ArchivDeutsches Ärzteblatt43/2021HIV-Epidemiologie in Deutschland: Späte Diagnostik
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Antiretroviral behandelte HIV-Infizierte gelten heute als nichtinfektiös. Voraussetzung für eine günstige Prognose ist eine frühe Diagnose und zeitnahe Behandlung. Ein relevanter Anteil der HIV-Infektionen wird aber erst mit deutlichem Verzug festgestellt.

Foto: picture alliance/Cultura/Image Source
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Eine Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV), die mit der Gefahr einer Progression zum Acquired Immune Deficiency Syndrom (AIDS) einhergeht, gilt heute als lebenslange, aber behandelbare chronische Erkrankung (1). Trotz des erheblich verbesserten Therapieangebots bleibt die Infektion neben der Belastung für die Betroffenen aus gesundheitsökonomischer Sicht ein relevanter Grund für Inanspruchnahme des Sozialversicherungssystems (2). Das Robert Koch-Institut bemisst die Zahl diagnostizierter HIV-infizierter Betroffener zu Ende 2019 auf 79 900 Menschen. Zusätzlich werden mehr als 10 800 Menschen als HIV-positiv aber noch undiagnostiziert geschätzt. Die geschätzte Zahl der HIV-Erstdiagnosen (HIV-ED) lag 2019 bei 3 300 (3). Für einen optimalen Therapieverlauf und zur Reduktion der Belastung für das Sozialversicherungssystem ist eine möglichst frühe Diagnose der Infektion essenziell; zumal das Risiko weiterer Transmissionen umso geringer ist, je früher der Patient von seiner Infektion weiß und eine adäquate Therapie eingeleitet werden kann (1, 4, 5). Patienten unter einer erfolgreichen antiretroviralen Therapie gelten heute als nichtinfektiös (6). Dennoch wird ein relevanter Anteil der HIV-Infektionen erst mit deutlichem Verzug diagnostiziert. Liegt die CD4-Zellzahl bei Diagnose unter 350 pro Mikroliter und/oder eine AIDS-definierende Erkrankung vor, spricht man von „Late Presentation“ beziehungsweise von einem „Late Presenter“ (LP) (7). Dies ist der international übliche Begriff, auch wenn die Problematik oft eher in der späten Diagnose als in der späten Präsentation liegt. Wie auch im gesamteuropäischen Durchschnitt liegt die Rate der LP in Deutschland noch immer zwischen 44 und 64 Prozent (2, 8, 9, 10, 11, 12, 13). Gesundheitspolitisch ist bei den LP Handlungsbedarf erkannt, nicht zuletzt um einen Beitrag zur nachhaltigen Eindämmung von HIV zu leisten (14).

Innovationsfonds fördert Studie zu den „Late Presentern“

Ursachen der hohen Rate später HIV-Diagnosen sind vielfältig. Das Stigma der Erkrankung, fehlende Erhebung der Sexualanamnese, fehlendes Wissen über Testung, Diagnostik und Therapie der HIV-Infektion in der Bevölkerung sowie mangelhaftes fachliches Wissen auf ärztlicher Seite werden als häufige Gründe genannt (15). Um dieser Problematik zu begegnen, wurde die vom Innovationsfonds geförderte Studie „Frühzeitige Identifikation mittels normierter Diagnosekriterien für die HIV-Infektion“ (FindHIV) initiiert (Förderkennzeichen: VSF1_2017–174). Es handelt sich hierbei um eine Studie, bei der in einem sogenannten Mixed-Methods-Ansatz quantitative Primärdaten aus einer standardisierten Befragung in HIV-Schwerpunktpraxen und Kliniken mit qualitativen Daten aus Fokusgruppengesprächen kombiniert werden, mit dem Ziel, das Phänomen LP besser zu beschreiben, aber auch Lösungsansätze darstellen zu können. Hierzu soll zum Abschluss der Studie unter Berücksichtigung der erhobenen Daten ein Scoring-Instrument inklusive entsprechender Handlungsempfehlungen entwickelt werden, das ein weiter verbessertes Testangebotsverhalten zur frühzeitigen Diagnose von HIV-Infektionen unterstützt. Eine detailliertere Beschreibung der Methodik ist an anderer Stelle publiziert (16). In dieser Publikation werden Ergebnisse der klinischen Erhebung bei Patienten mit neu festgestellter HIV-Infektion vorgestellt.

