Dies tut aber nur gut jeder zweite Arzt (55 Prozent) ab 45 Jahren. Zugleich wünschen sich vor allem stationär tätige Ärzte, dass es bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens schneller vorangeht: 82 Prozent der Mediziner in Krankenhäusern sagen, es sei mehr Tempo beim Ausbau digitaler Angebote nötig. Unter den Ärzten in den Praxen sind es lediglich 38 Prozent. Folgerichtig meinen 70 Prozent der Krankenhausärzte, Deutschland hänge im Vergleich zu anderen Ländern bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems zurück. Unter den Praxisärzten sehen das mit 53 Prozent deutlich weniger so.

Ein positives Beispiel für Weiterentwicklungen und eine breitere Implementierung digitaler Instrumente stellt der deutliche Zuwachs beim Angebot von Videosprechstunden dar. Die Abfrage von Bitkom und Hartmannbund macht erneut deutlich, dass diese während der Coronapandemie sehr viel häufiger genutzt wurden und werden. So hat sich laut den Daten der Anteil von Praxisärzten mit einem entsprechenden Angebot an die Patienten nahezu verdreifacht – von sechs auf 17 Prozent. Weitere 40 Prozent können sich dies für die Zukunft vorstellen. Dies zeigt, dass die Absenkung von bürokratischen Hürden und die Verbesserung der jeweiligen Vergütungsmodelle durchaus die Digitalisierung befördern können.

Laut Umfrage erweckt die elektronische Patientenakte (ePA) bei vielen Ärzten große Hoffnungen: Neun von zehn Krankenhausärzten (89 Prozent) erwarten durch die ePA eine einfachere Zusammenarbeit unter den Fachgruppen – bei den Praxisärzten sind es immerhin 54 Prozent. Risiken werden vor allem im Bereich der Gefahr des Datenmissbrauchs gesehen. Insbesondere Praxisärzte fürchten zudem hohe Investitionskosten (60 Prozent) und eine schwierige Integration der ePa in den eigenen Behandlungsalltag (52 Prozent).

Informationen zu DiGAs gefragt

Ein ähnlich differenziertes Bild ergibt sich im Bereich der Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs). Jeder vierte Mediziner (24 Prozent) will diese künftig verordnen, aber nur zwei Prozent haben dies bereits getan. 28 Prozent schließen dies aktuell kategorisch aus. Jeder zehnte Arzt weiß nach eigenem Bekunden nicht, was eine DiGA ist. Das speziell bei der neuen Versorgungsform „Apps auf Rezept“ noch Informationsbedarf besteht, zeigt auch eine themenspezifische Umfrage unter niedergelassenen Allgemeinmedizinern (siehe folgenden Beitrag). André Haserück

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote