ArchivDeutsches Ärzteblatt40/2021Rechtsreport: Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung

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Rechtsreport: Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung

Berner, Barbara

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Bei der Unterbringung in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtung sind die Grundrechte zu beachten. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden

Das Familiengericht hatte auf Antrag der Eltern unter Bezugnahme auf Gutachten der behandelnden Ärzte festgestellt, dass der Jugendliche an einer sich entwickelnden schizophrenen Störung leide. Er wurde daher in einer Klinik untergebracht. Der Jugendliche wehrte sich vergeblich gerichtlich gegen den ersten Unterbringungsbeschluss. Gegen einen weiteren Unterbringungsbeschluss legte er Beschwerde ein, die er später zurückzog. Nach Auffassung des Jugendlichen sei der Unterbringungsbeschluss rechtswidrig, weil er nicht angehört worden und überdies nicht unterbringungsbedürftig gewesen sei. Eine mehrwöchige Unterbringung stelle einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar.

Nach Auffassung des BVerfG ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Der Beschwerdeführer sei prozessfähig, da er das 14. Lebensjahr vollendet hat. Ein effektiver Schutz der Grundrechte des Beschwerdeführers würde auch durch seine Eltern mutmaßlich nicht gewährleistet. Die Verfassungsbeschwerde sei zudem begründet. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Das OLG habe nicht hinreichend ermittelt, welches konkrete Rechtsschutzziel der Beschwerdeführer im hier allein maßgeblichen Verfahren (betreffend den ersten Unterbringungsbeschluss) verfolgte. Es hat vielmehr die in einem anderen Verfahren abgegebene Beschwerderücknahmeerklärung herangezogen, die jedoch den zweiten Unterbringungsbeschluss betraf. Es habe sich weder mit deren Inhalt und Kontext auseinandergesetzt noch nachvollziehbar aufgezeigt, dass die Erklärungsaussage nach dem Willen des Beschwerdeführers für beide Verfahren gelten sollte. Schließlich gebe es Anhaltspunkte, dass sich der Beschwerdeführer in einer Drucksituation wähnte. Offenbar hatte er den Gesprächen mit seinen behandelnden Ärzten entnommen, dass eine Verlegung nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und ausschließlich dann durchgeführt werden könne, wenn er sein Beschwerdeverfahren nicht fortführe. Laut BVerfG sei es naheliegend, dass der Beschwerdeführer die Rücknahme der Beschwerde gegen den zweiten Unterbringungsbeschluss allein mit dem Ziel erklärte, wenigstens seine Verlegung in eine andere Klinik und damit eine Verbesserung seiner (Behandlungs-)Situation zu erreichen.

BVerfG, Beschluss vom 8. August 2021, Az.: 2 BvR 2000/20 RAin Barbara Berner

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