THEMEN DER ZEIT
Krankenhäuser: Überzahlungen und Unsicherheiten


Der Rettungsschirm für die Krankenhäuser in der Pandemie hat vielen Häusern im Jahr 2020 steigende Erlöse beschert. Für 2021 hingegen sind bislang keine Planungen möglich.
Für die Krankenhäuser war 2020 ein Jahr der Extreme. Sie mussten die medizinische Versorgung in der größten Pandemie der Neuzeit organisieren, während sich die finanziellen Rahmenbedingungen stetig veränderten. Ab März verschoben die Krankenhäuser auf Bitten von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zahlreiche planbare Operationen – mit denen sie einen Großteil ihrer Einnahmen erzielen. Dabei vertrauten sie auf Spahns Versprechen, dass kein Krankenhaus infolge der Coronapandemie in ein Defizit geraten werde. Um dies zu gewährleisten, legte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) 2020 zwei Rettungsschirme auf, mit denen in erster Linie Pauschalen für nicht belegte Betten gezahlt wurden (siehe Kasten „Die Rettungsschirme“).
Eine Auswertung der Krankenhausdaten bis zum 30. September zeigt nun, dass die somatischen Krankenhäuser zwischen Januar und September im Durchschnitt 2,4 Prozent mehr Erlöse erzielt haben als in den beiden Vorjahreszeiträumen. Bei den psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen erhöhten sich die Erlöse um 14,4 Prozent. Einberechnet sind sowohl die Freihaltepauschalen als auch die variablen Fixkosten, die die Krankenhäuser bei den nicht erbrachten Leistungen eingespart haben.
Gestiegene Erlöse
Allerdings variieren die Werte je nach Krankenhaus. „In allen Größenkategorien stiegen die Erlöse, jedoch unterschiedlich stark“, heißt es in dem Bericht, den die beiden Gesundheitsökonomen Prof. Dr. med. Reinhard Busse von der Technischen Universität Berlin und Prof. Dr. rer. pol. Boris Augurzky vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung für den Coronabeirat des BMG verfasst haben. „Überdurchschnittliche Erlöszuwächse weisen somatische Krankenhäuser zwischen 100 und 249 sowie zwischen 300 und 399 Betten auf. Häuser ab 800 Betten weisen die geringsten Erlöszuwächse auf. Insgesamt dürften etwa 70 Prozent der Krankenhäuser ihre Erlössituation verbessert haben.“
Auch die Fallschwere hat dem Bericht zufolge Einfluss auf das Ergebnis. Je höher der Case-Mix-Index (CMI) eines Krankenhauses war, desto geringer fielen die Erlöszuwächse aus beziehungsweise desto eher traten Erlösverluste ein. Der CMI gibt die Fallschwere einer Behandlung in Relation zur Anzahl der Krankenhausfälle wider. So weisen Krankenhäuser mit einem CMI bis 1,0 überdurchschnittliche Erlöszuwächse aus, während Krankenhäuser mit einem CMI von 1,2 bis 1,3 Verluste von 2,2 Prozent machten.
Die Zahl der Krankenhausfälle ging zwischen Januar und September um 2,1 Millionen zurück (–15,5 Prozent). In den Kalenderwochen zwei bis elf (6. Januar bis 15. März) lag die Patientenzahl noch auf dem Niveau der Vorjahre. Mit Beginn der zwölften Kalenderwoche (16. bis 22. März) ging die Zahl der Patienten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 24,6 Prozent zurück. Bis zur 15. Kalenderwoche (6. bis 12. April) sank die Fallzahl um 40,9 Prozent, danach stieg sie wieder leicht an. „Bis zur Kalenderwoche 29 (13. bis 19. Juli) ist der Unterschied zu den Vorjahreswochen jedoch deutlich sichtbar“, heißt es in dem Bericht (siehe Grafik).
Das Bundesamt für Soziale Sicherung zahlte bis zum 27. Oktober Freihaltepauschalen in Höhe von 8,97 Milliarden Euro aus. 80 Prozent davon entfielen auf die 1 350 in die Auswertung einbezogenen somatischen Krankenhäuser und 20 Prozent auf die 528 psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen. Ohne die Auszahlung von Freihaltepauschalen wären die Erlöse der Krankenhäuser im DRG-Bereich in den ersten neun Monaten des Jahres um 5,7 Milliarden Euro zurückgegangen (–9,9 Prozent), bei den psychiatrischen Krankenhäusern um 842 Millionen Euro (–13,1 Prozent). Die Auswertungen geben die Erlösentwicklung jedoch nur bis Ende September wieder. Wie sich die Situation in der zweiten Pandemiewelle entwickelt hat, in der teilweise der zweite Rettungsschirm galt, wird von Busse und Augurzky derzeit errechnet. Wann die Auswertung vorliegt, steht heute noch nicht fest.