Ambulante und stationäre Studienzentren beteiligt

Von Januar 2019 bis Mitte Mai 2020 konnten in 40 bundesweit verteilten Studienzentren 706 Patienten mit HIV-ED innerhalb der sechs Monate vor Einschluss mit gültiger Einverständniserklärung und auswertbaren Daten rekrutiert werden. Studienzentren waren sowohl niedergelassene Behandler als auch klinische Zentren. Die Zahl der eingeschlossenen Patienten entspricht schätzungsweise etwa 16 Prozent der neu diagnostizierten HIV-Infektionen in Deutschland in diesem Zeitraum (3). Wie Tabelle 1 zeigt, definierten sich 91,5 Prozent der eingeschlossenen Patienten als männlich, 8,2 Prozent als weiblich und 0,3 Prozent als transsexuell. Das Durchschnittsalter der Patienten liegt bei 40,3 Jahren. Der häufigste vermutete HIV-Transmissionsweg – Mehrfachnennungen waren möglich – war eine sexuelle Übertragung, hierbei wird Sex zwischen Männern (MSM) am häufigsten genannt (72,4 Prozent), gefolgt von heterosexuellen Sexualkontakten (25,4 Prozent). Der in der Studie erfasste LP-Anteil von 55 Prozent ist konform zu den oben genannten europäischen und deutschen Voruntersuchungen. Hinsichtlich des CDC-Stadiums der HIV-Erkrankung lassen sich 20,1 Prozent in Kategorie C und damit definitionsgemäß in das Stadium „AIDS“ einordnen. Weitere Daten zu den Patientencharakteristika, besonders hinsichtlich der Unterschiede zwischen LP und non-LP, werden an anderer Stelle publiziert.

Patientencharakteristika
Tabelle 1
Patientencharakteristika

Symptome eines Immundefizits, wie bei einer HIV-Infektion in Form von frühen, häufig unspezifischen, in einem späteren Verlauf aber auch spezifischen Symptomen, führen im Vorfeld einer endgültigen HIV-Diagnose häufig zu Kontakten zu unterschiedlichen Stellen des Gesundheitssystems. Diese Kontakte und die präsentierten Symptome bieten die Chance einer weiteren Diagnostik. In der FindHIV-Studie sah der Studienarzt bei 317 Patienten (44,9 Prozent) mindestens eine Chance im Gesundheitssystem, bei der die HIV-ED zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen können. Das betrifft 58 Prozent der LP und 28,9 Prozent der non-LP. Bei LP mit verpasster Chance hätte die Diagnose demnach durchschnittlich 20,5 Monate (Standardabweichung [SD] = 27,8) früher erfolgen können, bei non-LP sind es durchschnittlich 8,9 Monate (SD = 10,5). Dies ist insbesondere deshalb von Relevanz, weil eine frühere Diagnose und damit ein früheres Therapieangebot zu einer erheblichen Senkung von Morbidität, Mortalität und Kosten des Gesundheitssystems führt. Bei 64 Prozent der LP und 9 Prozent der non-LP kam es nach Beurteilung des Studienarztes aufgrund der verzögerten Diagnose zu gesundheitlichen Schäden. Die häufigsten drei Schäden hierbei sind in absteigender Reihenfolge: schwerer Immundefekt, AIDS-Erkrankung und HIV-Symptome.

Bei 79,2 Prozent der Fälle mit mindestens einer verpassten Chance wurde durch den Studienarzt auch für mindestens eine Chance die jeweilige Stelle im Gesundheitswesen und bei 79,8 Prozent der jeweilige Anlass (Symptome und/oder Erkrankungen) dokumentiert.

