POLITIK
Fortpflanzungsmedizin: Fortschritt erfordert Reform


Viele neue reproduktionsmedizinische Verfahren sind durch das geltende Embryonenschutzgesetz verboten oder gar nicht geregelt. Gesundheitspolitikerinnen sprachen sich deshalb jetzt für eine Reformdebatte und den Einsatz einer Enquetekommission in der nächsten Legislatur aus.
Veraltet, lückenhaft, unstimmig – mit den bestehenden Regelungen des mittlerweile 30 Jahre alten Embryonenschutzgesetzes hadern Vertreterinnen und Vertreter der Medizin, Psychologie und Ethik sowie des Rechts und der Politik bereits seit einigen Jahren. Die Bundesärztekammer mahnte im vergangenen Jahr erneut eine Diskussion über die rechtlichen Regelungen für die Reproduktionsmedizin an und legte ein Memorandum vor, das angesichts des medizinischen Fortschritts eine punktuelle Reform des Embryonenschutzgesetzes befürwortet. Doch bislang geschah nichts.
Nach der Bundestagswahl im Herbst könnte das Thema allerdings tatsächlich auf die politische Agenda kommen: Die Fortpflanzungsmedizin ist dringend reformbedürftig – diese Ansicht vertraten Gesundheitspolitikerinnen von Union, SPD, Grünen und FDP nahezu einstimmig bei einer Veranstaltung der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung Ende April. Politischer Handlungsbedarf bestehe dringend.
Vorschlag: Enquetekommission
Trivial ist eine solche Gesetzesänderung aber nicht. Assistierte Reproduktion, Kryokonservierung, Eizellspende, Embryonenspende, Leihmutterschaft – die Liste der heutigen Möglichkeiten in der Reproduktionsmedizin ist lang. Und gepaart sind diese oftmals mit schwierigen ethischen Entscheidungen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, ihre Kolleginnen Sabine Dittmar (SPD), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) und Katrin Helling-Plahr (FDP) plädierten deshalb dafür, in der nächsten Legislaturperiode eine Enquetekommission einzusetzen, die die Problematik interdisziplinär beleuchten könne. Zudem sollten zunächst biomedizinische, familienpolitische und rechtliche Fragen behandelt und Unstimmigkeiten beseitigt werden. Viele reproduktionsmedizinisch relevante Fragen würden derzeit inkongruent geregelt.
Generell gehe es jedoch um mehr als nur um den Reformbedarf aufgrund des medizinischen Fortschritts, mahnte Maag (CDU). Das Lebensschutzkonzept des Embryonenschutzgesetzes habe nicht an Gültigkeit verloren. Zentral sei nach wie vor die Frage nach dem verfassungsrechtlichen Status des Embryos und ab wann ihm Würdeschutz zukomme. Es müsse auch weiter um den Schutz des menschlichen Lebens gehen.
Dittmar plädierte ganz klar für die Aufhebung der „Dreierregelung“. Zur Herbeiführung einer Schwangerschaft sollte nach ihrer Ansicht der Single-Embryo-Transfer angestrebt werden. Dabei wird bei der In-vitro-Fertilisation nur der Embryo mit der größten Entwicklungsfähigkeit ausgewählt und der Frau übertragen – völlig unabhängig von seiner genetischen Ausstattung. Momentan sei dies jedoch bei Strafe untersagt und führe zu risikoreichen Mehrlingsschwangerschaften, kritisierte die Ärztin.
Umstritten: Eizellspende
Nach Ansicht von Kappert-Gonther sollte ein künftiges Gesetz neue Lebensrealitäten wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften in den Blick nehmen. Das Embryonenschutzgesetz werde der Vielfalt heutiger Familienformen nicht mehr gerecht, sagte sie. Die Gleichstellung der Eizellspende mit einer Samenzellzellspende ist für die Ärztin jedoch „bioethisch problematisch“. Zwar sei die Entnahme von Eizellen heutzutage deutlich schonender als vor 30 Jahren. Damit es jedoch nicht zu einer Kommerzialisierung komme, wären entsprechende rechtliche Regelungen notwendig.
Dass die Eizellspende künftig legalisiert werden muss, steht für Helling-Plahr dagegen außer Frage. Vorstellbar sind für die Juristin sogar noch weiterführende Reformen. „Das Embryonenschutzgesetz muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Es darf kein Verhinderungsgesetz sein“, sagte sie. Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
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