ArchivDeutsches Ärzteblatt11/2021Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Jährliche Updates für Leitlinien

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Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Jährliche Updates für Leitlinien

König, Romy

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Leitlinien geben nützliche Behandlungsempfehlungen, können aber rasch veralten. Regelmäßig überprüft und aktualisiert werden dagegen Living Guidelines. So gelangte etwa das erst 2019 zugelassene Biologikum Ustekinumab bereits 2020 in die S3-Leitlinie für Colitis ulcerosa.

Wer als Ärztin oder Arzt Orientierung bei der Behandlung sucht, wird hin und wieder auf Leitlinien zurückgreifen. Diese seien nützlich, weil sie wertvolle Behandlungsempfehlungen geben könnten, sagte Prof. Dr. med. Axel Dignaß, Chefarzt Medizinische Klinik I, Agaplesion Markus Krankenhaus, Frankfurt am Main, auf einer Presseveranstaltung der Janssen-Cilag GmbH. Gerade die Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) gestalte sich mit Blick auf verfügbare Behandlungsoptionen und Medikamente oft kompliziert, so der Gastroenterologe: Allein 20 bis 30 Medikamente stünden zur Verfügung, von Antibiotika und Supportiva über Immunmodulatoren und Steroide bis hin zu Biologika – Off-Label-Use-Optionen nicht eingerechnet. Leitlinien könnten hier eine Orientierung geben.

„Leitlinien kommen zustande, indem Wissenschaftler versuchen, Evidenzen aus publizierten Manuskripten zu gewichten“, erklärte Dignaß. In Deutschland geschehe dies nach Kriterien, die die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich-medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) aufgestellt habe.

Leitlinien-Wirrwarr

Doch die Konsultation dieser Behandlungsempfehlungen wird gerade Gastroenterologen nicht leicht gemacht. „Hier herrscht ein großes Wirrwarr“, so Dignaß. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) veröffentlicht ebenso Leitlinien wie die European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO), britische Leitlinien stehen ebenso zur Verfügung wie amerikanische. Zudem gebe es immer wieder Sonderleitlinien wie etwa jene zum Umgang mit CED während der Coronapandemie.

Hinzu kommt: Nicht immer sind die Leitlinien auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand. „Die aktuelle deutsche Leitlinie zu Morbus Crohn ist zum Beispiel noch von 2014, wurde demnach 2013, also vor acht Jahren, erstellt“, so Dignaß. Pharmazeutisch betrachtet seien das „Lichtjahre“, viele der heute verfügbaren Medikamente habe es 2013 noch nicht gegeben. Dignaß empfiehlt daher, nicht nur das Herkunftsland der Leitlinie im Blick zu haben, sondern auch ihr Publikationsjahr. Die ECCO-Leitlinie zu Morbus Crohn sei von 2020 und könne gleichsam herangezogen werden. Da das Leitlinienprogramm der ECCO zu CED sehr umfangreich sei, verweist Dignaß zudem auf die Webseite der gemeinnützigen Organisation United European Gastroenterology (UEG), über die alle europäischen Leitlinien nach Stichworten abgerufen werden können. „Für Ärzte ein nützliches Tool“, meint der Gastroenterologe.

Die DGVS ist derweil dazu übergegangen, sogenannte Living Guidelines zu erstellen. Das sind Leitlinien, die von einer Steuergruppe aus Ärztinnen und Ärzten einmal jährlich geprüft und aktualisiert werden. „So können auch neue Medikamente zeitgerecht aufgenommen werden“, so Dignaß. Beispiel Colitis ulcerosa (CU): Hier gab es im Dezember 2020 ein Leitlinien-Update durch eine – von Dignaß geleitete – Expertengruppe. Sie enthält nun neue Empfehlungen zur Therapie, berücksichtigt etwa den Wirkstoff Ustekinumab (Stelara®, Janssen-Cilag) als Erstlinien-Biologikum – ein Präparat, das bereits seit 2019 für die Behandlung von CU und seit 2016 für die Behandlung von Morbus Crohn zugelassen ist.

Zusätzliche Therapieoption

„Oberstes Ziel bei CED sind zum einen das rasche Erreichen einer klinischen Remission, zum anderen aber vor allem die Bewahrung einer langfristigen steroidfreien klinischen und endoskopischen Remission“, sagte Dignaß. „Für Patienten, die eine intensivierte Therapie benötigen, ist Ustekinumab eine wertvolle zusätzliche Therapieoption als Erstlinien-Biologikum mit gutem Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil.“

Die aktualisierte Leitlinie empfiehlt den monoklonalen Antikörper als Erstlinien-Biologikum für CU-Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Krankheitsaktivität, die auf systemische Steroide unzureichend ansprechen beziehungsweise Kontraindikationen oder Intoleranzen aufweisen, sowie für CU-Patienten mit steroidabhängigem Verlauf. Ebenfalls als Erstlinien-Biologikum wird der Wirkstoff bei Thiopurinversagen sowie zur Remissionserhaltung nach Ansprechen auf die Induktionstherapie mit Ustekinumab angeführt.

Davon, dass der Wirkstoff nun auch in die CU-Leitlinie aufgenommen wurde, erhofft sich Dignaß ein höheres Vertrauen und damit eine höhere Durchsetzung. „Das wäre wirklich wünschenswert für die Therapie.“ Eine Aktualisierung der Leitlinie für Morbus Crohn ist ebenfalls in Arbeit – mit der Veröffentlichung sei dieses Jahr zu rechnen. Romy König

Quelle: Digitales Pressebriefing „Aktuelle Leitlinien bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen – Leitliniengerechte Therapie der Colitis ulcerosa und des Morbus Crohn mit Ustekinumab“, 16. Februar 2021; Veranstalter: Janssen-Cilag GmbH

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