ArchivDeutsches Ärzteblatt39/2021Dammschnitt: Möglichst vermeiden
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

Der Medizinreport „Dammschnitt gegen anale Risse“ endet mit „ … aktiv nach dieser durchaus häufigen Symptomatik fahnden“.

Bei OAS (Obstetric Anal Sphinkter Injuries) sind die beschränkten Therapiemöglichkeiten zu bedenken. Besser wäre es, Präventionsmöglichkeiten zu nutzen.

Wenn sich nach schwedischen Daten bei Erstgebärenden durch Vakuumeinsatz die OAS-Rate von 15,5 auf 11,8 Prozent senken ließe, also um ein Viertel, dann sind das weiter zu viele Schließmuskelschäden. Diese zerstören Lebensqualität vielfältig und gravierend – kaum kurz darstellbar.

Der „Respekt“ vor mediolateraler Episiotomie wird deutlich, wenn die Funktion der beiden durchtrennten Muskeln bedacht wird.

Der Musculus transversus perinei, als Teil des Diaphragma urogenitale, verschließt den Levatorspalt. Dieser Muskel „verspannt“ als „straffe Platte“ den Beckenboden (BB). Die Rekonstruktion ist kaum so machbar, dass die gleiche BB-Stabilität wie vorher erreicht wird.

Der Musculus bulbospongiosus erhöht bei Frauen den Druck auf die Glandulae vestibulares majores und verengt die Scheide. Die Bedeutung für das Sexualerleben bedarf keiner Diskussion. Männer würden eine Durchtrennung strikt ablehnen, da Kompression und Entleerung der Harnröhre nach Miktion gestört wäre und Ejakulationsprobleme auftreten.

Daher überrascht nicht, dass der Autor in seiner Weiterbildungszeit bei geburtshilflich erfahrenen Oberärzten oft die mediane Episiotomie erlebte. Die Begründung war plausibel: Rekonstruktion besser möglich.

Bei ausgeprägten Dammverletzungen wurde der proktologische Oberarzt aus der Chirurgie geholt. Alle bestaunten seine Rekonstruktionsfähigkeiten – mit der selbstkritischen Einstufung: Das schaffen wir als Geburtsmediziner kaum.

Fazit: Dass Episiotomie bei instrumenteller Geburt (wie VE) „großzügig erwogen werden“ kann, ist zu überdenken. Frauenorientierter ist defensive Geburtsmedizin, die Vakuumextraktion samt Episiotomie nur in Ausnahmen notwendig machen.

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. J. M. Wenderlein, 80975 Ulm

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote