ArchivDeutsches Ärzteblatt26/2021Krankenhäuser: Die Strukturen neu denken

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Krankenhäuser: Die Strukturen neu denken

Osterloh, Falk

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Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert von der Politik nach der Bundestagswahl ein Umdenken im großen Stil. Um die Versorgung zu verbessern, brauche es sowohl eine Reform der Investitionskostenfinanzierung als auch des DRG-Systems und der Qualitätssicherung.

Foto: Johnny Greig/iStock
Foto: Johnny Greig/iStock

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat sich für einen Kurswechsel in der Krankenhauspolitik nach der Bundestagswahl ausgesprochen. „Wir wollen regionale Netzwerke in den Bundesländern entwickeln“, sagte der Vorstandsvorsitzende der DKG, Dr. rer. pol. Gerald Gaß, Mitte Juni auf dem zweiten Deutschen Krankenhausgipfel in Berlin. „Wir sind dazu bereit, uns dabei in Verzicht zu üben und darüber nachzudenken, wie wir Krankenhausstandorte besser koordinieren und abstimmen können und wo es über Fusionen Möglichkeiten gibt, die Versorgung zu verbessern.“ Die Grundvoraussetzung dafür sei der politische Mut, die stationäre Versorgung und die zukünftigen Strukturen neu zu denken.

„Die nahezu ausschließliche Finanzierung über Fallpauschalen treibt die Kliniken immer stärker in die Mengenentwicklung“, sagte Gaß. „Sie ist nicht geeignet, ein gestuftes Versorgungssystem zu organisieren und zu finanzieren.“

Chronische Unterfinanzierung

Zudem bestehe nach wie vor eine systematische Unterfinanzierung bei den Investitionen. „Diese chronische Unterfinanzierung ist die Ursache für viele unserer Probleme: die mangelnde Digitalisierung, fehlende Infrastruktur und auch für den Personalmangel, denn viele für das Personal vorgesehenen Gelder müssen die Krankenhäuser in die Infrastruktur investieren. Das kann so nicht weitergehen“, betonte Gaß.

Darüber hinaus reguliere der Gemeinsame Bundesausschuss im Auftrag des Gesetzgebers die Prozesse in den Krankenhäusern bis ins Detail durch. „Damit wird der Kreativität und Flexibilität kein Raum mehr gelassen“, kritisierte Gaß. „Ärzte und Pflegende fühlen sich immer stärker als Erfüllungsgehilfen in einem anonymen, durchregulierten System und nicht als kompetente Entscheider im Sinne der Patienten.“

Deshalb müsse die Politik die lähmende Überregulierung im System zurückführen. „Die Politik muss Schluss damit machen, Buchstabe an Buchstabe im Sozialgesetzbuch V zu hängen“, forderte Gaß. „Wir sind nicht mehr in der Lage, das zu durchdringen, und die Vorgaben sind auch nicht aufeinander abgestimmt. Das Gesamtsystem muss neu justiert und die Rahmenbedingungen müssen den Zielen angepasst werden.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bezeichnete es als „Megaaufgabe für die 2020er-Jahre“, eine Reform der Krankenhausstrukturen zu besprechen und auch einer Entscheidung zuzuführen. „Durch die Coronapandemie haben wir gelernt: Die Krankenhäuser können vernetzt arbeiten“, sagte Spahn. „Aus meiner Sicht haben zum Beispiel Vivantes und die Charité noch nie so gut zusammengearbeitet wie während der Pandemie – obwohl sie beide zum selben Träger gehören. Jetzt haben sie sich vernetzt und geschaut: Wer macht was? Das zeigt, dass es geht. Davon brauchen wir mehr.“

Leistungen zusammenlegen

„Wir brauchen eine gute Grund-, Regel- und Notfallversorgung in jedem Stadtteil und in jeder ländlichen Region“, sagte der Minister. „Und wir brauchen gleichzeitig bei planbaren komplexen Behandlungen eine gute Maximalversorgung.“ Um dieses Ziel zu erreichen, müssten in den Regionen Leistungen zusammengelegt werden. Dabei müsse man wegkommen von einer Spardebatte hin zu einer Debatte über eine bessere Qualität, die dadurch entstehe.

Im Hinblick auf eine Reform des DRG-Systems sagte Spahn: „Ich höre oft, dass die Feuerwehr und die Polizei ja auch nicht nach ihren Einsätzen bezahlt würden, sondern mit einer Vorhaltefinanzierung. Das stimmt. Aber die Feuerwehr und die Polizei sind bedarfsgerecht verteilt.“ Im stationären Bereich gebe es hingegen keine bedarfsgerechten Strukturen. „Hier haben wir in manchen Ballungsräumen eine Überversorgung und in manchen ländlichen Regionen eine Unterversorgung“, so der Minister. „Solange das so ist, muss die Finanzierung der Leistung folgen.“ Falk Osterloh

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