BRIEFE
Digitalisierung: Hybridkonzepte entwickeln


Im Medizinreport werden kritisch virtuelle Medizinkongresse diskutiert, mit dem Fazit: Auf die Dauer reiche das nicht aus. Mehrheitlich vermissen Ärzte den realen Austausch mit Kollegen. Essenzielle Kommunikationsdefizite bei virtuellen Kontakten erschweren vertrauensvolle Gespräche, aber auch lebhaft-konstruktive Diskussionen als vertrauensbildende Maßnahme.
Wird das ausreichend bei der Arzt-Patient-Beziehung bedacht? Dort wird immer mehr digitale Kommunikation angestrebt. Werden die Konsequenzen für geforderte individuelle Therapieentscheidungen und Compliance bedacht? Diese brauchen profundes Vertrauen zwischen Patient und Arzt.
Bedenken Digitalkonzepte, dass viele nonverbale Informationen auf der Strecke bleiben? Im Medizinreport wird auf fehlenden vertrauensvollen fachlichen Austausch in den Kaffeepausen verwiesen. Das zielorientierte Arzt-Patient-Gespräch (außer in Notsituationen) kann in entspannter Atmosphäre als permanentes, wenn auch anstrengendes „Kaffeepausengespräch“ angestrebt werden. Das ist so informativ, dass die Wege zur Diagnose und Therapie deutlich verkürzt werden, hohe klinische Kompetenz vorausgesetzt. Mit ärztlichen Soft Skills lassen sich dann Labor und Medizintechnik einsparen.
Von Digitalkonzepten in der Arzt-Patient- Beziehung werden Einsparungen für das Gesundheitswesen erwartet, die nicht anhand von Therapieerfolgen nachhaltig validiert wurden.
Zumindest sollte ein Hybridkonzept festgelegt werden. Die Umstellung von Präsenz- auf Digitalkontakte zum Arzt ist nur für einen Teil der Patienten geeignet, in einer weiter alternden Gesellschaft.
Fazit: Im Medizinreport wurde überzeugend dargestellt, dass Ärzte bei Fortbildungsveranstaltungen die Präsenzform zum persönlichen Erfahrungsaustausch brauchen. Dieses Bedürfnis ist noch größer bei Patienten, die ärztlichen Rat suchen. Messen wir mit zweierlei Maß? Ärzte in Praxen und häufiger permanenten Patientenkontakten stufen digitale Gesundheitsangebote um den Faktor 4 häufiger als Risiko ein als Klinikärzte mit kürzeren Patientenkontakten.
Prof. Dr. med. Dipl. Psych. J. M. Wenderlein, 80975 Ulm