ArchivDeutsches Ärzteblatt51-52/2021Antifibrose mit Nintedanib: Lungenschädigung bei Rheuma

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Antifibrose mit Nintedanib: Lungenschädigung bei Rheuma

Zart, Rüdiger

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Rheuma wird nur selten mit Einschränkungen der Lungenfunktion assoziiert, dabei zählen interstitielle Lungenerkrankungen zu den häufigsten Komplikationen bei rheumatischen Erkrankungen. Antifibrotische Wirkstoffe können jedoch die Funktionseinbußen der Lunge aufhalten.

Die klinische Relevanz einer Lungenbeteiligung bei rheumatoider Arthritis (RA) oder systemischer Sklerose (SSc) wird häufig unterschätzt. Bereits zum Zeitpunkt der Diagnose und in regelmäßigen Abständen während des Krankheitsverlaufs sollten die Patienten nach pulmonalen Symptomen befragt und die Lunge klinisch untersucht werden. Zu wissen, ob bei einem Rheumapatienten eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD) besteht, ist bedeutsam. Denn eine frühe Diagnose und Therapie in einem interdisziplinären Setting ist entscheidend für das bestmögliche Behandlungsergebnis und die Prognose der Patienten.

Vor der Einleitung einer medikamentösen Basistherapie ist eine Röntgenaufnahme des Thorax obligatorisch. Bei klinischen oder radiologischen Auffälligkeiten kommen zur weiteren Diagnostik eine Lungenfunktionsprüfung und je nach Befund eine hochauflösende Computertomografie (HRCT) des Thorax in Betracht. Patienten mit Lungenbeteiligung sollten stets in interdisziplinärer Zusammenarbeit betreut werden, so das einhellige Credo der Experten eines Satellitensymposiums anlässlich des 49. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh).

Bis zu 40 % der SSc-Patienten entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine klinisch relevante ILD. In der HRCT-Untersuchung finden sich bei bis zu 80 % Hinweise für einen fibrotischen Umbau von interstitiellem Lungengewebe. Ist die Lunge beteiligt, reduziert sich das 10-Jahres-Überleben von 82 % auf 69 %. Die SSc-ILD ist damit eine der Haupttodesursachen bei SSc-Patienten und für rund ein Drittel aller Todesfälle verantwortlich.

Da 50 % der Organbeteiligungen in den ersten beiden Jahren auftreten, sollte bereits bei Diagnosestellung ein HRCT veranlasst werden. Risikofaktoren für eine schnelle Progression der SSc-ILD sind neben männlichem Geschlecht, höherem Alter bei Krankheitsbeginn, kürzerer Krankheitsdauer, Anti-Topoisomerase-I-Antikörpern, diffus kutanem Subtyp und progredienter Hautfibrose auch eine fehlende Überweisung an ein interdisziplinäres Behandlungszentrum.

Lunge und rheumatoide Arthritis

Die Bezeichnung progrediente fibrosierende interstitielle Lungenerkrankungen (PF-ILD) steht für einen Phänotyp von chronischen Lungenfibrosen, der unabhängig von der Grunderkrankung auf einem gemeinsamen pathophysiologischen Krankheitsverlauf beruht. Bei der rheumatoiden Arthritis entwickelt sich bei etwa 10 % der Patienten eine ILD, die in bis zu 40 % der Fälle progredient (PF-ILD) ist.

Interstitielle Lungenveränderungen sind für 10–20 % der Todesfälle bei RA-Patienten verantwortlich. Da der Verlauf schleichend, variabel und in vielen Fällen unvorhersehbar ist, wird empfohlen, RA-Patienten mit Lungenbeteiligung proaktiv und regelmäßig auf ein Fortschreiten der Fibrosierung zu untersuchen und bei Verdacht auf eine Progression einen HRCT der Lunge durchzuführen. Auch akute Exazerbationen können den Verlauf der Erkrankung dramatisch verschlechtern und haben erhebliche Auswirkungen auf die Prognose.

Neben der immunsuppressiven Behandlung existiert seit einigen Jahren mit den antifibrotischen Wirkstoffen eine neue, vielversprechende Therapieoption. Nintedanib (Ofev®, Boehringer Ingelheim) ist ein Tyrosinkinaseinhibitor, der VEGF-Rezeptoren (VEGFR), den Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF) und den Platelet-derived growth factor (PDGF) hemmt und seit Januar 2015 bei Erwachsenen mit idiopathischer Lungenfibrose (IIP) eingesetzt wird. Seit April 2020 ist Nintedanib auch bei Erwachsenen mit SSc-ILD und seit Juli 2020 bei Erwachsenen mit chronischer PF-ILD anderer Ursache zugelassen.

In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten SENSCIS-Studie mit 576 SSc-Patienten mit gesicherter Lungenfibrose wurde gezeigt, dass Nintedanib den Verlust der Lungenfunktion (gemessen anhand der forcierten Vitalkapazität, FVC) über 52 Wochen um 44 % reduziert, gegenüber Placebo also nahezu halbiert.

FVC-Rückgang gemindert

Die Phase-3-Studie INBUILD untersuchte 663 ILD-Patienten, unabhängig von ihrer Grunderkrankung. Die beiden wichtigsten Einschlusskriterien waren eine HRCT-gesicherte Lungenfibrose von mindestens 10 % und ein progredienter Verlauf (PF-ILD). Bei Patienten mit PF-ILD war der jährliche Rückgang der FVC bei Patienten, die Nintedanib erhielten, um 57 % geringer als bei Patienten, die Placebo erhielten.

Das beobachtete Nebenwirkungsprofil von Nintedanib ähnelte demjenigen, das bei IIP-Patienten beobachtet wurde; gastrointestinale Nebenwirkungen, einschließlich Diarrhoe, traten unter Nintedanib häufiger auf als unter Placebo. Rüdiger Zart

Quelle: Satellitensymposium „Rheuma und Lunge – interdisziplinär mehr erreichen“, 16. September 2021; Veranstalter: Boehringer Ingelheim

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