Zentrale Rolle kommt der hausärztlichen Versorgung zu

Eine Schlüsselrolle im ambulant ärztlichen Versorgungssystem und auch für eine frühe Diagnose spielen aufgrund ihrer zentralen Rolle in der primärärztlichen Versorgung hausärztlich tätige Ärztinnen und Ärzte – mit Hausarzt sind in der FindHIV-Studie jene Ärzte gemeint, bei denen der Studienarzt Hausarzt, Facharzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt für Innere Medizin ohne weitere Gebietsbezeichnung angab. So wurde bei einer bereits sehr großen Anzahl in Höhe von 40,2 Prozent aller Studienteilnehmer angegeben, dass hausärztlich tätige Ärzte die Stelle der ersten positiven HIV-Testung waren (Grafik 1).

Ort der HIV-Erstdiagnose
Grafik 1
Ort der HIV-Erstdiagnose

Gleichzeitig ist der hausärztlich tätige Bereich auch jener, in dem mit 201 dokumentierten Situationen (56,8 Prozent aller dokumentierten verpassten Chancen mit entsprechender Angabe) ein Großteil der noch zusätzlich ergreifbaren Chancen zur früheren positiven HIV-Testung liegt (Grafik 2).

Verpasste Chancen zur früheren HIV-Erstdiagnose – Orte
Grafik 2
Verpasste Chancen zur früheren HIV-Erstdiagnose – Orte

Betrachtet man, an welcher Stelle im Gesundheitssystem bei Patienten mit verpasster Chance die allererste Möglichkeit zur positiven Testung gesehen wird (teilweise gab es mehrere verpasste Chancen pro Patient), finden sich mit 168 viele (58,7 Prozent der allerersten Chancen) im hausärztlichen Bereich. Das niedrigschwellige Konsultationsangebot im hausärztlichen Bereich, aber auch das weite Spektrum der im allgemeinmedizinisch orientierten Bereich abgedeckten Erkrankungen und Symptome spielen hier vermutlich eine wesentliche Rolle. Die verhältnismäßig hohe Anzahl an Chancen zur früheren positiven HIV-Testung, aber auch der erfolgten ED in diesem Bereich erklärt sich sicherlich zu einem großen Teil dadurch, dass die meisten Patienten zu dieser Arztgruppe viele Kontakte haben (47,2 Prozent der dokumentierten Kontakte vor HIV-ED aufgrund von Symptomen mit Angabe dazu, ob ein HIV-Test angeboten wurde/42,9 Prozent der dokumentierten Kontakte vor HIV-ED aufgrund von Erkrankungen mit Angabe dazu, ob ein HIV-Test angeboten wurde), es also auch mehr potenzielle Gelegenheiten gibt, bei denen auf HIV getestet werden könnte als bei anderen Fachgebieten.

Von Bedeutung sind hier auch die Anlässe, also Symptome und/oder Erkrankungen, die zu Kontakten zum Gesundheitssystem führten, die als verpasste Chance einer frühzeitigeren HIV-Diagnose gewertet wurden. So ist hier die häufigste Nennung Gewichtsverlust (52 Chancen, Patientenanzahl [n] = 50), gefolgt von Indikator-/HIV-assoziierten Erkrankungen (41 Chancen, n = 38), Fieber und Nachtschweiß (34 Chancen, n = 34), sonstige Erkrankungen (30 Chancen, n = 30) sowie sexuell übertragbare Erkrankungen (29 Chancen, n = 27) (siehe Kasten). Die fünf Anlässe für Kontakte, die als allererste Chance zur positiven HIV-Testung bewertet werden, sind in ihrem Inhalt und der Rangreihenfolge deckungsgleich zu den bereits genannten. Es wird deutlich, dass vorrangig Symptome aus dem Bereich der sogenannten „B-Symptomatik“ als auch Erkrankungen, die auf eine hohe sexuelle Aktivität schließen lassen, eine große Relevanz bei der frühzeitigen Diagnose von HIV innehaben könnten. Da viele dieser Symptome unspezifisch sind, erfolgt die Kontaktaufnahme zum Gesundheitswesen häufig über den hausärztlichen Bereich.

Unterschiedliche Raten an angebotenen HIV-Tests

Neben den konkreten ergriffenen und den verpassten Chancen wurde in der Studie allgemein nach Kontakten zum Gesundheitswesen vor der HIV-ED aufgrund von Symptomen oder Erkrankungen gefragt. Eine Übersicht über die abgefragten Anlässe (Symptome/Erkrankungen) findet sich im Kasten.

