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Bewertungsportale: Vorteile für zahlende Mitglieder


Der Bundesgerichtshof hat Mitte Oktober eine Klage gegen das Ärztebewertungsportal Jameda abgewiesen. Demnach ist die Besserstellung zahlender Ärztinnen und Ärzte zu rechtfertigen.
Das Bewertungsportal Jameda erstellt auf der Basis öffentlich zugänglicher Informationen ein Basisprofil für alle Ärztinnen und Ärzte in der Bundesrepublik Deutschland. Inhalt dieses Basisprofils sind der jeweilige Name der Persons, ihr akademischer Grad, ihre Fachrichtung, die Praxisadresse sowie weitere Kontaktdaten und Sprechzeiten. Als weiteres Feature enthält das Profil die Angabe einer Durchschnittsnote. Diese wird gebildet aus den verschiedenen Bewertungen der Nutzerinnen und Nutzer des Portals. Die Benotung findet anhand bestimmter Kriterien statt. So können Patientinnen und Patienten ihren Besuch in der ärztlichen Praxis bezüglich der Behandlung selbst, aber auch hinsichtlich der gegebenen Umstände bewerten. Bei der Bewertung werden sie gebeten, sowohl zu menschlichen Aspekten wie beispielsweise das Vertrauensverhältnis zu ihrer Ärztin oder ihrem Arzt Angaben zu machen als auch eine Einschätzung bezüglich der Ausstattung und Praxisumgebung abzugeben. Hier wird unter anderem nach Entertainment im Wartezimmer oder aber nach den vorhandenen Parkmöglichkeiten gefragt. Darüber hinaus haben Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit, einen Freitextkommentar abzugeben. Neben der Gesamtnote finden sich im Profil auch Durchschnittsnoten für die verschiedenen Bewertungskategorien.
Gegen eine monatliche Zahlung von 69 Euro beziehungsweise 139 Euro können Ärztinnen und Ärzte ein Gold- oder Platinpaket erwerben, welches ihnen mehr Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich ihres Profils bietet. So können sie mit diesem Gold- oder Platinpaket beispielsweise Fotos zu ihrem Profil hinzufügen oder einen weiterführenden Link zu ihrer Praxishomepage platzieren, um auf sich aufmerksam zu machen. Auch durch die Veröffentlichung von Fachartikeln können die zahlenden Mitglieder ihr Profil interessanter gestalten. Im Jahr 2018 war es dem zahlenden Klientel darüber hinaus noch möglich, Werbeanzeigen auf den Profilen nicht zahlender Kolleginnen und Kollegen zu schalten. Inzwischen hat Jameda diese Funktion jedoch aus dem Bewertungsportal entfernt.
Bisheriger Verfahrensverlauf
Gegen die zuvor beschriebene Vorgehensweise und weitere Handlungen von Jameda hatten zwei Zahnmediziner aus Nordrhein-Westfalen zunächst vor dem Landgericht (LG) Bonn geklagt. Sie hatten beantragt, den Portalbetreiber von Jameda zu verurteilen, ihre Daten vollständig von der Website zu löschen. Sie begehrten zudem, dass der Portalbetreiber solche Auflistungen ihrer Profile auch für die Zukunft unterlässt. Insgesamt beanstandeten die beiden klagenden Ärzte 24 Merkmale der Plattform. Unter anderem betraf dies auch die unterschiedliche Behandlung zahlender und nicht zahlender Mitglieder insbesondere bezüglich der Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Profile oder etwa das Anbieten spezieller Serviceleistungen für zahlende Mitglieder, wie zum Beispiel die professionelle Hilfestellung beim Verfassen von Texten.
Das LG Bonn hatte der Klage stattgegeben. Im dagegen gerichteten Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln bestätigte dieses zwar, dass die beiden Ärzte im Jahr der Klageerhebung einen Anspruch auf Löschung der Profile hatten – Grund war damals die Möglichkeit des Missbrauchs der Plattform durch die Anzeigenschaltung konkurrierender Ärztinnen und Ärzte auf dem Profil. Allerdings wurde der Antrag, die Wiederaufnahme in das Portal zu unterlassen, abgewiesen. Zur Begründung führte das OLG aus, dass sich die Zulässigkeit der Aufnahme von Ärztinnen und Ärzten in Bewertungsportale nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO richte. Hiernach ist eine Datenverarbeitung nur rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten und ihrer Nutzerinnen und Nutzer erfolgt. Deren und die Interessen der Beklagten müssen dabei weiterhin gegenüber den Interessen der klagenden Ärztinnen oder Ärzte überwiegen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) schloss sich in seinem Urteil der bisherigen Rechtsprechung an. Er betonte noch einmal, dass der Auftritt des Bewertungsportals Jameda in neutraler Form durchaus gesellschaftlich erwünscht sei. Wie bereits das OLG sprach sich auch der BGH für eine einzelfallorientierte Interessenabwägung anhand der Grundsätze des BGH-Urteils vom 20. Februar 2018 (Az.: VI ZR 30/17) aus. Hiernach erfüllt das Portal der Beklagten eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion, solange Jameda ihre Stellung als neutrale Informationsmittlerin wahrt und ihren eigenen Kundinnen und Kunden keine Vorteile verschafft, die mit Gewinnerzielungsabsicht verdeckt sind. Der BGH betonte allerdings auch, dass es keinen generellen Anspruch auf Gleichbehandlung zwischen zahlenden und nicht zahlenden Mitgliedern gebe. Maßgeblich sei stets der Einzelfall. Die Entscheidungsgründe werden zu einem späteren Zeitpunkt erwartet.
