ArchivDeutsches Ärzteblatt10/2021SARS-CoV-2: Wie Schnelltests helfen sollen

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SARS-CoV-2: Wie Schnelltests helfen sollen

Beerheide, Rebecca; Haserück, André

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Tests in Arztpraxen, Apotheken, Testzentren sowie zu Hause sollen als weiteres Instrument zur Bekämpfung der Coronapandemie in großem Stil genutzt werden. Mit einem positiven Testergebnis sollen Menschen aber nicht alleingelassen werden, raten Mediziner.

Foto: pascalskwara/stock.adobe
Foto: pascalskwara/stock.adobe

Böblingen, Tübingen, Rostock, aber auch Radeberg oder Torgau in Sachsen: Diese Kommunen bieten zum Teil seit Monaten bereits an, was nun die Bundesregierung in allen Kommunen als ein weiteres Werkzeug im Kampf gegen die SARS-CoV-2-Pandemie einsetzen will. Ab dem 8. März sollen auch „Schnell- und Selbsttests in sehr großen Mengen“ neben den Impfstoffen das Pandemiegeschehen in Deutschland positiv beeinflussen. So sah es jedenfalls die Runde der 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten sowie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer Konferenz Anfang März. Dabei setzt die Bundesregierung auf eine Kombination von Schnelltests – das sind die PoC-Antigenschnelltests – und Selbsttests für zu Hause. Zugelassen sind inzwischen Selbsttests von sieben Herstellern. Diese werden im Handel bei den großen Discountern sowie Drogerieketten auf deren Initiative ebenfalls ab Anfang März verfügbar sein. Die Pläne für mehr Schnelltests umfassen drei Bereiche: So sollen für Schulen und Kindertagesstätten im Präsenzbetrieb alle Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler pro Woche einmal mit einem Schnelltest getestet werden.

Diese Tests können die Bundesländer bereits seit Wochen bestellen, allerdings würden die Angebote von den Bildungseinrichtungen oftmals nur zu einem Drittel in Anspruch genommen werden, heißt es beispielsweise aus Bayern und Nordrhein-Westfalen.

Auch Betriebe sollen testen

Niedersachsen habe bereits 3,2 Millionen Selbsttests für die Schulen bestellt, sowie weitere 1,8 Millionen für Landesbedienstete. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte an, den Ministerpräsidenten zur Not auch als „Kontaktbörse“ helfen zu können, damit diese die Ansprechpartner für Bestellungen finden könnten.

Als zweite Stufe sollen die Unternehmen „als gesamtgesellschaftlichen Beitrag ihren in Präsenz beschäftigten pro Woche das Angebot von mindestens einem kostenlosen Schnelltests machen“, heißt es im Beschluss von Bund und Ländern. Ein Spitzengespräch dazu, an dem neben Arbeitgeberverbänden auch Gewerkschaften teilnehmen sollten, wurde für den 5. März terminiert, aber kurzfristig wieder abgesagt, da laut Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) einige wichtige Aspekte nicht geklärt seien. Die Unternehmen stünden in der Coronapandemie „zu ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung“. Bei den Schnelltests für Beschäftigte seien aber „noch entscheidende Fragen an die Bundesregierung offen“.

Es gehe „insbesondere um rechtliche und logistische Themen, beispielsweise inwiefern Unternehmen die Testergebnisse ans Gesundheitsamt melden sollen und dürfen“.

In der dritten Stufe sollen alle „asymptomatischen Bürgerinnen und Bürger mindestens einmal pro Woche einen kostenlosen Schnelltest einschließlich einer Bescheinigung über das Testergebnis“ als Angebot bekommen. Betreiber der Testzentren sollen die Kommunen oder von ihnen beauftragte Stellen sein. Allerdings: Nicht alle Kommunen sind bislang darauf ausreichend vorbereitet und müssen ihre Testzentren dafür ausbauen. Das ist mit ein Grund, warum das öffentlichkeitswirksam angekündigte Testangebot von Minister Spahn sich um einige Wochen verschiebt.

