ArchivDeutsches Ärzteblatt42/2021Hämotherapie: An diesem Tag nur Verlierer
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Der Stand der medizinischen Wissenschaft hat Einzug in die Richtlinie Hämotherapie gehalten. Hurra! Wenn auch weiterhin die tatsächliche Leistungsfähigkeit einer PCR und die Infektionsdynamik von HIV sträflich ignoriert werden, zeichnet sich dennoch ein Aufklaren der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats hinsichtlich der immunologischen Prozesse nach einer HIV-Infektion ab. Als am 24. September 2021 im Ärzteblatt durch Artikel und Bekanntmachung des BÄK-Beschlusses die bislang geltende Vorverurteilung von MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) vermeintlich endete, war der nächste erreichbare Blutspendetermin nur noch wenige Tage entfernt. Mit Personalausweis, FFP2-Maske und, in meinem Fall, altem Blutspendepass von 1989 ausgestattet wurden wir bei der in einer Fahrzeughalle des DRK anberaumten Zusammenkunft vorstellig. Nach dem Messen des Hb und dem Ausfüllen des Fragebogens folgte die ärztliche Untersuchung. Die wahrheitsgemäßen Angaben ließen den Kollegen dann doch stocken. Ja, von der Änderung habe er gehört. Aber das Ganze sei ja noch nicht wirklich sicher. Die offizielle Bekanntmachung der BÄK reiche nicht, es fehle die Veröffentlichung im Bundesanzeiger. Ich dürfe wieder gehen. Mein Mann, der parallel von einer anderen Ärztin untersucht wurde, erhielt den Hinweis, „die Politiker müssen das Gesetz noch unterschreiben“, Plasmaspenden seien ihm aber auch danach weiter untersagt. Er solle sich aber an der Essenausgabe eine, so wörtlich, „Trosttüte“ geben lassen.

Deprimiert, enttäuscht und fokussiert von Blicken, die sonst nur Kinder erleiden müssen, die vom 3-Meter-Brett wieder herabsteigen, gingen wir hinaus.

Die Lebenswirklichkeit meines Mannes und von mir unterscheidet sich in keiner Weise von der anderer „Otto Normalbürger“. Einfamilienhaus, Garten, Baum – nicht „Fetischkeller und Popoclub“.

Über Jahre der Akut- und Intensivmedizin habe ich teilweise Blutkonserven mit Blaulicht und Hubschrauber zubringen lassen, da dieses Arzneimittel lebensrettend und alternativlos ist. Und so gab es an diesem Tag nur Verlierer: die Patienten, die dringend Blut brauchen, von der Situation überforderte Spendeärzte sowie meinen Mann und mich als verhinderte Spender.

Herausstellen möchte ich, dass das hauptsächlich ehrenamtliche DRK-Team souverän und freundlich mit uns und der Situation umging.

Christian Ramolla, Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, 53879 Euskirchen

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