ArchivDeutsches Ärzteblatt26/2021Magnetresonanztomografie des Schädels: Zeichen von intrakranialem Hochdruck sind ein häufiger Nebenbefund bei MRT

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Magnetresonanztomografie des Schädels: Zeichen von intrakranialem Hochdruck sind ein häufiger Nebenbefund bei MRT

Gerste, Ronald D.

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Foto: laflor/iStock
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Zeichen eines intrakranialen Hochdrucks (IH) in der MRT-Bildgebung sind typischerweise die „Empty Sella“, vermehrte perioptische Flüssigkeit, Tortuositas des Nervus opticus und Sinus-transversus-Stenose (STS). Diese Befunde werden typischerweise mit dem Pseudotumor cerebri (idiopathische intrakraniale Hypertension; IIH) assoziiert.

Zu diesem Krankheitsbild gehört häufig die Stauungspapille, die unbehandelt zu einer Beeinträchtigung der Sehfähigkeit führen kann. Nächster diagnostischer Schritt ist dann meist eine Lumbalpunktion mit Liquordruckmessung. Dies erfolgt oft auch bei Patienten, bei denen eine Empty Sella oder andere Zeichen des IH mehr oder weniger zufällig entdeckt werden, weil ein MRT aus anderen Gründen durchgeführt wurde. Eine auf derartigen Befunden beruhende Überdiagnostizierung des IIH geschieht vor allem bei übergewichtigen Frauen mit chronischen Kopfschmerzen, wie eine Autorengruppe der Emory University einleitend zu ihrer Studienpublikation schreibt.

Bei der Untersuchung ging es darum, die Prävalenz von IH-Zeichen im MRT bei ambulanten Patienten des Emory Brain Health Centers zu bestimmen, die sich aus unterschiedlichen Indikationen einem MRT unterzogen, und zu ermitteln, wie oft dabei die Assoziation mit einer Stauungspapille vorlag. Es nahmen 296 Patienten eines Durchschnittsalters von 49,5 Jahren teil, die zu 63,5 % weiblich und zu 66,2 % übergewichtig oder adipös waren mit einem BMI von 25 kg/m2 und höher.

Die häufigsten Indikationen für das MRT waren ein Neoplasma im Gehirn (27,7 %), neurologische Symptome ohne Kopfschmerzen (19,6 %), Untersuchungen bei Multipler Sklerose, Krankheiten aus dem Neuromyelitis-optica-Spektrum (18,6 %) und Kopfschmerzen (8,8 %). Diese gaben in der Vorgeschichte 41 % der Studienteilnehmer an. Die Rekrutierung für die Studie musste bei knapp 300 Teilnehmern Ende März wegen der SARS-CoV-2-Pandemie eingestellt werden.

Insgesamt 145 Patienten (49,0 %) hatten ein Zeichen eines IH, 5 Patienten (1,7 %) hatten mindestens 4 Zeichen. Das häufigste dieser Merkmale war die Empty Sella bei jedem Dritten im Studienkollektiv.

Orbitale Veränderungen waren weitaus seltener: 10,8 % hatten eine vermehrte perioptische Flüssigkeit und 7,8 % eine Tortuositas des Sehnerven. Nur 5 der insgesamt 296 Teilnehmer hatten indes eine Stauungspapille: 2 mit bekanntem IIH, 2 mit Glioblastomen und 1 Patient mit einer Meningoenzephalozele.

Diese Patienten hatten im Durchschnitt einen wesentlichen höheren BMI mit 37,6 kg/m2 im Vergleich zu den Teilnehmern ohne Stauungspapille (BMI: 27,5 kg/m2). Insgesamt wurde demnach bei diesen fast 300 Patienten keine bisher nicht bekannte, mit einer Stauungspapille assoziierte Erkrankung gefunden.

Fazit: „Bei der Diagnose eines Pseudotumor cerebri ist es wichtig, das gesamte klinische Bild zu beachten“, erklärt der Neuroophthalmologe Prof. em. Dr. med. Helmut Wilhelm, langjähriger Oberarzt an der Universitätsaugenklinik Tübingen. „Einzelne MRT-Zeichen einer IH, z. B. die Empty Sella, sind sehr häufig und rechtfertigen für sich allein nicht die weitere Abklärung. Die Indikation zur Lumbalpunktion mit Druckmessung muss in der Zusammenschau von Anamnese, MRT-Befund und Papillenbefund gestellt werden.“

Dr. med. Ronald D. Gerste

Chen BS, Meyer BI, Saindane AM, et al.: Prevalence of incidentally detected signs of intracranial hypertension on magnetic resonance imaging and their association with papilledema. JAMA Neurol 2021, DOI: 10.1001/jamaneurol.2021.0710.

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