Ein Test pro Woche zu wenig

Für diese Pläne hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) „noch in der Nacht des Beschlusses“, wie Spahn betonte, eine neue Testverordnung in Umlauf gebracht. In einer ersten Fassung wird der Anspruch auf einen wöchentlichen PoC-Antigentest als „Bürgertestung“ festgelegt. Dieses neue Angebot gelte vor allem für Menschen, die asymptomatisch sind und nicht in die bestehenden Testkriterien zur Testung nach Verdachtsfällen oder Kontakten zählen, heißt es.

Das Angebot, nur einen Test pro Woche zu bekommen, halten viele Ärzteverbände für unzureichend. So kritisiert die Bundesärztekammer in einer Stellungnahme, dass ein Test kaum ausreichen werde, die geplanten Öffnungsschritte zu flankieren. So benötigten Schulen und Kitas mindestens zwei Tests pro Woche und Person.

Da derzeit noch nicht abschätzbar sei, wie viele Menschen die Tests wöchentlich in Anspruch nehmen, geht das BMG bei der Kostenfrage von zunächst 21 Millionen Euro pro einer Million Testungen aus. Darunter sind bis zu sechs Millionen Euro Sachkosten sowie 15 Millionen Euro Durchführungskosten. Jeder Test soll „höchstens 6 Euro“ in der Beschaffung kosten, heißt es. Dies schließt ein Gespräch, die Entnahme der Probe sowie die Ergebnismitteilung und ein Zeugnis über den Test mit ein. Nach den Beschlüssen der Bund-Länder-Konferenz wird davon ausgegangen, dass bis zu 150 Millionen Tests pro Monat abgerufen werden, dies könnte hochgerechnet einen monatlichen Kostenfaktor von bis zu 3,15 Milliarden Euro verursachen. In vorherigen Plänen des Bundesgesundheitsministeriums ging das Haus bisher nur von bis zu 810 Millionen Euro an Kosten pro Monat aus.

Laut Bundesgesundheitsministerium lägen derzeit etwa 150 Millionen Schnelltests „auf Halde“ und könnten direkt geliefert werden. „Es gibt keinen Mangel an Schnelltests“, betonte Minister Spahn noch einmal am 5. März. Zudem habe sich das BMG bereits über mehrere Rahmenverträge weitere 800 Millionen Schnelltests gesichert. Weitere 200 Millionen Selbsttests sollen seitens des Bundes beschafft werden – diese könnten in den regulären Handel für Supermärkte und andere Geschäfte gehen. Es liefen weitere Gespräche mit Herstellern, die liefern könnten, hieß es. In diesem Zusammenhang wurde eine entsprechende „Taskforce“ unter Beteiligung von sechs Bundesministerien sowie der Länder gebildet.

Auch wer die „Bürgertestung“ vornimmt, bestimmt die neue Verordnung: So kann der Öffentliche Gesundheitsdienst neben den medizinischen Einrichtungen auch „weitere geeignete Dritte“ beauftragen, „die entsprechend qualifiziert und zuverlässig sind“. Dazu zählen Vertragsärztinnen und -ärzte, Zahnärzte, medizinische Labore, Apotheken und besonders bei der „Bürgertestung“ auch Rettungs- und Hilfsorganisationen und weitere Anbieter, „die eine ordnungsgemäße Durchführung garantieren“.

Für Menschen, die positiv getestet werden, regelt die neue Version der Testverordnung explizit, dass sie mit einem positiven PoC-Antigentest einen Anspruch auf eine PCR-Testung haben. Die zusätzlichen PCR-Testungen könnten die gesetzliche Krankenversicherung etwa vier Millionen Euro je 100 000 notwendig werdenden PCR-Testungen kosten.

Die Häufigkeit der „Bürgertestung“ gilt aber nicht für die Testungen in Einrichtungen oder Unternehmen, die bereits ein „einrichtungs- oder unternehmenbezogenes Testkonzept selbst durchführen“, heißt es. Dazu zählen beispielsweise auch Pflegeheime und Arztpraxen, die weiterhin bis zu zehn PoC-Antigentests pro Mitarbeiter pro Monat beschaffen und nutzen können.

