MEDIZIN: Kurzmitteilung
Qualität der häuslichen Sauerstofftherapie bei Erwachsenen mit chronischer Lungenerkrankung
Ergebnisse einer multizentrischen Querschnittsuntersuchung
Quality of domiciliary oxygen therapy in adults with chronic respiratory diseases—results of a multicenter cross-sectional study in Germany
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In Deutschland leben etwa 180 000 Patienten mit Langzeitsauerstofftherapie (LTOT). Eine Untersuchung zu Kontrollen häuslicher Sauerstofftherapie in Deutschland fehlt bisher.
Mit der vorliegenden Querschnittsstudie sollte die Qualität der häuslichen Sauerstofftherapie untersucht werden. Primärer Endpunkt war die nachvollziehbar erforderliche Sauerstofftherapie gemäß Leitlinienkriterien.
Methoden
Eine Querschnittsstudie in drei pneumologischen Kliniken erfolgte von Juli 2019 bis April 2020 (MHH-Ethikkommission 8469_BO_K_2019). Eingeschlossen wurden Patienten, bei denen mindestens vier Wochen nach Beginn der häuslichen Sauerstofftherapie eine Kontrolle durchgeführt wurde (Clinical Trials Nr. NCT03937622). Eine Sauerstofftitration wurde nach etablierten Kriterien durchgeführt und durch eine kapilläre Blutgasanalyse kontrolliert (1). Ambulante Studienteilnehmer in stabiler Krankheitssituation wurden in Spezialambulanzen rekrutiert. Die Rekrutierung stationär versorgter Patienten erfolgte bei elektivem Krankenhausaufenthalt – zum Beispiel zur Kontrolle der außerklinischen Beatmung oder zur stationären pneumologischen Rehabilitation.
Erhoben wurden unter anderem Angaben zu Grunderkrankung, Geschlecht und Geburtsjahr, Datum der Sauerstoffverordnung, Sauerstoffanwendung in Ruhe und bei Belastung, Anwendungsdauer, Ruhe-Flussrate, Sauerstoffquelle und Verwendung eines Demand-Ventils.
Die Sauerstofftherapie wurde nach Patientenangaben unterschieden in eine Sauerstoffversorgung bei Ruhe und Belastung oder in eine Sauerstoffversorgung ausschließlich bei Belastung ohne Anwendung in Ruhe.
Auf das Vorliegen einer Belastungshypoxämie wurde untersucht, wenn im Rahmen der Routine Belastungsuntersuchungen (zum Beispiel 6-Minuten-Gehtest) durchgeführt wurden. Ohne Sauerstoffgabe unter Belastung war eine schwere Belastungshypoxämie bei minimaler pulsoxymetrischer Sauerstoffsättigung (SpO2) < 80 % definiert, mit Sauerstoffgabe bei SpO2 < 85 %. Falls keine Belastungsuntersuchung vorlag oder bei SpO2 > 88 % unter Sauerstoffgabe wurden die Patienten der Kategorie „unbekannte Belastungshypoxämie“ zugeordnet.
Eine multivariate Analyse erfolgte mittels einer binären logistischen Regression mit Endpunkt „nachvollziehbare Sauerstofftherapie“. Variablen mit einem p-Wert von < 0,10 wurden in die Analyse einbezogen.
Ergebnisse
Es wurden 362 Patienten (48 % weiblich), Alter median bei 56 Jahren (25–75 %-Quartile: 50–61 Jahre), eingeschlossen. Die häufigste Grunderkrankung war mit 48 % die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Im Median war Sauerstoff 25 (10–52) Monate vor Studieneinschluss verordnet worden. Die tägliche Dauer der Sauerstoffanwendung lag nach Patientenangaben bei 18 Stunden (25–75 %-Quartile: 9–24 Stunden). 27 % der Patienten nutzten ein Demand-Ventil, 90 % Flüssigsauerstoff und 24 % nachts eine zusätzlich nichtinvasive Beatmung.
282 von 362 Patienten (78 %) gaben eine Sauerstofftherapie in Ruhe an. 63 Studienteilnehmer nutzten eine Sauerstoffgabe nur unter Belastung; von diesen waren die Daten zu 20 Patienten nicht auswertbar. Neun Patienten gaben an, den Sauerstoff nur nachts zu nutzen (nicht auswertbar). Acht Patienten gaben an, den Sauerstoff gar nicht zu nutzen. Zu 333 (282+8+43) Patienten konnten somit die Daten ausgewertet werden.
Bei 103 der 282 Patienten mit Angabe einer Sauerstoffversorgung in Ruhe (37 %) war die Therapie nachvollziehbar weiterhin erforderlich gemäß den definierten Kriterien dieser Untersuchung (Tabelle). Keiner der acht Studienteilnehmer ohne Sauerstoffnutzung hatte einen titrierten Sauerstofffluss ≠ 0 L/min. Die Überprüfung einer Sauerstofftherapie durch Titration dauerte median 16 Minuten.
Die vom Patienten angegebene Sauerstoff-Ruheflussrate lag median bei 2 L/min (1–2,5). Sie war unter den 180 Patienten mit einer Flussrate > 0 L/min bei 46 (26 %) um mehr als 1 L/min höher und bei 16 (9 %) um mehr als 1 L/min höher als die titrierte Rate.
In der multivariaten Analyse war die Verordnung durch Lungenfachärzte (OR: 1,67; 95-%-Konfidenzintervall: [1,05; 2,82]) und eine zugrunde liegende Lungenfibrose (OR: 1,67 [1; 2,77]) mit einer weiterhin nachvollziehbar erforderlichen Sauerstofftherapie assoziiert.
