SUPPLEMENT: Perspektiven der Diabetologie
Typ-1-Diabetes: Auch Erwachsene erkranken


Konsensus-Report der American Diabetes Association (ADA) und der European Association for the Study of Diabetes (EASD) stellt einen Algorithmus für die Diagnose vor.
Der Typ-1-Diabetes beginnt meist im Kindes- und frühen Jugendalter. Die Autoimmunerkrankung kann jedoch in jedem Lebensalter auftreten. Bei Erwachsenen bleiben Polydipsie, Polyurie und Gewichtsverlust länger unbemerkt; vor allem, wenn die Patienten vorher übergewichtig oder adipös waren. Auch die Ärzte können die Erkrankung leicht mit einem Typ-2-Diabetes verwechseln, da das C-Peptid erst langsam abfällt.
Etwa 40 % aller Erkrankungen werden bei Erwachsenen zunächst als Typ-2-Diabetes behandelt. Die Diagnose erfolgt heute durch den Nachweis von Inselantikörpern, die jedoch bei 5 %–10 % der Patienten nicht vorhanden sind. Hier sollte bei Verdacht auf einen Typ-1-Diabetes eine Insulinbehandlung versucht werden. Bis zum Versiegen der Insulinproduktion mit dem Abfall des C-Peptids können eventuell 3 Jahre vergehen.
Der Report von ADA und EASD beschäftigt sich mit weiteren Problemen, die Patienten mit Typ-1-Diabetes abgesehen von ihrem Insulinmangel. Dazu gehören Depressionen, an denen im Verlauf des Lebens 15 % der Patienten erkranken. Die kritischen Phasen sind die Diagnose und das Auftreten der ersten Spätkomplikationen. Von denen sind viele Patienten betroffen, da die HbA1c-Werte oft erhöht sind. Daran ist häufig der Lebensstil schuld, da viele Patienten mit Typ-1-Diabetes übergewichtig bis adipös sind (woran die intensivierte Insulintherapie nicht unbeteiligt ist).
Eine gesunde Ernährung kann laut ADA und EASD den HbA1c-Wert um 1,0–1,9 Prozentpunkte senken. Dies gelingt allerdings nur mithilfe von Diätassistenten. Diäten in Eigenregie schlagen auch bei Patienten mit Typ-1-Diabetes oft fehl.
Die derzeit populäre „Low-Carb“-Diät (siehe auch Seite 12) sehen die Experten eher kritisch. Der weitgehende Verzicht auf Kohlenhydrate sei im Prinzip günstig, heißt es in dem Report. Doch eine hohe Zufuhr von Fetten und Proteinen könnten zu einer verzögerten Hyperglykämie führen, die eine Anpassung der Insulindosis erforderlich macht. Diäten sollten Patienten nur nach Rücksprache mit ihren Diabetologen unternehmen.
Der 44-seitige Report deckt ein breites Spektrum der Erkrankung ab. Das Autorenteam besteht aus 14 Experten verschiedener Gesundheitsdisziplinen. Es ist paritätisch besetzt: Je eine Hälfte kommt aus den USA und Europa. Der Report (1) wurde zeitgleich in Diabetologia (dem Organ der EASD) und Diabetes Care (dem Organ der ADA) veröffentlicht.
DOI: 10.3238/PersDia.2021.11.05.02
Rüdiger Meyer