BRIEFE
Fake News in der Medizin: Relatives Risiko


Einleitend wird in dem Medizinreport „Wie Fake News in der Medizin groß werden“ (DÄ, 25. Juni 2021) u. a. festgestellt: „Ärzte werden in der Praxis … mit überzogenen Erwartungen konfrontiert.“ Das betrifft keinesfalls nur die im Text dargestellten drei Beispiele, sondern ist ein allgegenwärtiges Fake.
So wird in dem „bahnbrechenden“ Artikel von Pollack et al.: Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine (NEJM, 10. Dezember 2020) zusammengefasst: „A two-dose regimen of BNT162b2 conferred 95 % protection against Covid-19 in persons 16 years of age or older.“ Vergleichsweise hohe Zahlen zwischen 70 und 90 % folgten auch für die späteren Impfstoffe und geisterten durch alle Medien. Die meisten Menschen, die Prozentrechnung nicht „abgewählt“ haben, würden 95 % wohl so interpretieren, dass von 100 Geimpften 95 Personen einen Impfschutz haben. Das ist aber ein Trugschluss, weil die Wirksamkeit auf die Anzahl der Geimpften bezogen wird. Tatsächlich bezieht sich „efficacy“ aber auf die Zahl der infizierten Personen!
Bei Pollack liest sich das so: Unter Placebo erkrankten 162 von 21 728 Personen (= 0,74 %) und unter dem Impfstoff erkrankten nur 8 von 21 720 Personen (= 0,04 %) an COVID-19. Die absolute Risikoreduktion (ARR) beträgt also nur 0,70 % (0,74 minus 0,04). Dieser winzige Wert ist natürlich nicht medienwirksam. Also wird zu dem alten Trick der Pharmaindustrie gegriffen und die relative Risikoreduktion (RRR) verkündet und die beträgt tatsächlich 95 % (0,70 bezogen auf 0,74). Ohne Kontextinformationen ist die RRR aber nicht valid interpretierbar. Es werden also nicht 95 von 100 Geimpften geschützt, sondern man muss 143 Personen impfen, um einen (1) zusätzlichen Coronafall zu verhindern (100 : 0,70 = 143). Das spricht überhaupt nicht gegen eine Impfung, aber es verhindert „überzogene Erwartungen“ bei Ärzten, Patienten und Politikern.
Prof. Dr. med. Frank P. Meyer, 39164 Wanzleben-Börde
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.am Dienstag, 14. September 2021, 17:43
Unnachvollziehbar
Hätte man den Studienzeitraum einfach verlängert und wären in beiden Gruppen einfach mehr Probanden erkrankt (im selben Verhältnis) würde die ARR ansteigen, wärend die RRR ungefähr gleich bleibt. Der Impfstoff wäre aber der gleiche mit der gleichen Wirksamkeit. Welche Aussage hätte aber ein Wert (ARR) der nur von der Länge der Studie abhängt? Insbesondere da davon aus zu gehen ist, dass sich quasi 100% der Bevölkerung irgendwann mit Covid-19 infizieren werden?
Desweiteren wird hier (schon fast sträflich) versäumt explizit zu erwähnen, dass sich die 143 Impfungen zur Vermeidung von einem Fall natürlich ebenfalls nur auf den Ramen der Studie beziehen und keinesfalls auf die Anwendung des Impfstoffes in der breiten Masse übertragen lassen. Diese Zahl ergibt sich ja ebenfalls nur aus der insgesammt sehr geringen Anzahl an Erkankungen der Probanden im Studienzeitraum, nicht der mangelden Wirksamkeit des Impfstoff.
Solche Zahlenspielereien sind für mich ein gutes Beispiel für die im Hauptartikel angesprochene Problematik und Wasser auf die Mühlen der Wissenschafts-Leugner.
Mir wurde dieser Leserbrief explizit weitergeleitet als Beweis dass die Impfung nicht so wirksam sei wie überall behauptet und wenn es im Ärtzteblatt steht, dann ist die Aussage ja bestimmt Seriös.