Fehlanreize reduziert
Dr. med. Djordje Nikolic ist als Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Consus Clinicmanagement gut mit der finanziellen Lage der Krankenhäuser im Jahr 2020 vertraut. „In der ersten Pandemiewelle konnten fast alle die Freihaltepauschale von 560 Euro pro Tag und Bett nutzen und haben profitiert“, sagt er dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ). Allerdings hätten dabei gerade die großen Krankenhäuser, die viele COVID-19-Patienten behandelt haben, zu wenig Geld über die Pauschale erhalten, während manche kleinen und mittelgroßen Häuser bewusst Patienten verlegt hätten, um die Pauschalen zu erhalten. „In der zweiten Phase des ersten Rettungsschirms haben die angepassten Pauschalen diesen Fehlanreiz deutlich reduziert“, erklärt Nikolic. „Und mit dem zweiten Rettungsschirm hat sich die Situation nun ins Gegenteil verkehrt: Krankenhäuser der Notfallstufen 0 und 1 bekommen mit einigen Ausnahmen keine Freihaltepauschalen mehr, leiden aber auch unter geringeren Patientenzahlen.“ Die finanzielle Lage der Krankenhäuser variiere dabei stark zwischen den Bundesländern, da manche Länder auch Krankenhäuser der Notfallstufe 1 unter den Rettungsschirm genommen hätten, andere hingegen nicht. „Gefühlt sind es aus meiner Sicht eher Hunderte als Dutzende Krankenhäuser, die infolge der Pandemie aktuell wirtschaftliche Probleme haben“, meint Nikolic. „Im Gegenzug kenne ich aber auch Kliniken und Klinikketten, die mehr Geld verdient haben als je zuvor.“
In vielen Krankenhäusern liegt das Jahresergebnis für 2020 allerdings noch nicht vor. Nikolic zufolge liegt das auch an den Unsicherheiten, die die Einführung des Pflegebudgets mit sich gebracht hat. Im Jahr 2018 hat die Bundesregierung mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz die Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den DRGs beschlossen. Erstmals für das Jahr 2020 müssen die Krankenhäuser bei den Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen darlegen, wie hoch ihre jeweiligen, im sogenannten Pflegebudget zusammengefassten Pflegepersonalkosten sind. Die Krankenkassen müssen diese Kosten dann erstatten. Die Verhandlungen des Pflegebudgets seien aber streitbehaftet, erklärt Nikolic, vor allem im Hinblick auf die Anerkennung von Pflege- und Pflegehilfspersonal. Einzelne Abschlüsse eines Pflegebudgets habe es bereits gegeben, der Großteil der Abschlüsse sei jedoch noch offen. „Viele Krankenhäuser wollen auch noch erste Entscheidungen der Schiedsstellen abwarten“, sagt Nikolic.
Die Frankfurter Diakonie Kliniken, die zu dem christlichen Gesundheitskonzern Agaplesion gehören, arbeiten derzeit ebenfalls noch an ihrem Jahresabschluss für 2020, wie deren Geschäftsführer Jürgen Schäfer dem DÄ erklärt. „Deshalb können wir die Auswirkungen der beiden Rettungsschirme noch nicht abschließend beurteilen. Wir gehen aber davon aus, dass die Ausgleichszahlungen des Jahres 2020 für uns ausreichend waren.“
Kleingliedrige Abgrenzung
„Dank des Rettungsschirms 1.0 und des optionalen Ganzjahresausgleichs wird das Jahr 2020 für die hessischen Krankenhäuser wirtschaftlich beherrschbar sein“, sagt auch der Geschäftsführende Direktor der Hessischen Krankenhausgesellschaft, Prof. Dr. med. Steffen Gramminger. „Das Versprechen, dass kein Krankenhaus aufgrund der Coronapandemie in ein wirtschaftliches Defizit rutschen wird, wurde also eingehalten.“ Weniger zufrieden ist er allerdings mit dem zweiten Rettungsschirm. „Mit dem täglichen Abgleich der Inzidenzen und der Intensivkapazitäten ist ein erheblicher Aufwand für die Krankenhäuser verbunden“, kritisiert er. Zudem gebe es für die Krankenhäuser keine Planungssicherheit, da Änderungen des Infektionsgeschehens und der Intensivkapazitäten dazu führen könnten, dass keine Ausgleichszahlungen mehr ausgezahlt würden. Die kleingliedrige Abgrenzung nach Landkreisen und kreisfreien Städten sei absolut kontraproduktiv – „zumal wir nur in enger Zusammenarbeit aller Krankenhäuser landkreisübergreifend der Herausforderung der Coronapandemie gerecht werden können“, so Gramminger.