Diskussion
Die Kontrollen der Sauerstofftherapie, mehrheitlich bei Patienten mit COPD, wurden international als unzureichend eingestuft. In einer schwedischen Analyse mit 8 379 COPD-Patienten lag der Anteil von Kontrollen der Sauerstofftherapie innerhalb von drei Monaten nach Krankenhausentlassung nur bei 60 % (2).
Bei rund 15 000 COPD-Patienten mit LTOT zwischen 2001 und 2010 konnte diese bei 25,5 % innerhalb von 6 Monaten wieder beendet werden (3). In unserer Untersuchung bestand für 36 % bei Kontrolle kein nachvollziehbarer Sauerstoffbedarf in Ruhe trotz Nutzung.
Leitlinien (4) empfehlen Kontrollen der LTOT bei Patienten mit COPD innerhalb von zwölf Wochen. In unserer Untersuchung fand sich in der Nachvollziehbarkeit kein Unterschied zwischen COPD und anderen Diagnosen.
In einer kanadischen Untersuchung zeigte ein Vergleich von verschriebener Anwendungsdauer und Flussrate mit tatsächlich registrierten Versorgungswerten bei 115 Patienten mit COPD unter LTOT, dass sich nur 60 % der Patienten adhärent verhielten (5). Im Vergleich dazu folgten 88 % Prozent unserer Patienten mit Sauerstoff-Nutzung von ≥ 15 Stunden der Therapieempfehlung. Die Therapietreue der Sauerstofftherapie wird gemeinsam von Patienten und Fachpersonal beeinflusst und kann durch Schulung und Kontrollen verbessert werden.
Eine Limitation der vorliegenden Studie besteht darin, dass die Daten zur Anwendungsdauer nur auf Patientenangaben beruhen. Das untersuchte Kollektiv ist nicht repräsentativ für die Gesamtzahl der Patienten in der Primärversorgung. Wir konnten nicht klären, ob bei den Teilnehmern vor Studieneinschluss jemals Kontrollen der Sauerstofftherapie stattgefunden hatten.
Die Überprüfung der Sauerstofftherapie im Rahmen unserer Studie erfolgte in Übereinstimmung mit den geltenden Leitlinien, und es wurden Surrogatparameter für die Indikation zur LTOT und mobilen Sauerstofftherapie benutzt. Der Anteil von Patienten mit einem titrierten Sauerstofffluss von 0 L/min, um einen Sauerstoffpartialdruck (paO2) von 60 mmHg zu erreichen, ist möglicherweise noch höher anzusetzen, da eine Titration in der vorliegenden Studie nur anhand von kapillären Blutgasanalysen durchgeführt wurde und der paO2 aus arteriellen Proben als Goldstandard damit um 4–8 mmHg unterschätzt wird.
Zusammengefasst zeigt unsere Studie, dass eine häusliche Sauerstofftherapie regelmäßig überprüft werden muss und eher eine Sauerstoff-Überversorgung im häuslichen Bereich besteht. Auf Grundlage der vorliegenden Daten erscheint es sinnvoll, den zusätzlichen Aufwand für die Überprüfung der Sauerstoffversorgung zu vergüten.
Jens Gottlieb, Hayo Schrepper, Christina Valtin, Tobias Welte, Martin Dierich, Thomas Fühner, Heiko Golpon
Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover
(Gottlieb, Valtin, Welte, Dierich, Golpon) gottlieb.jens@mh-hannover.de,
Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL), Biomedical Research in End-Stage and Obstructive Lung Disease (BREATH) Hannover (Gottlieb, Welte, Golpon),
Klinik für Pneumologie, Städtisches Klinikum Braunschweig (Schrepper),
Krankenhaus Siloah, Klinik für Pneumologie und Beatmungsmedizin,
Klinikum Region Hannover (Fühner)
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 8. 3. 2021, revidierte Fassung angenommen: 12. 7. 2021
Zitierweise
Gottlieb J, Schrepper H, Valtin C, Welte T, Dierich M, Fühner T, Golpon H: Quality of domiciliary oxygen therapy in adults with chronic respiratory diseases—results of a multicenter cross-sectional study in Germany. Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 767–8. DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0294
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de
§ 16 TPG; 2017 www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/RL/RiliOrgaWlOvLungeTx-ab20171107.pdf (last accessed on 16
July 2021).
1. | Bundesärztekammer: Richtlinien zur Organtransplantation gem. § 16 TPG; 2017 www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/RL/RiliOrgaWlOvLungeTx-ab20171107.pdf (last accessed on 16 July 2021). |
2. | Ekstrom M, Ahmadi Z, Larsson H, et al.: A nationwide structure for valid long-term oxygen therapy: 29-year prospective data in Sweden. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2017; 12: 3159–69 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
3. | Ringbaek TJ, Lange P: Trends in long-term oxygen therapy for COPD in Denmark from 2001 to 2010. Respir Med 2014; 108: 511–6 CrossRef MEDLINE |
4. | Haidl P, Jany B, Geiseler J, et al.: [Guideline for Long-Term Oxygen Therapy – S2k-Guideline Published by the German Respiratory Society]. Pneumologie 2020; 74: 813–41. |
5. | Gauthier A, Bernard S, Bernard E, Simard S, Maltais F, Lacasse Y: Adherence to long-term oxygen therapy in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Chron Respir Dis 2019; 16: 1479972318767724 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
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Der Pneumologe, 202210.1007/s10405-021-00412-2
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