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Oraler HIF-PA*-Inhibitor bei Anämie und chronischen Nierenerkrankungen: Völlig neuer Wirkmechanismus


Für erwachsene Patienten mit symptomatischer Anämie im Rahmen einer chronischen Nierenerkrankung steht in der EU mit der Zulassung des ersten oralen HIF-PA*-Inhibitors Roxadustat eine neue effektive Therapieoption unabhängig vom Dialysestatus zur Verfügung.
Weltweit leidet jeder 10. Mensch an einer chronischen Nierenerkrankung (CKD für chronic kidney disease) – bis 2040 wird die CKD nach Schätzungen weltweit die fünfthäufigste Ursache für einen vorzeitigen Tod sein. Jeder 5. der Patienten mit CKD weist eine Anämie auf, die häufig schon früh im Krankheitsverlauf auftritt, mit erheblichen Einbußen an Lebensqualität verbunden ist und sich ungünstig auf das kardiovaskuläre Risiko und die Nierenerkrankung auswirken kann. So ist eine CKD-assoziierte Anämie mit einem erhöhten Risiko für Krankenhausaufenthalte, kardiovaskuläre Komplikationen und Mortalität assoziiert. Zudem klagen die Betroffenen über ausgeprägte Müdigkeit, kognitive Einschränkungen und verminderte Leistungsfähigkeit. Auch Kurzatmigkeit sowie Appetitminderung und Gewichtsabnahme können Symptome einer Anämie sein.
Anämie häufig unbehandelt
Häufig bleibt eine Anämie bei CKD unbehandelt oder wird nur unzureichend therapiert. So weisen die Hälfte dieser Patienten Hämoglobinspiegel außerhalb der empfohlenen Referenzwerte auf. Eine Umfrage bei Patienten mit diagnostizierter renaler Anämie und behandelnden Nephrologen empfand fast die Hälfte der befragten Patienten den Prozess bis zur richtigen Diagnose als frustrierend und 45 % berichten von einem verzögerten Behandlungsbeginn. Bessere Behandlungsoptionen, ein besseres Verständnis der Auswirkungen der Anämie und eine frühere Diagnose der chronischen Nierenerkrankung stehen auf der Wunschliste der Patienten.
Das Ziel der Behandlung der Anämie bei der CKD ist eine Erhöhung und Stabilisierung des Hämoglobinspiegels. Die bisherige Therapie bestand in der Gabe von injizierbaren Erythropoese-stimulierenden Substanzen (ESA) zusammen mit intravenöser Eisengabe. In sehr schweren Fällen wurden auch Bluttransfusionen eingesetzt, die aber die Chance auf eine spätere Nierentransplantation vermindern können und dann mit vermehrten Komplikationen assoziiert sind.
Roxadustat (Evrenzo™, Astellas) weist als erster in Europa zugelassener Vertreter der neuen Klasse der oral verabreichbaren HIF-PA-Inhibitoren einen völlig anderen Wirkmechanismen als ESA auf. Als HIF-PH-Inhibitor aktiviert Roxadustat die natürliche Schutzreaktion des Körpers auf einen reduzierten Sauerstoffgehalt im Blut. Diese Reaktion beinhaltet die Regulierung zahlreicher, koordinierter Prozesse, die zur Verbesserung der Anämie bei einem verringerten Bedarf an intravenösem Eisen führt. Es kommt unter anderem zu einer Steigerung der Produktion von Erythropoietin, einer Verbesserung der Bioverfügbarkeit von Eisen durch die Verringerung von Hepcidin sowie zu einem verstärkten Eisentransport in das Knochenmark. Dadurch können wieder vermehrt rote Blutkörperchen gebildet werden und die HB-Werte steigen an.
Vergleichbar mit ESAs
Die Zulassung für die EU-Mitgliedstaaten plus Island, Norwegen und Liechtenstein folgte auf die positive Beurteilung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency [EMA]) vom Juni 2021. Diese Empfehlung basiert auf den Ergebnissen eines umfangreichen zulassungsrelevanten Phase-III-Programms, das 8 multizentrische und randomisierte Studien mit weltweit 9 600 Patienten umfasste. Die Ergebnisse dieses Programms untermauern, dass Roxadustat bei Patienten mit symptomatischer Anämie bei CKD effektiv zum Erreichen und Aufrechterhalten von Hämoglobin-Zielspiegeln (10–12 g/dl) führt – unabhängig vom Dialysestatus und von einer vorherigen Behandlung mit ESA.
Das im Rahmen des klinischen Entwicklungsprogramms von Roxadustat beobachtete Sicherheitsprofil spiegelt die gesundheitlichen Probleme der untersuchten CKD-Populationen wider und ist mit dem Sicherheitsprofil von ESAs vergleichbar. Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen im Rahmen des klinischen Studienprogramms (≥ 10 %) waren Hyperkaliämie, Bluthochdruck, Thrombosen der Gefäßzugänge (bei Dialysepatienten), Übelkeit, Diarrhöe und periphere Ödeme.
Damit ist gut belegt, dass sich mit Roxadustat bei 3-mal wöchentlicher oraler Einnahme und einem geringeren Bedarf an IV-Eisen ähnlich hohe Hb-Werte wie unter ESAs erzielen lassen.
Roxadustat könnte zukünftig auch eine Option bei anderen Anämieformen sein. Zurzeit wird in Phase-III-Studien die Therapie der Anämie bei einem myelodysplastischem Syndrom (MDS) und in Phase-II-Studien die Therapie der Chemotherapie-induzierten Anämie (CIA) geprüft. Maria Weiß
*Hypoxie-induzierbarer-Faktor-Prolyl-Hydroxylase
Quelle: Virtuelle Pressekonferenz zur Marktzulassung von Evrenzo™, 3. September 2021; Veranstalter: Astellas Pharma
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