ArchivDeutsches Ärzteblatt51-52/2021Tumorerkrankungen im Kindesalter: SARS-CoV-2-Infektionen verlaufen häufiger tödlich als bei Kindern ohne Malignom

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Tumorerkrankungen im Kindesalter: SARS-CoV-2-Infektionen verlaufen häufiger tödlich als bei Kindern ohne Malignom

Meyer, Rüdiger

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Foto: Photographee.eu/stock.adobe.com
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Erwachsene Krebspatienten gehören zu den Personengruppen mit erhöhtem Risiko durch COVID-19, besonders nach Transplantation hämatopoetischer Stammzellen (HSCT). Weniger klar war bisher das Risiko für pädiatrische Tumorpatienten.

Gabrielle Haeusler vom Peter MacCallum Cancer Centre in Melbourne und Kollegen haben die Erfahrungen von 21 Kliniken aus 10 Ländern, darunter die deutschen Zentren in Frankfurt, Freiburg und Münster, zusammengefasst. Von den dort betreuten Kindern hatten sich 131 mit SARS-CoV-2 infiziert, 108 Patienten befanden sich in einer aktiven Behandlung, die anderen 23 hatten sie bereits abgeschlossen. Die meisten (60 %) waren an Leukämien oder Lymphomen erkrankt, die übrigen an soliden Tumoren (37 %) oder einer angeborenen Immunschwäche, die mit einer HSCT (4 %) behandelt worden war. Die meisten Kinder (85 %) hatten sich außerhalb der Klinik mit SARS-CoV-2 angesteckt, bei etwa der Hälfte (44 %) waren weitere Erkrankungen in der Familie bekannt. Von der Infektion bis zum Beginn der Symptome vergingen durchschnittlich 5 Tage. Danach waren die Viren über median 16 Tage nachweisbar. Bei einem Patient dauerte die Infektion 79 Tage. Insgesamt 89 Kinder entwickelten Symptome, am häufigsten Fieber (71 %), Husten (47 %) und Schnupfen (29 %).

Insgesamt 49 Kinder (37 %) wurden wegen COVID-19 stationär behandelt, median für 9,3 Tage. 15 Kinder (11 % der Gesamtgruppe) mussten intensivmedizinisch betreut werden, 10 wurden maschinell beatmet. 5 Kinder starben, darunter 4 (3 %) an den Folgen von COVID-19 (keines aus Deutschland).

Überraschenderweise befand sich von den 4 an COVID-19 gestorbenen Kindern nur eines in aktiver Behandlung (1 % von 108 aktiv Behandelten). Die anderen 3 hatten ihre Krebsbehandlung bereits abgeschlossen (13 % von 23 mit abgeschlossener Behandlung).

Die wichtigsten Risikofaktoren für einen schweren Verlauf waren Begleiterkrankungen (Odds Ratio [OR]: 2,94; [95-%-Konfidenzintervall] [1,81; 5,21], OR bei Koinfektionen: 1,74 [1,03; 3,03]) und eine schwere Neutropenie zu Studienbeginn (OR: 1,82 [1,13; 3,09]).

Fazit: Während gesunde Kinder bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 selten schwer erkranken, kann es bei krebskranken Kindern zu Komplikationen und Todesfällen kommen, wie eine internationale Studie mit deutscher Beteiligung belegt. Die Gefahr für die Kinder war mit dem Ende der Krebsbehandlung noch nicht vorüber.

Für Prof. Dr. med. Thomas Lehrnbecher von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Frankfurt, der an der Studie beteiligt war, werfen die Ergebnisse neue Fragen auf, zum Beispiel nach einer Unterbrechung einer Chemotherapie, die den Schweregrad der COVID-19-Erkrankung beeinflusst haben könnte. Auch zur Einschätzung von Isolationsbeschränkungen und Handlungsempfehlungen für Kontaktpersonen könnten die Studienergebnisse beitragen. Besondere Vorsicht sei bei immunsupprimierten Patienten geboten, da das Virus bei ihnen über bis zu 3 Monate nachgewiesen werden konnte.

Angesichts der häufigen Ansteckung im häuslichen Bereich sollten besonders auch Familienangehörige von krebskranken Kindern gegen SARS-CoV-2 geimpft werden und die pädiatrischen Patienten selbst. Rüdiger Meyer

Haeusler GM, Ammann RA, Carlesse F, et al.: SARS-CoV-2 in children with cancer or after haematopoietic stem cell transplant: An analysis of 131 patients*. European Journal of Cancer 2021; 159: 78e86.

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