ArchivDeutsches Ärzteblatt19-20/2021Ophthalmologie: Augenverätzungen bei Kindern durch Handdesinfektionsmittel nehmen dramatisch zu

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Ophthalmologie: Augenverätzungen bei Kindern durch Handdesinfektionsmittel nehmen dramatisch zu

Gerste, Ronald D.

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Foto: picture alliance/Eibner-Pressefoto Uwe Koch
Foto: picture alliance/Eibner-Pressefoto Uwe Koch

Französische Augenärzte berichten in JAMA Ophthalmology, dass sich die Inzidenz von Verätzungen durch Handdesinfektionsmittel auf Alkoholbasis bei Kindern nach Beginn der COVID-19-Pandemie versiebenfacht hat (1). In einem französischen Register für Unfälle mit giftigen Substanzen (PCC) sei der Anteil solcher Zwischenfälle an den dort vom 1. April bis 24. August 2019 erfassten pädiatrischen Notfällen von 1,3 % (n = 33) auf 9,9 % (n = 232) im gleichen Zeitraum 2020 gestiegen. Insgesamt 63 Fälle dieser Verätzungen seien aus öffentlichen Einrichtungen gemeldet worden, am häufigsten aus Geschäften und Shopping-Centern, gefolgt von Restaurants und Sportanlagen.

Die Häufigkeit der Zwischenfälle an diesen Orten nahm – offenbar parallel zur Verbreitung der Desinfektionsmittel im täglichen Leben – zu. Von 5 im Mai stieg sie auf 9 im Juni, 16 im Juli und 33 bis zum Ende der Beobachtungszeit am 24. August. Die Autoren von der Augenklinik der Rothschild Foundation in Paris versorgten in diesem Zeitraum im Jahr 2020 insgesamt 1 657 pädiatrische Notfälle: 16 dieser Patienten mit einem Durchschnittsalter von 3,5 Jahren hatten eine Verätzung durch alkoholhaltige Handdesinfektionsmittel. Im gleichen Zeitraum 2019 war dies nur 1 Kind gewesen.

In dieser Fallserie, über die Dr. Gilles Martin und seine Kollegen in Ergänzung zu den Daten des PCC berichten, waren die Schädigungen der Oberfläche keineswegs leicht: bei 8 Kindern lagen korneale und/oder konjunktivale Ulzerationen vor, die bei 6 der jungen Patienten mehr als die Hälfte der Hornhautfläche erfassten. Bei 2 der Kinder war eine Amnionmembran-Transplantation erforderlich.

Fazit: In einem Editorial regt die Ophthalmologin Dr. Kathryn Colby von der New York University an, die Anbringung der Spender zu überdenken. Die inzwischen fast allgegenwärtigen Desinfektionsmittelspender befänden sich meist in einer Höhe von rund einem Meter – praktisch auf Augenhöhe kleinerer Kinder (2). Ferner sollte die Öffentlichkeit über Sofortmaßnahmen im Falle eines solchen Unfalls unterrichtet werden: Eine Spülung mit sauberer Flüssigkeit sei wie immer bei okulären Verätzungen die effektivste Soforthilfe.

Ronald D. Gerste

  1. Martin GC, Le Roux G, Guindolet D et al.: Pediatric Eye Injuries by Hydroalcoholic Gel in the Context of the Coronavirus Disease 2019 Pandemic. JAMA Ophthalmol 2021; 139: 348–51.
  2. Colby K: Unintended Consequences of Hand Sanitizer Use in the Coronavirus Disease 2019 Pandemic. JAMA Ophthalmol 2021; 139: 348–51.

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