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Unabhängige Patientenberatung: Raus aus dem Themenspeicher


Kurz vor Schluss dieser Legislaturperiode werden in der Gesundheitspolitik noch liegen gebliebene Vorhaben angestoßen oder in erste Bahnen gelenkt – dazu gehört auch die Zukunft der Unabhängigen Patientenberatung (UPD). So hat sich die große Koalition darauf geeinigt, die aktuelle Förderungsdauer der UPD um weitere zwölf Monate zu verlängern. Nach der Bundestagswahl soll die Diskussion über ein wie auch immer gestaltetes Stiftungsmodell geführt werden. Dieser Einigung waren etliche Vorschläge der Opposition, von Patientenorganisationen sowie aus der Koalition selbst vorausgegangen – aber wirklich über die Zukunft der UPD entscheiden wollte in den vergangenen Jahren kein politischer Akteur.
Dabei hatte man bereits in der Großen Koalition zwischen 2013 und 2017 gewusst, dass die Neuregelung der UPD auf der Tagesordnung stehen muss – doch seitdem hat sie niemand auf die Diskussionsliste gesetzt. „Es läuft ja gut“ oder „keine Änderungen geplant“ hieß es immer wieder aus dem Bundesgesundheitsministerium, wenn sich die Oppositionsparteien nach der Zukunft der UPD, den Vorwürfen über schlechte Beratung oder auch den Konsequenzen aus der Kritik des Bundesrechnungshofes am Vergabeverfahren erkundigten. Im Sprachgebrauch des heute üblichen agilen Managements heißt so etwas dann „Themenspeicher“ – ein Thema soll zwar nicht vergessen, aber bitte irgendwann anders besprochen werden. Doch bei der Beratung von Patientinnen und Patienten, die das immer komplexer werdende Gesundheitssystem immer weniger durchschauen und ihre Rechte und Möglichkeiten immer weniger verstehen, ist das ein schlechtes Zeichen.
Viele Umfragen belegen, dass die Gesundheitskompetenz der Bürgerinnen und Bürger immer weiter sinkt. Die Patientenberatung gilt vielen als wichtig und notwendig – doch wurde sie politisch als lästiges Übel behandelt: Zunächst als Modellprojekt in der rot-grünen Regierungszeit im Jahr 2000 gestartet, wurde sie 2011 Teil der Regelversorgung. Diese Verstetigung sowie die Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) mit inzwischen jährlich 9,4 Millionen Euro setzte aber einen kontinuierlichen Ausschreibungsprozess in Gang, sodass seit Anfang 2016 mit der Sanvartis AG erstmals ein profitorientiertes Unternehmen eine aus dem zivilgesellschaftlichen Engagement entstandene Organisation führt. Die Kritik am Verfahren oder den Betreibern riss in den vergangenen sechs Jahren nie ab – obwohl sich die Geschäftsführung, die UPD-Mitarbeitenden sowie die jeweils zuständigen Patientenbeauftragten der Bundesregierung intensiv um einen besseren Ruf bemühten.
Mit einer Stiftung – deren genaue Finanzierung in der aktuellen Koalitionseinigung noch im Unklaren bleibt – soll es nun anders werden: mehr Transparenz, mehr Bekanntheit, bessere Beratung und vor allem Unabhängigkeit. Denn bisher konnte die UPD über Missstände im Gesundheitswesen oft nicht ohne Absprachen mit der GKV oder den Patientenbeauftragten berichten. Diese inhaltliche Unabhängigkeit dürfte zusätzlich zur Finanzierung eine intensive Diskussion werden. Wie die Interessen von Patientinnen und Patienten in den Organisationsstrukturen des Gesundheitswesens vertreten werden sollen, ist von grundsätzlicher Natur. Ab dem Herbst muss auch diese Debatte in der Gesundheitspolitik geführt werden.
Rebecca Beerheide
Leiterin politische Redaktion