ArchivDeutsches Ärzteblatt33-34/2021Heftige Debatten um ethische Fragen

POLITIK

Heftige Debatten um ethische Fragen

Richter-Kuhlman, Eva

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Foto: picture alliance/dpa/Waltraud Grubitzsch
Foto: picture alliance/dpa/Waltraud Grubitzsch

Medizinethisch war die Legislaturperiode hauptsächlich von zwei großen Themen geprägt: der Suizidbeihilfe und der Organspende. Eine aktuelle gesetzliche Regelung existiert jedoch nur bei Letzterer.

Trotz einer ausführlichen und ohne Fraktionszwang geführten Orientierungsdebatte zur Sterbehilfe am 21. April dieses Jahres sowie bereits vorliegenden fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfen bleibt zum Ende der Legislatur hingegen die Suizidbeihilfe und auch die ärztliche Rolle bei dieser gesetzlich ungeregelt.

Überraschend weitreichend hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 das 2015 vom Parlament beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid – den Strafrechtsparagrafen 217 – wieder aufgehoben. Zwar dürfe der Gesetzgeber die Suizidbeihilfe regulieren, er müsse aber dem Recht des Einzelnen auf selbstbestimmte Lebensbeendigung hinreichend Rechnung tragen, so die Richter. Zugleich regten sie eine Neugestaltung des ärztlichen Berufsrechts an.

Das Urteil von 2020 macht nun eine Neuregelung der Sterbehilfe notwendig – für viele ein „ethisches Dilemma“. Der 124. Deutsche Ärztetag beschloss im Mai dieses Jahres, das berufsrechtliche Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe nicht mehr aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig betonte das Ärzteparlament, dass Suizidbeihilfe keine ärztliche Aufgabe ist. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erinnerte im Rahmen der Orientierungsdebatte im Frühjahr an die Fürsorgepflichten des Staates. Bei der noch anstehenden Neuregelung der Sterbehilfe gelte es, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu beachten und Beratungsangebote für Betroffene sowie Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen.

Eine Neuregelung zur Organspende beschloss der Bundestag Anfang 2020. Dem Organspendegesetz (GZSO) zufolge müssen Menschen, die nach dem Tod Organe spenden möchten, dem im Vorfeld aktiv zugestimmt haben. Der von der Grünen-Chefin Annalena Baerbock initiierte interfraktionelle Gesetzentwurf für die Zustimmungsregelung in der Organspende, der die Mehrheit im Parlament erhielt, sieht neben der ausdrücklichen Einwilligung zugleich eine bessere Information vor. Mindestens alle zehn Jahre werden die Bürger direkt auf das Thema Organspende beim Abholen oder Verlängern eines Personalausweises oder Passes angesprochen. Hausärztinnen und Hausärzte können alle zwei Jahre Beratungsgespräche zu diesem Thema durchführen.

Flankiert wird das GZSO von dem Angang 2019 auf den Weg gebrachten „Zweiten Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes (TPG) – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“. Es sieht eine Vielzahl von Strukturverbesserungen vor sowie eine stärkere Würdigung des Aufwands der Krankenhäuser für Organtransplantationen. Es enthält verbindliche Vorgaben für die Freistellung und Finanzierung der Transplantationsbeauftragten.

Ferner stimmte der Bundestag Ende 2019 nach langer Debatte für ein Masernschutzgesetz. Für Kinder muss nun vor der Aufnahme in Kitas, Schulen und Kindertagespflegeeinrichtungen der Nachweis erbracht werden, dass sie wirksam gegen Masern geimpft sind. Auch Ärzte sowie weiteres medizinisches Personal und Mitarbeiter in Gemeinschaftseinrichtungen müssen einen vollständigen Impfschutz nachweisen.

Mitte 2020 wurde das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen erlassen. Behandlungen mit dem Ziel, homosexuelle Menschen „umpolen“ zu wollen, sind bei Minderjährigen verboten.

Dr. med. Eva Richter-Kuhlman

Hintergrund: http://daebl.de/UF66

Fazit

Wie häufig bei medizinethischen Fragestellungen wurden diese im Parlament auch in der zu Ende gehenden Legislaturperiode ergebnisoffen und ohne Fraktionszwang diskutiert. Eine Überraschung stellte Anfang 2020 das weitreichende Urteil des Bundesverfassungsgerichts dar, das das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid aufhob. Eine Neuregelung steht noch aus.

  • Mehrheitlich beschlossen wurden die Zustimmungslösung und veränderte Strukturen bei der Organspende.
  • Für Debatten sorgte auch das Masernschutzgesetz. Es sieht eine Impfpflicht für Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen und medizinisches Personal vor.
  • Konversionsbehandlungen wurden verboten.

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