Schäfer von Agaplesion ist nicht damit zufrieden, dass die Freihaltepauschale nun nur noch 90 Prozent der ursprünglichen Pauschale beträgt. „Die 504 Euro, die wir derzeit pro freiem Bett erhalten, kann unsere Ausfälle nicht voll kompensieren“, sagt er. „Zusätzliche Sorge bereitet uns, dass wir keine Ausgleichszahlungen für den Bereich der Psychiatrie bekommen, obwohl wir auch dort einen COVID-Bereich vorhalten.“ Zudem seien die Tageskliniken weiterhin geschlossen. Deutliche Kritik übt Schäfer daran, dass noch immer nicht feststehe, wie es nach dem 28. Februar mit der Finanzierung der Krankenhäuser weitergehe – dem Tag, bis zu dem der zweite Rettungsschirm bislang begrenzt ist. „Wir brauchen jetzt unbedingt Planungssicherheit“, fordert Schäfer. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass alle davon ausgehen, dass die Coronapandemie uns noch das ganze Jahr 2021 begleiten wird, die Krankenhäuser sich jedoch nur von Monat zu Monat hangeln können.“
Spitzabrechnung für 2021
Wenn ein Krankenhaus bei den Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen nachweisen kann, dass es 2020 weniger Einnahmen hatte als im Vorjahr, müssen die Kassen diese Mindererlöse ausgleichen. Einen solchen Ganzjahresausgleich fordert Gramminger auch für das Jahr 2021. „Das würde für Klarheit und Sicherheit sorgen“, sagt er und schlägt zugleich eine Spitzabrechnung für 2021 vor – eine Abrechnung also, bei der Krankenhäuser mögliche Überzahlungen am Ende des Jahres wieder zurückzahlen müssten. Im Jahr 2020 dürfen die Krankenhäuser Überzahlungen behalten.
Zufrieden ist Gramminger mit dem Engagement des Hessischen Sozialministeriums, das es geschafft habe, möglichst viele Krankenhäuser unter dem Rettungsschirm zu vereinen. Wie das Ministerium dem DÄ erklärt, habe es 80 Krankenhäuser benannt, die Ausgleichszahlungen erhalten können. Einer Auswertung des GKV-Spitzenverbandes zufolge gibt es in Hessen 14 Krankenhäuser der Notfallstufe 3, 13 Krankenhäuser der Notfallstufe 2, 42 Krankenhäuser der Notfallstufe 1 sowie 66 Krankenhäuser der Notfallstufe 0, in denen keine Notfallversorgung vorgehalten wird. „In Hessen ist es gelungen, nahezu alle Krankenhäuser, die an der COVID-19-Versorgung teilnehmen, in den Kreis der anspruchsberechtigten Krankenhäuser aufzunehmen“, erklärt das Ministerium. „Es gibt nur noch wenige Krankenhäuser, die aufgrund ihres Versorgungsauftrages in der Inneren Medizin an der Versorgung mitwirken, aber nach den bundesrechtlichen Vorgaben nicht ausgleichsberechtigt sind. Konkret betrifft dies derzeit acht Krankenhäuser.“
Während die meisten Budgetverhandlungen für das Jahr 2020 noch nicht abgeschlossen sind und die finanziellen Rahmenbedingungen für 2021 noch nicht feststehen, sei die derzeitige Stimmung in den Krankenhäusern „schlecht“, wie Krankenhausberater Nikolic erklärt. „Die Hauptgründe dafür sind Unsicherheit und fehlende Grundlage für jegliche Planung.“ So sei für 2021 in einer Vielzahl von Kliniken bislang kein echtes Konzept zu erkennen. Nikolic rät den Krankenhäusern, sich mit Nachbarkliniken medizinisch und wirtschaftlich über Verbundeffekte auszutauschen, um sich so zu stabilisieren.
