ArchivDeutsches Ärzteblatt11/2021Auch Mutterkornalkaloide gehören zu den Pilzgiften
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Der interessanten und umfassenden Übersichtsarbeit von Wennig et al. (1) darf hinzugefügt werden, dass auch die Mutterkornalkaloide (Ergotalkaloide [2], zum Beispiel Ergotamin) zu den Pilzgiften gerechnet werden können. Das Mutterkorn (Claviceps purpurea) gehört tatsächlich zu den Großpilzen, da im Frühjahr kleine, aber gut erkennbare Fruchtkörper aus dem sogenannten Sklerotium (Dauerform mancher Schlauchpilze) wachsen. Allerdings werden Intoxikationen durch das Mutterkorn (über Getreide) eher in der Gruppe der Vergiftungen durch Mykotoxine (Schimmelpilzvergiftungen) subsummiert. Vergiftungen durch Mutterkorn zieht man sich nicht beim normalen Pilzsammeln zu. Heutzutage kommen in einer modernen Landwirtschaft Vergiftungen mit Ergotalkaloiden durch Getreide kaum noch vor, sondern entstehen und durch die Einnahme bestimmter Medikamente zum Beispiel gegen Migräne oder Morbus Parkinson sowie in der Geburtsmedizin (3). Interessanterweise ist LSD (Lysergsäurediethylamid) ein chemisches Derivat der Lysergsäure aus Mutterkorn.

Eine symptomatische Vergiftung mit Ergotamin kann klinisch zu teils massiven Verengungen der Blutgefäße und konsekutiv zu Durchblutungsstörungen von Herzmuskel, Nieren und Extremitäten führen. Letztere erscheinen oft kalt und blass, der Puls ist oft kaum nachweisbar. Zudem können Parästhesien, Hypästhesien und manchmal auch Paresen auftreten. Häufig ist ein sekundäres Raynaud-Syndrom bis hin zu schmerzhaftem Absterben von Fingern und Zehen (Gangrän und Nekrose bei Ergotismus gangraenosus, dem sogenannten „Mutterkornbrand“, benannt auch mit Ignis sacer [„Heiliges Feuer“] oder „Antoniusfeuer“). Zusätzlich bestehen oft Allgemeinsymptome wie Emesis, Verwirrtheit und/ oder Diarrhö. Akute Vergiftungen können durch Atem- oder Herzstillstand sogar zum Tod, chronische Vergiftungen zum Verlust der mangelhaft durchbluteten Gliedmaßen führen. Therapeutisch sollten die auslösenden Medikamente sofort abgesetzt sowie gegebenenfalls Medikamente, die eine Gefäßdilatation bewirken können (zum Beispiel Kalziumantagonisten, Nitrate oder Prostaglandine) verabreicht werden.

DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0113

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Dipl. Chem. Michael G. Haufs

Facharztpraxis Münster

michaelhaufs@gmx.de

1.
Wennig R, Eyer F, Schaper A, Zilker T, Andresen-Streichert H: Mushroom poisoning. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 701–8 VOLLTEXT
2.
Schiff PL: Ergot and its alkaloids. Am J Pharm Educ 2006; 70: 98 CrossRef MEDLINE PubMed Central
3.
Meggs WJ: Epidemics of mold poisoning past and present. Toxicol Ind Health 2009; 25: 571–6 CrossRef MEDLINE
1.Wennig R, Eyer F, Schaper A, Zilker T, Andresen-Streichert H: Mushroom poisoning. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 701–8 VOLLTEXT
2.Schiff PL: Ergot and its alkaloids. Am J Pharm Educ 2006; 70: 98 CrossRef MEDLINE PubMed Central
3.Meggs WJ: Epidemics of mold poisoning past and present. Toxicol Ind Health 2009; 25: 571–6 CrossRef MEDLINE

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