Die Analyse der Raten an angebotenen HIV-Tests bei allgemeinen Kontakten der Patienten zum Gesundheitswesen vor der HIV-ED bietet eine weitere interessante Perspektive auf das Potenzial zur früheren HIV-ED im hausärztlich tätigen Bereich. Hier wird deutlich, dass die Quote angebotener HIV-Tests bei Kontakten im hausärztlich tätigen Bereich aufgrund von Symptomen ein weiteres Steigerungspotenzial aufweist. Dies gilt auch im Vergleich zu anderen Bereichen des Gesundheitssystems. Während die Patienten angaben, bei Kontakten aufgrund von Symptomen beim Hausarzt bei 19 Prozent der Fälle einen HIV-Test angeboten bekommen zu haben, wurde dies bei anderen niedergelassenen Fachärzten in 27,7 Prozent der Fälle, bei alternativmedizinischen Behandlern sogar bei 33,3 Prozent der Fälle angegeben. Wobei bei der Interpretation der Ergebnisse auch das breite Symptomspektrum im hausärztlich tätigen Bereich betrachtet werden muss. Im Krankenhaus ist mit 57,9 Prozent eine noch höhere Rate angebotener HIV-Tests zu verzeichnen. Die oben beschriebenen Testraten spiegeln auch adäquat die Tatsache, dass der stationäre Bereich hinsichtlich verpasster Chancen auf eine frühere HIV-ED kaum eine Rolle spielt (Grafik 2).

Bei den dokumentierten Kontakten zum Gesundheitswesen aufgrund von Erkrankungen wurde nicht nach Versorgungssektor (ambulant oder stationär) unterschieden, dafür ist hier hinsichtlich der Fachgebiete eine noch differenziertere Betrachtung als bei den Kontakten aufgrund von Symptomen möglich. In dieser Analyse kommen über alle abgefragten Erkrankungen hinweg hausärztlich tätige Ärzte auf eine Rate angebotener HIV-Tests von 23,1 Prozent. Dies bedeutet, dass in 23,1 Prozent der Fälle, bei denen sie aufgrund von Erkrankungen im Vorfeld der HIV-Diagnose aufgesucht wurden, ein HIV-Test angeboten wurde. Zum Vergleich, die entsprechenden Raten anderer Fachgebiete mit mehr als zehn Kontakten in den Studiendaten: Hämatologie 38,9 Prozent, Urologie 36,8 Prozent, sonstige Fachrichtung 36,4 Prozent, Haut- und Geschlechtskrankheiten 28,4 Prozent, Gastroenterologie 27,9 Prozent, Pneumologie 23,5 Prozent, Neurologie 20 Prozent , unbekannte Fachrichtung 15,9 Prozent, Allgemeinchirurgie 15,4 Prozent, Kardiologie 7,7 Prozent, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde 6,3 Prozent, Psychiatrie und Psychotherapie 4 Prozent, Neurologie und Psychiatrie 0 Prozent, Orthopädie ggf. mit Unfallchirurgie 0 Prozent. Dies zeigt, die Hausärzte liegen hier im mittleren Bereich im Vergleich zu den übrigen Arztgruppen.

Neben dem Angebot eines Tests spielt auch die Bereitschaft der Patienten zur Durchführung des Tests eine Rolle. Wissen über Diagnostik und Therapie der HIV-Erkrankung, aber auch Faktoren wie die Stigmatisierung dieser Infektion spielen hier eine wesentliche Rolle. Die Bereitschaft, angebotene Tests durchzuführen, zeigte sich patientenseitig in der FindHIV-Studie als sehr hoch. So wurden 91,1 Prozent der HIV-Tests, die bei Kontakten zum Gesundheitswesen aufgrund von Symptomen vor der HIV-ED angeboten wurden, auch durchgeführt. Bei den Kontakten aufgrund von Erkrankungen vor HIV-ED sind es sogar 93,1 Prozent.

