ArchivDeutsches Ärzteblatt14/2021Hochfrequente Selbsttestung von Lehrenden auf SARS-CoV-2 mit einem Antigen-Schnelltest
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Die Real-Time Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) aus einem von Fachpersonal entnommenen Atemwegsabstrich ist der Goldstandard zum Nachweis einer aktiven SARS-CoV-2-Infektion. Auch Antigen-Schnelltests sind verfügbar, und bieten eine Point-of-Care-Testung innerhalb weniger Minuten. Sie sind hinsichtlich der Sensitivität und Spezifität der PCR unterlegen. Jedoch könnte die Sensitivität ausreichen, um die meisten symptomatischen Fälle einer SARS-CoV-2 zu detektieren (1), insbesondere wenn wiederholte Testung in kurzen Zeitabständen erfolgt (Hoch-Frequenz-Testung) (2). Die Anwendung ist in der Regel einfach und kann mit einem von medizinischen Laien selbst entnommenen vorderen Nasenabstrich erfolgen (3, 4).

Methode

In der SAFE School Hessen Studie, finanziert und beauftragt vom Hessischen Kultusministerium sowie dem Hessischen Ministerium für Integration und Soziales, wurden Lehrerinnen und Lehrer (LuL) aus zwei hessischen Landkreisen und einer kreisfreien Stadt zur Selbsttestung mit einem SARS-CoV-2-Antigenschnelltest (R-Biopharm, Darmstadt) eingeladen. Die Testung erfolgte aus einem selbst entnommenen vorderen Nasenabstrich und wurde während der siebenwöchigen Studiendauer alle 48 Stunden unbeobachtet durch die LuL zu Hause durchgeführt, ausgewertet und dokumentiert. Die LuL wurden in einem Video sowie schriftlich zur Testdurchführung angeleitet. Es stand bei Rückfragen eine Studienhotline zur Verfügung. Proben, bei denen durch die LuL ein positives oder unklares Ergebnis ermittelt wurde, wurden am Institut für Medizinische Virologie, Universitätsklinikum Frankfurt, mittels RT-PCR überprüft. Es erfolgte eine Befragung der Studienteilnehmenden, ob in dem Studienzeitraum extern eine SARS-CoV-2-Infektionen nachgewiesen wurde, und ob es zu Schwierigkeiten in der Testdurchführung kam. Das Studienprotokoll wurde von der Ethikkommission des Universitätsklinikums Frankfurt zustimmend bewertet.

Ergebnisse

Es nahmen 711 LuL von 86 Schulen teil. 635 der 711 LuL (89,3 %) reichten Dokumentationsbögen ein. 11 385 Antigenschnelltests konnten so ausgewertet werden. 21 positive Antigentests wurden mittels RT-PCR überprüft. In fünf Fällen konnte eine Infektion mit SARS-CoV-2 bestätigt werden (echt positive Befunde) (Tabelle). Es lagen hohe Viruslasten in dem Cycle-Threshold(Ct-)Bereich zwischen 17,6 und 20,2 vor, der mit in-vitro Infektiosität assoziiert ist (1). In einem Fall bestand zum Zeitpunkt der Testung eine präsymptomatische SARS-CoV-2-Infektion, in vier Fällen bereits Symptome, die häufig unspezifisch waren (Tabelle). Es wurden keine asymptomatischen Infektionen detektiert. In 16 Fällen konnte eine Infektion mit SARS-CoV-2 mittels RT-PCR ausgeschlossen werden (falsch positiver Antigentest). Häufig war bereits der erste durchgeführte Antigentest positiv (10 von 16 falsch positiven Antigentests, 62,5 %). Dies könnte auf einen persistierenden Wirtsfaktor in der Nasenschleimhaut der Studienteilnehmenden hinweisen. Protein A von Staphylococcus aureus oder von anderen koagulase-positiven Staphylococcus-Spezies können die Fc-Region von IgG binden und so zu falsch reaktiven Befunden in einem Lateral-Flow-System führen (5). Sieben falsch reaktive Proben wurden mittels PCR (target: nuc and MREJ) und Kultur auf Staphylococcus aureus untersucht: S. aureus konnte in sechs von sieben Proben (85,7 %) nachgewiesen werden. In vier Fällen wurde eine extern mit einer PCR bestätigte SARS-CoV-2-Infektionen während der Studienzeiten angegeben, die durch die Antigentestung laut Aussage der Probanden nicht erkannt wurde (vermutlich falsch negative Antigentests). Ein ungültiges Testergebnis (keine Färbung der Kontrollbande) wurde bei 49 von 11 385 Tests dokumentiert (0,43 %). 92,0 % der Studienteilnehmenden gaben an, nie Schwierigkeiten in der technischen Durchführung des Tests gehabt zu haben, 7,0 % selten, 1,0 % gelegentlich und 0,0 % häufig.

