ArchivDeutsches Ärzteblatt43/2021Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen: Schon im jungen Erwachsenenalter haben viele Patienten Komplikationen

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen: Schon im jungen Erwachsenenalter haben viele Patienten Komplikationen

Siegmund-Schultze, Nicola

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Foto: Science Photo Library/Ian Hooton
Foto: Science Photo Library/Ian Hooton

In einigen Industrienationen wie den USA nimmt die Inzidenz des Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen deutlich zu. In Mitteleuropa ist ein wesentlicher Anstieg bei Heranwachsenden in den letzten 10 Jahren zwar ausgeblieben: In der Altersgruppe unter 20 Jahren erkranken in Deutschland jährlich circa 200 Menschen neu an Typ-2-Diabetes (1). Allerdings wird beobachtet, dass Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen aggressiver verläuft als bei einem Beginn im Erwachsenenalter.

In einer Längsschnittuntersuchung, der TODAY2-Studie, sind Patientinnen und Patienten, deren Erkrankung zwischen dem 10. und 17. Lebensjahr diagnostiziert worden war, auf Komplikationen im Langzeitverlauf untersucht worden (2). An der ursprünglichen Studie, TODAY1 (3), hatten 699 jugendliche Diabetespatienten an 15 Zentren in den USA teilgenommen. Sie waren zu Studienbeginn im Zeitraum zwischen 2004 und 2009 durchschnittlich 14 Jahre alt (10–17 Jahre).

In TODAY1 wurde die Effektivität von 3 Therapien und Interventionen untersucht: Metformin, Metformin plus Rosiglitazon und Metformin plus Lebensstilintervention. Bei 45,6 % der Teilnehmerinnen oder Teilnehmern war die glykämische Kontrolle nach einer medianen Beobachtungsdauer von 3,9 Jahren unzureichend. In der Folgestudie TODAY2 (2011–2020) haben 518 Patienten aus der TODAY1-Studie die komplette 2. Beobachtungsphase durchlaufen (median 10,2 Jahre). Sie wurden 1–2 Mal jährlich auf Komplikationen untersucht: diabetische Nephropathie, Hypertonie, Dyslipidämie, Neuropathie und Netzhauterkrankungen (2).

Das durchschnittliche Alter der in der Analyse berücksichtigten Patienten betrug zum Ende der Beobachtungszeit durchschnittlich 26,4 Jahre, seit Diagnose waren durchschnittlich 13,3 Jahre vergangen (2–15 Jahre). 60,1 % der Teilnehmer hatten mindestens 1 Komplikation und 28,4 % mindestens 2. Initial hatte die Prävalenz der diabetischen Nephropathie 8 % betragen, nach 15 Jahren lag die kumulative Inzidenz bei 54,8 %. Zu Studienbeginn hatten 1 % der Teilnehmer eine Neuropathie, 15 Jahre später betrug die kumulative Inzidenz bei 32,4 %.

Ein Hypertonus war zum Zeitpunkt der Diabetesdiagnose bei 19,2 % festgestellt worden, nach 15 Jahren lag die kumulative Inzidenz bei 67,5 %. Für Dyslipidämien waren die beiden Werte 20,8 % und 51,6 % (initial und nach 15 Jahren).

Die kumulative Inzidenz von Netzhauterkrankungen betrug 51,0 % im Zeitraum 2017–2018, darunter 8,8 % moderate bis schwere Retinaveränderungen und 3,5 % Makulaödeme. Die kumulative Inzidenz aller mikrovaskulären Komplikationen lag bei 50,0 % nach 9 Jahren und 80,1 % nach 15 Jahren.

Zu den Risikofaktoren für Komplikationen gehörten die Zugehörigkeit zu ethnischen Minderheiten, Hyperglykämie (bei 60 % der Teilnehmer in TODAY2 betrug der HbA1c-Wert ≥ 8 %), Bluthochdruck und Dyslipidämien.

Fazit: Die Daten der prospektiven US-amerikanischen Längsschnittstudie TODAY2 belegen, dass diabetesbedingte Komplikationen bei Jugendlichen mit Typ-2-Diabetes früh auftreten können und das Risiko mit der Zeit weiter zunimmt. Im jungen Erwachsenenalter hatte die Mehrheit mindestens 1 Komplikation. Die Ergebnisse machen nach Meinung der Autoren die hohe individuelle, aber auch gesellschaftliche Relevanz eines früh auftretenden Typ-2-Diabetes deutlich.

Der Grund für das häufige Auftreten von Komplikationen bei Beginn des Typ-2-Diabetes in der Adoleszenz sei nicht bekannt. Wahrscheinlich sei das frühe Auftreten der Erkrankung durch einen ausgeprägten Stoffwechselphänotyp bedingt mit schwerer Insulinresistenz und einer raschen Verschlechterung der Betazellfunktion. Ein Teil der Jugendlichen mit Typ-2-Diabetes spreche suboptimal auf die derzeit für diese Altersgruppe zugelassenen Antidiabetika an. Hinzu kämen entwicklungsbedingte Probleme bei der Adhärenz.

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

  1. Ziegler R, Neu A: Diabetes in childhood and adolescence—a guideline-based approach todiagnosis, treatment, and follow-up. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 146–56.
  2. The TODAY Study Group: Long-term complications in youth-onset type 2 diabetes. N Engl J Med 2021; 385: 416–26.
  3. The TODAY Study Group: A clinical trial to maintain glycemic control in youth with type 2 diabetes. N Engl J Med 2012; 366: 2247–56.

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