Für die Jahresabschlüsse 2020 ist Nikolic im Hinblick auf den Mindererlösausgleich skeptisch. „Theoretisch könnte der ausgefallene Umsatz in wesentlichen Teilen ausgeglichen werden“, sagt er. „Die Verhandlungen zum Mindererlösausgleich haben aber bereits begonnen und es dürfen Zweifel angemeldet werden, ob es allen Kliniken gelingen wird, mit den Kostenträgern vernünftige Verhandlungsergebnisse zu erzielen.“ Dabei seien diese Verhandlungen wichtig, da sie die finanzielle Grundlage für die folgenden Jahre legten, in denen die Fallzahlen wieder stiegen. „Wenn die Budget- und Entgeltverhandlungen 2020 nicht gut laufen, hat das Auswirkungen auf die Folgejahre mit erheblichen finanziellen Einbußen“, sagt Nikolic.
Auch im Hinblick auf das Pflegebudget werde es 2020 noch viele Auseinandersetzungen mit den Kostenträgern geben. Der politische Beweggrund für die Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den DRGs war der Wunsch, den Krankenhäusern Geld für die Pflege zur Verfügung zu stellen, das auch bei der Pflege ankommt. Wie gut es den Krankenhäusern bislang gelungen sei, ihre Pflegepersonalkosten in ihr Budget hineinzuverhandeln, ist aus Sicht von Nikolic noch nicht einzuschätzen. Er geht allerdings nicht davon aus, dass die Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den DRGs tatsächlich zu mehr Geld in den Kliniken führen werde.
Entwicklung beobachten
Wann und wie das Bundesgesundheitsministerium den derzeit geltenden Rettungsschirm ausweiten wird, steht bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer haben bei ihrer Videokonferenz am 10. Februar in jedem Fall darauf hingewiesen, dass das BMG zusammen mit dem Coronabeirat die finanzielle Entwicklung der Krankenhäuser beobachten und gegebenenfalls weitere Anpassungen der bestehenden Regelungen vornehmen wird. Falk Osterloh
Die Rettungsschirme
Der erste Rettungsschirm reichte vom 16. März bis zum 12. Juli. In dieser Zeit erhielten alle somatischen Krankenhäuser eine Freihaltepauschale von 560 Euro pro Tag für jedes nicht belegte Bett. Hinzu kamen unter anderem Zuschüsse für die Anschaffung von Intensivbetten und Schutzmaterial. Zwischen dem 13. Juli und dem 30. September wurde die Freihaltepauschale je nach Höhe der Vorhaltekosten der einzelnen Krankenhäuser differenziert. Jedem Krankenhaus wurde eine Pauschale von 360 Euro, 460 Euro, 560 Euro, 660 Euro oder 760 Euro zugeordnet. Zwischen dem 1. Oktober und dem 17. November erhielten die Krankenhäuser keine Freihaltepauschalen mehr.
Der zweite Rettungsschirm begann am 18. November. Nach aktuellem Stand läuft er am 28. Februar aus. Demnach können die Bundesländer Krankenhäuser benennen, die erneut Ausgleichszahlungen erhalten. Voraussetzung dafür ist, dass diese Krankenhäuser gemäß dem Notfallstufenkonzept des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Notfallversorgung der Stufe 2 (erweiterte Notfallversorgung) oder 3 (umfassende Notfallversorgung) erbringen sowie in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt liegen, in der die 7-Tage-Inzidenz bei über 70 liegt und in der es weniger als 25 Prozent freie, betreibbare Intensivkapazitäten gibt. Nachrangig können auch Krankenhäuser der Notfallstufe 1 (Basisnotfallversorgung) unter bestimmten Voraussetzungen Ausgleichszahlungen erhalten. Die Höhe der Freihaltepauschale wurde auf 90 Prozent der Beträge aus dem ersten Rettungsschirm gesenkt. In den vergangenen Wochen wurde der zweite Rettungsschirm weiter geöffnet: für Krankenhäuser, bei denen die Planungsbehörden der Länder – unabhängig von den Intensivkapazitäten – mindestens eine Basisnotfallversorgung festgestellt haben, und für Krankenhäuser ohne Notfallversorgung, die sich auf Lungen- und Herzkrankheiten spezialisiert haben.