Charakterisierung der echt positiven, falsch positive und falsch negativen Antigentestergebnisse der SAFE School Hessen Studie
Tabelle
Charakterisierung der echt positiven, falsch positive und falsch negativen Antigentestergebnisse der SAFE School Hessen Studie

Diskussion

Durch die Selbsttestung der LuL konnten Fälle einer SARS-CoV-2-Infektion frühzeitig entdeckt, und so potenziell Übertragungen im Schul- oder Privatumfeld verhindert werden. 76,2 % der positiven Antigentests waren falsch positiv. Positive Antigentests müssen also zeitnah überprüft werden, um mögliche Verunsicherung und Implementierung nicht notwendiger Isolationsmaßnahmen zu minimieren. Es sollte ein Antigentest mit optimierter Spezifität bei gleichzeitig hoher Sensitivität verwendet werden. Besonders effektiv war die Testung in der Studie, wenn Symptome vorlagen, die jedoch unspezifische, in der Allgemeinbevölkerung prävalente Beschwerden sein können, und bei hoher lokaler Inzidenz. Da es auch zu falsch negativen Befunden kommen kann, sollte die Anwendung von Antigentests keine Lockerung der lokal bestehenden Hygienemaßnahmen begründen. Wir vermuten, dass eine geringe Viruslast zum Zeitpunkt der Testung zu den falschnegativen Antigen-Testbefunden geführt hat, aber auch Anwendungsfehler sind denkbar. Die Möglichkeit falsch-positiver und falschnegativer Befunde sollte dem Anwender bewusst sein.

Die Ergebnisse der Studie sind auch als Pre-Print abrufbar: www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.11.02.20223859v1

Sebastian Hoehl*, Barbara Schenk*, Olga Rudych, Stephan Göttig, Ivo Foppa, Niko Kohmer, Onur Karaca, Tuna Toptan, Sandra Ciesek

*Die Autoren teilen sich die Erstautorenschaft.

Institut für Medizinische Virologie, Universitätsklinikum Frankfurt, Goethe University Frankfurt am Main (Hoehl, Schenk, Rudych, Kohmer, Karaca, Toptan, Ciesek) Sandra.Ciesek@kgu.de

Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsklinikum Frankfurt, Goethe University Frankfurt am Main (Göttig)

Hessisches Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen (HLPUG), Abteilung I (Gesundheitsschutz) (Foppa)

German Centre for Infection Research, DZIF, external partner site Frankfurt (Ciesek)

Fraunhofer Institute for Molecular Biology and Applied Ecology (IME), Branch Translational Medicine and Pharmacology, Frankfurt (Ciesek)

Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten
eingereicht: 17. 2. 2021, revidierte Fassung angenommen: 11. 3. 2021

Zitierweise
Hoehl S, Schenk B, Rudych O, Göttig S, Foppa I, Kohmer N, Karaca O, Toptan T, Ciesek S: High-frequency self-testing of schoolteachers for SARS-CoV- 2 with a rapid antigen test: findings of the Safe School Hesse study. Dtsch Arztebl Int 2021. DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0187 (online first)

Dieser Beitrag erschien online am 22. 3. 2021 (online first) auf www.aerzteblatt.de.

►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter: www.aerzteblatt-international.de