Einordnung der Ergebnisse und Limitationen

Die HIV-Infektion gilt heute als behandelbare chronische Erkrankung mit guten Therapiechancen. Eine frühzeitige Diagnose mit einem raschen Therapieangebot sind die Voraussetzungen für ein weitgehend normales Leben mit der Infektion. Noch immer werden in Deutschland mehr als die Hälfte der HIV-Diagnosen zu einem späten Zeitpunkt der Erkrankung gestellt. Es konnte innerhalb eines großen Patientenkollektivs gezeigt werden, dass eine verspätete HIV-Diagnosestellung oft vermieden werden könnte. So wurde in der vorliegenden Studie in 44,9 Prozent der Fälle eine Chance zur früheren HIV-ED gesehen. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei dem hausärztlich tätigen Arzt zu, da bei ihm 40,2 Prozent der HIV-Erstdiagnosen dokumentiert wurden, aber auch 56,8 Prozent der verpassten Chancen zu einer früheren Diagnosestellung. Wie oben stehend gezeigt werden konnte, ist die Bereitschaft aufseiten der Patienten, angebotene Tests durchzuführen, sehr hoch. Das besonders enge Arzt-Patienten-Verhältnis im hausärztlich tätigen Bereich könnte eine HIV-Testempfehlung unterstützen.

Einschränkend lassen die eher hohen Raten angebotener HIV-Tests den Bias vermuten, dass, obwohl allgemein nach Kontakten zum Gesundheitswesen vor der HIV-ED gefragt wurde, eher Kontakte mit (vagem) HIV-Bezug dokumentiert wurden. Auch ist hier nicht auszuschließen, dass manchen Patienten aufgrund von Merkmalen wie sexueller Orientierung verstärkt HIV-Tests angeboten wurden.

Ein Scoringtool soll Ärztinnen und Ärzte unterstützen

Neben der Erfassung der Situation und möglicher Ansatzpunkte möchte die beschriebene Studie Lösungsmöglichkeiten anbieten. Das Scoring-Instrument, welches in der nächsten Phase der FindHIV-Studie entwickelt wird, soll dazu geeignet sein, Ärzten ein niedrigschwelliges Instrument zur Verfügung zu stellen, um sie in ihrer Entscheidung zu unterstützen, wann ein HIV-Test angeboten werden sollte. Kombiniert mit einer möglicherweise noch weiter gesteigerten Awareness gegenüber HIV im niedergelassenen, ärztlichen Bereich und gegebenenfalls systemseitiger, unterstützender Maßnahmen zur Durchführung des Scores und Testung erscheint es möglich, die Rate spät diagnostizierter HIV-Infektionen in Deutschland nachhaltig zu senken. Somit besteht die Aussicht, bei HIV-positiven Menschen vermeidbare, negative gesundheitliche Folgen zu verhindern, die Anzahl an HIV-Transmissionen zu reduzieren und damit auch positive gesundheitsökonomische Effekte zu erzielen.

  • Zitierweise dieses Beitrags:
    Dtsch Arztebl 2021; 118 (43): A 1994–8

Anschrift für die Verfasser:

Frederik Valbert, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Thea-Leymann-Str. 9, Telefon: 0201 1837298

Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit4321
oder über QR-Code.

Abgefragte Anlässe für Kontakte zum Gesundheitswesen vor HIV-Erstdiagnose (Symptome/Erkrankungen)

Symptome

  • Gewichtsverlust
  • chronische Durchfälle
  • Fieber und Nachtschweiß
  • allgemeine Leistungsminderung
  • Vergesslichkeit
  • Depression
  • Wahnvorstellungen
  • Taubheitsgefühl oder Lähmungen
  • schwerer, akuter, hochfieberhafter Infekt
  • Lymphadenopathie
  • Hautausschläge
  • Zahnfleischentzündung
  • sonstige Symptome