Nachdem Jameda die Anzeigen konkurrierender Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Hinweise auf zahlende Mitglieder von den Profilen der nicht zahlenden Mitglieder entfernt hatte, erfüllt die Plattform nunmehr ihre Stellung als neutrale Informationsmittlerin. Auch ist jetzt durch eine entsprechende Anzeige auf dem Profil für alle Nutzerinnen und Nutzer ersichtlich, welche Mitglieder für den Service der Plattform zahlen und wer lediglich in einem Basisprofil gelistet ist.
Schlechte Bewertungen
Bei einer ungerechtfertigten Bewertung sind Ärztinnen und Ärzte jedoch nicht der Willkür der Bewertenden ausgeliefert. Zunächst können sie bei Jameda selbst eine Löschung beantragen. Hierdurch wird ein interner Prüfungsprozess bei der Plattform eingeleitet. Ergibt dieser Prüfprozess, dass tatsächlich eine ungerechtfertigte Bewertung vorliegt, wird das Portal die Bewertung dauerhaft nach zuvor erfolgter Stellungnahme der Verfasserin oder des Verfassers entfernen. Wichtig ist bei der Beantragung der Löschung, dass möglichst ausführlich begründet wird, warum es sich um eine ungerechtfertigte Bewertung handelt. Enthält die Bewertung Unwahrheiten oder gar Beleidigungen, so sollte dies in der Begründung angeführt werden.
Weiterhin haben Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit, Jameda eine Abmahnung zu schicken und zur Unterlassung der Veröffentlichung aufzufordern, sobald sie die Plattform über die ungerechtfertigte Bewertung informiert haben. Außerdem können sie direkt gegen die bewertende Person vorgehen, sofern sie diese identifizieren können. Die oder der Betroffene kann dann zunächst aufgefordert werden, die ungerechtfertigte Bewertung zurückzunehmen. Im Falle einer Rufschädigung durch eine ungerechtfertigte Bewertung kann die oder der Geschädigte sogar Schadensersatzansprüche geltend machen.
Ärztliche Schweigepflicht bleibt
Allerdings sollten Ärztinnen und Ärzte versuchen, nicht direkt und öffentlich auf Jameda auf Bewertungen zu reagieren. Hier droht in vielen Fällen eine Verletzung der Schweigepflicht gemäß § 203 StGB. Denn wenn Betroffene versuchen, einen unrichtig dargestellten Sachverhalt richtigzustellen, müssen sie zwangsläufig Tatsachen äußern, die nach größter Wahrscheinlichkeit der ärztlichen Schweigepflicht unterfallen. Bei Unsicherheiten oder einer komplexeren Sachlage empfiehlt sich in jedem Fall die Einholung eines juristischen Rats, um die weitere Vorgehensweise zu planen.
Generell bleibt der BGH mit dem Urteil hinter den Wünschen einiger Ärztinnen und Ärzte zurück, selbst entscheiden zu dürfen, ob man sich einer Bewertung unterwirft oder nicht. Allerdings wurde insgesamt ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen der Ärzteschaft und denen der Allgemeinheit geschaffen. Es ist kein Geheimnis, dass Jameda auch von der Entscheidung profitiert, jedoch wurden der Plattform auch strengere Grenzen für zukünftige Geschäftsmodelle gesetzt. Prof. Dr. jur. Bernd Halbe
FA für Medizinrecht
www.medizin-recht.com
Bewertung des Urteils
Der Bundesgerichtshof (BGH) folgt mit seinem Urteil der bisherigen Rechtsprechung zu dieser Materie. Weiterhin betont der BGH erneut, dass Jameda grundsätzlich eine gesellschaftlich erwünschte Funktion erfülle und er die Existenz eines solchen Portals grundsätzlich begrüße. Der Gewinn für die Gesellschaft liegt vor allem darin, dass den Nutzerinnen und Nutzern durch eine neutrale Informationsinstanz die gewünschte Auskunft schnell und bedienungsfreundlich verfügbar gemacht wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Ärztinnen und Ärzte grundsätzlich ihre Auflistung auf dem Jameda-Bewertungsportal dulden müssen. An dieser Stelle überwiegt aus Sicht des BGH das öffentliche Interesse an der freien Arztwahl das Interesse der Ärztin/des Arztes daran, nicht gelistet zu werden. Dies gilt allerdings nur solange und soweit Jameda keine missbräuchlichen Funktionen in sein Angebot aufnimmt. Insgesamt gilt es jedoch, die Situation immer einzelfallbezogen zu betrachten. Der BGH führte zudem aus, dass es keinen generellen Anspruch auf Gleichbehandlung zahlender und nicht zahlender Mitglieder gebe.
Das Urteil bedeutet indes keinesfalls, dass Ärztinnen und Ärzte eine schlechte Bewertung, die nicht der Wahrheit entspricht, hinnehmen müssen. War die Patientin oder der Patient beispielsweise gar nicht bei der betreffenden Person in Behandlung oder ist ihr/sein Besuch dort mehr als vier Jahre her, stehen den Ärztinnen und Ärzten einige Instrumentarien der Rechtsordnung zu, um sich gegen diese Bewertung zu wehren und zu schützen. Es gilt also: Niemand muss unwahre Behauptungen und/oder unsachliche Bewertungen dulden.