Koordinierung der Versorgung
Die Versorgung der COVID-19-Patienten wird in jedem Bundesland nach eigenen Vorgaben koordiniert. Besonders zufrieden sind die Krankenhäuser mit der Koordinierung unter anderem in Hessen. Auch hier stießen die Intensivkapazitäten auf dem Höhepunkt der zweiten Pandemiewelle an ihre Grenzen. „Im Versorgungsgebiet Frankfurt-Offenbach gab es einen Engpass bei den Intensivbetten“, sagt der Geschäftsführer der Agaplesion Frankfurter Diakonie Kliniken, Jürgen Schäfer, zum Deutschen Ärzteblatt (DÄ). „Über mehrere Wochen waren die Intensivkapazitäten im Versorgungsgebiet fast vollständig ausgelastet.“ Auch vor diesem Hintergrund war eine gute Patientenversorgung in den Regionen nur durch eine gute Koordination möglich.
Um die Versorgung in Hessen zu koordinieren, hat das Hessische Sozialministerium kurz vor der zweiten Welle einen Stufenplan vorgelegt. „Ein zentrales Element sind dabei die koordinierenden Krankenhäuser in den sechs Versorgungsgebieten“, erklärt das Ministerium gegenüber dem DÄ. Demnach koordiniert das Klinikum Kassel die Versorgung im Gebiet Kassel, das Klinikum Fulda im Gebiet Fulda-Bad Hersfeld, das Universitätsklinikum Gießen-Marburg im Gebiet Gießen-Marburg, das Universitätsklinikum Frankfurt im Gebiet Frankfurt-Offenbach, die Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden im Gebiet Wiesbaden-Limburg und das Klinikum Darmstadt im Gebiet Darmstadt.
„Die koordinierenden Krankenhäuser sind Bindeglieder zwischen dem Planungsstab Stationär im Hessischen Sozialministerium und den Krankenhäusern im jeweiligen Versorgungsgebiet“, erklärt das Ministerium. „In Abstimmung mit dem Planungsstab haben sie ein regionales Versorgungskonzept entwickelt und setzen dieses im jeweiligen Versorgungsgebiet um. Sie übermitteln den Erkenntnisstand und die Empfehlungen des Planungsstabs an die Krankenhäuser.“ Die Krankenhäuser in Hessen erhielten dabei präzise Aussagen über den von ihnen erwarteten Beitrag zur Versorgung. Im Krankenhausplan sowie in Allgemeinverfügungen wurde den Krankenhäusern in regelmäßigen Abständen mitgeteilt, wie viele Fälle sie versorgen sollen.
Die hessischen Krankenhäuser sind mit dieser Koordination zufrieden. Zugute kommt dem Bundesland dabei die Nutzung der Internetplattform IVENA, die die Auslastung der Intensivstationen anzeigt. „Die Transparenz über IVENA ermöglicht uns in Hessen, die Belastung der Krankenhäuser – so gut es geht – gleich zu verteilen“, sagt der Geschäftsführende Direktor der Hessischen Krankenhausgesellschaft, Prof. Dr. med. Steffen Gramminger. „Es wurden in allen Versorgungsgebieten zwischen den koordinierenden und den kooperierenden Krankenhäusern über regelmäßige Telefonkonferenzen schnelle Lösungen gefunden und es wurde bei regionalen Engpässe partnerschaftlich unterstützt.“
„Wir standen mit den Krankenhäusern der Region in regelmäßigem Austausch, insbesondere mit dem koordinierenden Krankenhaus unseres Versorgungsgebiets, dem Universitätsklinikum Frankfurt“, berichtet Schäfer. „Die Zusammenarbeit war sehr gut. Als es zum Beispiel an ECMO-Geräten mangelte, haben wir unser ECMO-Gerät an das Universitätsklinikum verliehen.“
Die Agaplesion Frankfurter Diakonien Kliniken hat zwei Standorte in Frankfurt am Main: das Markus Krankenhaus mit 697 Betten und der Notfallstufe 2 und das Bethanien Krankenhaus mit 240 Betten und der Notfallstufe 0. „Wir haben die Versorgung aufgeteilt“, erklärt Schäfer. „Die COVID-19-Patienten wurden in erster Linie im Markus Krankenhaus behandelt. Das Bethanien Krankenhaus sollte erst einbezogen werden, wenn es zu einem drastischen Anstieg der Patientenzahlen kommt. Diese Strategie hat sich bewährt: Unsere Kapazitäten waren trotz des dynamischen Infektionsgeschehens ausreichend, sodass wir nur in Einzelfällen per Helikopter in andere Kliniken verlegen mussten.“ Als die Intensivkapazitäten in der Region an ihre Grenzen stießen, wurde im Markus Krankenhaus eine zweite Intensivstation ausschließlich für COVID-19-Patienten mit elf High-Care-Betten eingerichtet. „Die Betten haben eine andauernd hohe Auslastung“, sagt Schäfer.