Erkrankungen

  • Indikator-/HIV-assoziierte Erkrankungen
  • Indikator-/AIDS-definierende Erkrankungen
  • sexuell übertragbare Erkrankungen
  • Virushepatitis
  • Diabetes mellitus
  • Fettstoffwechselstörungen
  • Hypertonie
  • Herz- und Kreislauf-Erkrankungen
  • Lebererkrankungen
  • Nierenerkrankungen
  • orthopädische Erkrankungen
  • maligne Erkrankungen
  • neurologische Erkrankungen
  • psychiatrische Erkrankungen
  • Suchterkrankungen
  • Atemwegserkrankungen
  • dermatologische Erkrankungen
  • gastrointestinale Erkrankungen
  • andere Infektionskrankheiten
  • rheumatologische Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen
  • Allergien
  • chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
  • andere Erkrankungen
1.
A Working Group of the Office of AIDS Research Advisory Council (OARAC): Panel on antiretroviral guidelines for adults and adolescents. Guidelines for the use of antiretroviralagents in adults and adolescents living with HIV. 2017; https://clinicalinfo.hiv.gov/sites/default/files/guidelines/documents/AdultandAdolescentGL.pdf (last accessed ob 20 October 2021).
2.
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3.
Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 2020; Nr. 48.
4.
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15.
Darling KEA, Hachfeld A, Cavassini M, Kirk O, Furrer H, Wandeler G: Late presentation to HIV care despite good access to health services: current epidemiological trends and how to do better. Swiss Med Wkly 2016; 146, w14248, https://doi.org/10.4414/smw.2016.14348.
16.
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Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen: Prof. Dr. med. Dr. rer. pol. Neumann; Valbert, MA; Prof. Dr. rer. pol. Wasem

MUC Research GmbH, München: Lauscher, MA; Dr. phil. Mück; Dr. phil. Wolf

ClinovateNET GmbH & Co KG, München: Dr. med. Preis

Infektionsmedizinisches Centrum Hamburg, Hamburg: Dr. med. Schewe

Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ) e.V., Berlin: Hanhoff, B.Sc. Pharm.; Dipl.-Pol. Rüsenberg

Novopraxis Berlin GbR, Berlin: Dr. med. Schellberg
Ort der HIV-Erstdiagnose
Grafik 1
Ort der HIV-Erstdiagnose
Verpasste Chancen zur früheren HIV-Erstdiagnose – Orte
Grafik 2
Verpasste Chancen zur früheren HIV-Erstdiagnose – Orte
Patientencharakteristika
Tabelle 1
Patientencharakteristika
1.A Working Group of the Office of AIDS Research Advisory Council (OARAC): Panel on antiretroviral guidelines for adults and adolescents. Guidelines for the use of antiretroviralagents in adults and adolescents living with HIV. 2017; https://clinicalinfo.hiv.gov/sites/default/files/guidelines/documents/AdultandAdolescentGL.pdf (last accessed ob 20 October 2021).
2.Valbert F, Wolf E, Schewe CK, et al.: Cost of human immunodeficiency virus (HIV) and determinants of healthcare costs in HIV infected treatment-naive patients initiated on antiretroviral therapy in Germany: Experiences of the PROPHET study. Value in Health 2020; 23 (10), 1324–31, https://doi.org/10.1016/j.jval.2020.04.1836.
3.Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 2020; Nr. 48.
4.Cohen MS, Chen YQ, McCauley M, et al.: Antiretroviral therapy for the prevention of HIV-1 transmission. New England Journal of Medicine 2016; 375 (9), 830–9, https://doi.org/10.1056/NEJMoa1600693.
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10.Schäfer G, Kreuels B, Schmiedel S, et al.: High proportion of HIV late presenters at an academic tertiary care center in northern Germany confirms the results of several cohorts in Germany: Time to put better HIV screening efforts on the national agenda? Infection 2016; 44 (3), 347–52, https://doi.org/10.1007/s15010-016-0880-4.
11.Zoufaly A, Heuden MAD, Marcus U, et al.: Late presentation for HIV diagnosis and care in Germany. HIV Medicine 2011; 13 (3), 172–81, https://doi.org/10.1111/j.1468-1293.2011.00958.x.
12. Mocroft A, Lundgren JD, Sabin ML, et al.: Risk factors and outcomes for late presentation for HIV-positive persons in Europe: Results from the Collaboration of Observational HIV Epidemiological Research Europe Study (COHERE). PLoS Med 2013; 10 (9), e1001510, https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1001510.
13.The Late Presentation Working Groups in EuroSIDA and COHERE. Estimating the burden of HIV late presentation and its attributable morbidity and mortality across Europe. BMC Infect Dis 2020; 20 (728). https://doi.org/10.1186/s12879-020-05261-7.
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