PERSONALIEN
Hartmut Radebold †: Nestor der Alterspsychotherapie in Deutschland


Prof. Dr. med. Hartmut Radebold verstarb im September in Kassel in seinem 87. Lebensjahr. Er leistete Pionierarbeit, indem er die psychoanalytische Einzel- und Gruppenpsychotherapie 50- bis 75-Jähriger erforschte. Als Mitglied der Expertenkommission der Bundesregierung zur Reform der Versorgung im psychiatrischen und psychotherapeutisch/psychosomatischen Bereich war er in den 70er-Jahren an der Erarbeitung der Psychiatrie-Enquete beteiligt.
Radebold absolvierte seine Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Neurologie an der Charité und seine psychoanalytische Weiterbildung am Karl-Abraham-Institut in Berlin. Danach leitete er an der Universitätsklinik Ulm die Ambulanz der Abteilung für Psychotherapie und wurde dort Geschäftsführender Oberarzt des Psychosozialen Zentrums der Universität. 1976 wurde er als Professor für Klinische Psychologie an die Universität Kassel berufen. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Alexander-Mitscherlich-Instituts in Kassel und nahm bis zuletzt an den von ihm initiierten Tagungen „Psychoanalyse und Altern“ aktiv teil.
1997 schied Radebold aus der Universität aus, was für ihn aber keineswegs „Ruhestand“ bedeutete. Er beschäftigte sich mit Wissenschaftlern anderer Disziplinen mit den Folgen von Krieg, Flucht, Vertreibung und Vaterlosigkeit für die „Kriegskinder“ des Zweiten Weltkriegs. Die Ergebnisse wurden von einer breiten Öffentlichkeit rezipiert und trugen zu einer Veränderung des zeithistorischen Bewusstseins bei. Prof. Dr. phil. Martin Teising