BRIEFE
Impfstart in Deutschland: Chaotische Bürokratie


Aufmerksam und neidisch können wir verfolgen, wie die Impfgeschwindigkeit in vielen Ländern an Fahrt aufnimmt, selbst Impf-Drive-ins sind kreative Lösungsansätze, um rasch flächendeckende Impfungen zu realisieren. Auch wir werden in der Praxis täglich mit dem Thema Corona konfrontiert; bei der Mehrzahl der Gespräche stehen allerdings fehlende Termine und organisatorisches Chaos im Mittelpunkt. Nun kann ich selbst ein konkretes Beispiel beisteuern: Mein Mann, 71 Jahre, entsprechende Priorisierung, erhielt, nachdem er mehrfach sämtliche Impfzentren in der näheren Umgebung elektronisch visitierte, im Impfzentrum Freiburg zwei Termine für die Impfung mit dem BioNTech-Impfstoff. Leider hielt die Freude nur kurz an, denn in der Nacht zum Sonntag erhielt er per E-Mail die Terminabsage. Mit dem weiterhin gültigen Vermittlungscode ließ er sich einen neuen, ersten Impftermin geben. Für die Vermittlung des zweiten Termins wird auf die Tel.-Nr. 116117 verwiesen. Beim Wählen dieser Nummer am Sonntag erfuhr er, dass die Coronavermittlung erst ab Montag 8 Uhr wieder besetzt sei. Wie schön, dass auch Corona eine Wochenendpause machen darf. Da ich diese Information nicht glauben konnte, habe ich die verschiedenen Schritte noch einmal nachvollzogen: Es handelte sich tatsächlich nicht um ein kurzfristiges technisches Problem; es scheint tatsächlich so konzipiert. Wohnen wir hier einer Vorstellung „Realsatire“ bei, nachdem schon der Kulturbetrieb lahmgelegt wurde? Wurde überhaupt verstanden, dass es sich um eine Pandemiesituation mit drohender dritter Welle und bei fehlenden raschen Impfungen um die Gefahr der Selektion von Escape-Mutanten handelt? Oder ist das die Strategie: Man hortet die (AstraZeneca-)Impfstoffe bis zu ihrer Unwirksamkeit, dann erspart man sich den Impfaufwand? ... Dass wir Niedergelassenen in der Fläche impfen können, kann man jedes Jahr bei den Influenza-Impfungen sehen und wurde bereits bei der als Pandemie ausgerufenen „Schweinegrippe“ bewiesen. Das Problem bestand damals in der Impfstoffverteilung und Lagerung, das sollte jetzt mit den Erfahrungen von damals abgearbeitet sein und funktionieren. Pilotprojekte mit der implizierten Zeitverzögerung sollten wir wahrlich nicht brauchen. Die Forderung kann nur lauten: Rasche, vernünftige Terminvergaben, erreichbare Hotlines mit der Situation angemessenere Arbeitszeit, sofortige Verteilung der Impfstoffe an Niedergelassene und Betriebsmediziner, ..., sofortiges Verimpfen der vorhandenen Impfstoffe unter Einbeziehung sämtlicher Ressourcen. Ende der chaotischen Bürokratie jetzt!
Wir haben keine Zeit zu verlieren.
Dr. med. Sabine Buehrer-Erz, 79618 Rheinfelden
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