Die Verordnung sollte nach Redaktionsschluss am 8. März in Kraft treten, die Kommunen könnten dann in ihren Testzentren die Angebote umsetzen. Laut dem Beschluss aus der Bund-Länder-Runde haben die Länder aber bis April für die Umsetzung Zeit. Darauf verwies auch der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU): „Also es ist so, dass wir nicht nächste Woche allen Bürgern dieses Angebot machen können.“ Dabei gehe es vor allem um das Personal. „Wir haben ein Freiwilligenregister in NRW, da müssen jetzt die Menschen aktiviert werden, das dauert einige Tage.“

Andere Länder lassen sich beispielsweise in Baden-Württemberg zusätzlich von der Drogeriekette dm helfen, in Rheinland-Pfalz gaben die Apotheker an, sich ebenfalls um Tests bemühen zu wollen.

Tests in Österreich

Im Nachbarland Österreich werden Schnelltests schon seit Längerem auch an medizinische Laien abgegeben. Dort werden seit Januar Corona-Selbsttest-Kits frei verkauft. Seit Anfang März sind diese Laientests auch kostenfrei in Apotheken zu bekommen. Bis zu fünf Tests pro Person und Monat werden zur Verfügung gestellt. Das Angebot richtet sich an alle über 15-Jährigen, die in Österreich sozialversichert sind. Die Tests sollen vor allem der Eigenkontrolle dienen – als Zutrittsberechtigung, etwa für den Besuch von Friseuren oder Ähnliches, können sie nicht verwendet werden. Die Voraussetzung dafür bleibt ein aktueller negativer medizinischer Schnelltest.

Zudem gab es zum Start einige Hürden. So bat die österreichische Apothekerkammer aufgrund der limitierten Anzahl der zur Verfügung stehenden Test-Kits darum, „nicht gleich am ersten Tag in die Apotheken zu stürmen“. Ab Mitte März sollen wesentlich mehr Tests verfügbar sein. Und: Rund 300 000 Menschen in Österreich werden das Angebot vorerst nicht nutzen können, weil sie auf die elektronische Nutzung der Daten ihrer Gesundheitskarte verzichtet haben. Die monatliche Abgabe der Tests soll aber als Kontrolle in der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) gespeichert werden. An einer Lösung wird laut Gesundheitsministerium gearbeitet.

Bereits seit einigen Wochen haben aber alle Österreicher, egal ob mit oder ohne Symptome, die Möglichkeit, kostenfrei einen medizinischen Corona-Schnelltest durchführen zu lassen. Möglich ist dies nach vorheriger Online-Anmeldung in großen Teststraßen, wo das Bundesheer unterstützend tätig ist, beim Arzt oder in den Apotheken. Fällt der Schnelltest positiv aus, werden nicht nur die Getesteten, sondern auch die Gesundheitsbehörden über das Ergebnis informiert und ein PCR-Test zur Überprüfung angeordnet. Die entsprechenden Zahlen des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zeigen: Österreich verzeichnet aktuell hinter Dänemark, das Schnelltests ebenfalls großflächig einsetzt, mit knapp einem Prozent die zweitniedrigste Rate an Positiv-Tests in der Europäischen Union (EU). Zum Vergleich: In Deutschland lag die Positivrate zuletzt beim etwa sechs Prozent.

Die freiwilligen und kostenfreien Tests werden seit Anfang Februar zudem von einer Teststrategie für Schulen ergänzt. Zweimal pro Woche werden die Lehrkräfte sowie Kinder und Jugendliche getestet – Verweigerer dürfen dem Präsenzunterricht nicht beiwohnen. Versuche mit Angeboten zu kostenlosen Massentests zu einem bestimmten Termin stellte die österreichische Regierung nach verhaltener Akzeptanz allerdings wieder ein. Ähnliches gilt für die Slowakei. Die eher unstrukturierten Massen-Schnelltests lieferten zwar eine Momentaufnahme des landesweiten Infektionsgeschehens, änderten aber mittel- und langfristig nichts an rapide steigenden COVID-19-Inzidenzen.