1.
Toptan T, Eckermann L, Pfeiffer AE, et al.: Evaluation of a SARS-CoV-2 rapid antigen test: potential to help reduce community spread? J Clin Virol 2021; 135: 104713 CrossRef MEDLINE PubMed Central
2.
Mina MJ, Parker R, Larremore DB: Rethinking Covid-19 Test sensitivity—a strategy for containment. N Engl J Med 2020; 383: e120 CrossRef MEDLINE
3.
Lindner AK, Nikolai O, Kausch F, et al.: Head-to-head comparison of SARS-CoV-2 antigen-detecting rapid test with self-collected anterior nasal swab versus professional-collected nasopharyngeal swab. Eur Respir J 2021; 2003961 CrossRef MEDLINE PubMed Central
4.
Altamirano J, Govindarajan P, Blomkalns AL, et al.: Assessment of sensitivity and specificity of patient-collected lower nasal specimens for sudden acute respiratory syndrome coronavirus 2 Testing. JAMA Netw Open 2020; 3: e2012005 CrossRef MEDLINE PubMed Central
5.
Cronin UP, Girardeaux L, O’Meara E, Wilkinson MG: Protein a-mediated binding of Staphylococcus spp. to antibodies in flow cytometric assays and reduction of this binding by using Fc receptor blocking reagent. Appl Environ Microbiol 2020; 86: e01435–20 CrossRef MEDLINE PubMed Central
Charakterisierung der echt positiven, falsch positive und falsch negativen Antigentestergebnisse der SAFE School Hessen Studie
Tabelle
Charakterisierung der echt positiven, falsch positive und falsch negativen Antigentestergebnisse der SAFE School Hessen Studie
1.Toptan T, Eckermann L, Pfeiffer AE, et al.: Evaluation of a SARS-CoV-2 rapid antigen test: potential to help reduce community spread? J Clin Virol 2021; 135: 104713 CrossRef MEDLINE PubMed Central
2.Mina MJ, Parker R, Larremore DB: Rethinking Covid-19 Test sensitivity—a strategy for containment. N Engl J Med 2020; 383: e120 CrossRef MEDLINE
3.Lindner AK, Nikolai O, Kausch F, et al.: Head-to-head comparison of SARS-CoV-2 antigen-detecting rapid test with self-collected anterior nasal swab versus professional-collected nasopharyngeal swab. Eur Respir J 2021; 2003961 CrossRef MEDLINE PubMed Central
4.Altamirano J, Govindarajan P, Blomkalns AL, et al.: Assessment of sensitivity and specificity of patient-collected lower nasal specimens for sudden acute respiratory syndrome coronavirus 2 Testing. JAMA Netw Open 2020; 3: e2012005 CrossRef MEDLINE PubMed Central
5.Cronin UP, Girardeaux L, O’Meara E, Wilkinson MG: Protein a-mediated binding of Staphylococcus spp. to antibodies in flow cytometric assays and reduction of this binding by using Fc receptor blocking reagent. Appl Environ Microbiol 2020; 86: e01435–20 CrossRef MEDLINE PubMed Central

Kommentare

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Avatar #781817
MaKoRi
am Dienstag, 23. März 2021, 11:29

Wie sinnhaft sind Selbsttests wirklich ?

"Selbsttests können tagesaktuell zusätzliche Sicherheit bei Kontakten geben. Regelmäßige Testungen können dabei unterstützen, auch Infektionen ohne Krankheitssymptome zu erkennen." (MPK am 22.03.2021)
Selbsttests als Allheilmittel ? Die Studie von Hoehl et al. spricht da ja eine andere Sprache und bestätigt all das, was wir bisher bei Tests gefunden haben:
1) 76,2 % der positiven Antigentests waren falsch positiv. Die Probanden waren asymptomatisch und die Inzidenz war niedrig. Hier wird der schlechte positive prädiktive Wert von Selbsttests in der statistischen Berechnung (https://www.aerzteblatt.de/archiv/216859/SARS-CoV-2-Testergebnisse-richtig-einordnen) jetzt auch durch eine Studie bestätigt.
2) „Besonders effektiv war die Testung in der Studie, wenn Symptome vorlagen [...]“ --> hier wird in der Diskussion der Studie der falsche Schluss gezogen --> effektiv wäre ja hier ein Fernbleiben der Lehrenden, eine große Gefahr von Selbsttests vor Ort ist, dass Symptomträger zur Arbeit kommen ("kann mich ja dort testen lassen") und erst dort „herausgefischt“ werden, die hätten aber schon anhand der Symptome identifiziert werden können.
3) Die Gefahr der falsch negativen Befunde ist bei Selbsttests nicht zu vernachlässigen ! Haben diese Lehrenden denn dann weitergearbeitet und andere gefährdet ? Darauf wird leider in der Diskussion nicht eingegangen.
Fazit: Selbsttests sind keine effektive Maßnahme in der Breite bei asymptomatischen Personen in Bereichen niedriger Inzidenz. Bei Symptomen können Selbsttests Hinweise geben, hier ist aber schon primär die häusliche Absonderung und nachfolgende PCR-Testung seit Beginn der Pandemie empfohlen, der deutliche Mehrwert von Selbsttests ist nicht nachvollziehbar. Die Gefahr falsch negativer Ergebnisse ist gegenüber professionellen Schnelltests deutlich erhöht. Der Stellenwert guter, schneller Clustertestungen in Bereichen hoher Inzidenz wird indirekt bestätigt

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