Menschen nicht allein lassen

Um die erhofften positiven Wirkungen des Zusammenspiels aus beschleunigter Impfkampagne (siehe vorheriger Artikel) und dem Ausbau der Coronatestmöglichkeiten zu erzielen, wird es insbesondere im Zusammenhang mit den angestrebten Lockerungen der Eindämmungsmaßnahmen darauf ankommen, die Bürger mit der Interpretation der Coronaselbsttests nicht allein zu lassen. Darauf wies unter anderem die Virologin Prof. Dr. med. Sandra Ciesek hin.

Zudem sollten auch beim niedrigschwelligen Einsatz von Coronatests mittels Speichelproben oder Abstrichen von der Zunge möglichst hochwertige Produkte genutzt werden. In Deutschland wurde deshalb der Weg nationaler Sonderzulassungen über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gewählt (siehe folgender Artikel).

Rebecca Beerheide, André Haserück

3 Fragen an . . .

Dr. med. Lisa Federle, Notärztin, Pandemiebeauftragte der Stadt Tübingen

Foto: picture alliance dpa Sebastian Gollnow
Foto: picture alliance dpa Sebastian Gollnow

Testen, Testen, Testen – das ist ja seit Monaten ihr Thema. Ist es jetzt der richtige Zeitpunkt oder ist es zu spät dafür?

Ich hätte mir gewünscht, dass früher was passiert. Im Oktober war ich zum ersten Mal beim Sozialministerium Baden-Württemberg und habe die Pläne vorgetragen. Seitdem fordere ich immer wieder, dass die Tests in der ganzen Breite kommen müssen. Nun bin ich aber froh, dass ich in vielen Medien inzwischen den „Tübinger Weg“ und meine Teststrategie vorstellen konnte. Auch dank der Medien ist das Thema nun in der Diskussion.

Was erleben Sie als Resonanz auf die Tests?

Wir haben seit dem 26. November 2020 mindestens 20 000 Schnelltests im Rahmen unseres Spendenprojektes gemacht. 350 der Getesteten waren positiv, wohlgemerkt lauter Menschen, die vorher symptomlos waren. Und da geht es nur um Schnelltests, die wir als Deutsches Rotes Kreuz in Tübingen kostenfrei gemacht haben. Viele Menschen sind sehr dankbar, dass wir das fünf Tage die Woche machen. Ich erwarte, dass die Resonanz noch einmal steigt, wenn es jetzt die neuen Tests gibt. Es macht ja einen Unterschied, ob das Stäbchen sehr tief oder nur zwei Zentimeter in die Nase eingeführt werden muss, wie bei der zweiten Generation. Das Interesse ist aber auch bei anderen Landkreisen und Kommunen sehr groß.

Das Thema Beschaffung: Ist es momentan schwer, die Schnelltests zu bekommen?

Überhaupt nicht! Ich bin mit Firmen seit Monaten in Kontakt, die mir seit Wochen sagen, ich könnte auch 20 Millionen Tests bestellen und innerhalb von vier Wochen geliefert bekommen. Aber bei den Angeboten, die jetzt auch in die Supermärkte kommen, rate ich zur Vorsicht. Hier gibt es keine Testkonzepte, wie die eingesetzt werden. Aufgrund meiner Erfahrung mit der kostenfreien Schnelltestaktion in Tübingen ist es so, dass da asymptomatische Personen kommen, die davon ausgehen, sie sind nicht erkrankt. Die sind dann entweder geschockt oder sagen: „Das kann nicht sein.“ Die Leute müssen angeleitet werden, wie sie damit umgehen müssen, wenn sie einen positiven Test haben. Wo sie hingehen müssen, was sie wissen müssen. Und die Selbsttests können momentan auch kein Ersatz sein: Für den Besuch im Heim oder im Krankenhaus brauchen sie ein Attest. Kann ich mir dann mit dem Heimtest dieses Attest selbst ausstellen? Das ist noch nicht geklärt. Deswegen dränge ich darauf, ganz schnell die kommunalen Testzentren aufzubauen und die schon bestehenden deutlich auszuweiten und darüber hinaus die Leute so aufzuklären, dass sie auch mit Selbsttests zu Hause umgehen können.

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