

Man stelle sich ein Unternehmen vor, in dem die neue Geschäftsführung (Regierung) zum Jahresende ankündigt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wegen ihres großen Engagements in der Pandemie eine Coronaprämie bekommen sollen. Die Angestellten freuen sich, fühlen sich anerkannt und werden motiviert. Die neue Geschäftsführung hat schon mal einen guten Start.
Dann aber der Haken: Nach ein paar Wochen und immer noch nicht ausgezahlter Prämie hört man zu Jahresbeginn vom verantwortlichen Personalchef (Karl Lauterbach), man müsse noch genau überlegen, wer denn genau die Prämie verdient habe. Und der Geschäftsführer (Olaf Scholz) ergänzt in der Mitarbeiterversammlung, man müsse dies wirklich sorgfältig abwägen. Zudem weist man darauf hin, dass diejenigen, die in kleineren Betriebseinheiten arbeiten, trotz der Bitte des Betriebsrates keine Prämie erhalten. Schließlich müsse man die „Stabilität des gesamten Systems“ im Blick behalten, sodass nicht alles, was gegebenenfalls „wünschenswert wäre, umgesetzt werden kann“.
Diese letzten Sätze sind Originalzitate der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar (SPD), aus einer Antwort auf eine schriftliche Frage des CSU-Bundestagsabgeordneten Stephan Pilsinger, ob denn auch Medizinische Fachangestellte einen Coronabonus erhalten werden.
Dass dadurch der Betriebsfrieden in dem genannten Unternehmen auf eine harte Probe gestellt wird und man die Mitarbeitenden durch solche Aussagen mit einem Schlag demotiviert, ist offensichtlich. Aber genau das macht die Regierung aktuell bei den Gesundheitsberufen. Sie kann sich trotz Ankündigung im Koalitionsvertrag immer noch nicht entscheiden, an wen genau der Pflegebonus ausgezahlt wird. Vertrauen sieht anders aus.
Dass zudem in der gesamten Prämiendiskussion die Medizinischen Fachangestellten (MFA) so gut wie keine Rolle spielten und nun in der oben genannten Antwort derart abgekanzelt werden, was eine mögliche Anerkennung betrifft, ist bitter. Denn wer hat bereits in der ersten Pandemiewelle ungeschützt die infektiösen Patientinnen und Patienten in den Arzt- und Zahnarztpraxen in Empfang genommen? Und ohne die engagierte Arbeit der MFA wäre der bisherige Erfolg der Impfkampagne in Haus- und Facharztpraxen nicht möglich.
Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels kann man nicht wochenlang überlegen, wer es „würdig“ ist, in den Genuss eines Bonus zu gelangen. Erst recht kann man nicht eine ganze Berufsgruppe ausschließen und noch nicht mal versuchen, ein Modell der Anerkennung zu diskutieren. „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder erhalten Anfang 2022 eine Sonderzahlung von 1 300 Euro.“ Dieses Ergebnis der Tarifverhandlungen Ende vergangenen Jahres muss so in den Ohren der MFA wie Hohn klingen.
Wo man allerdings dem „Geschäftsführer Scholz“ sprich Bundeskanzler uneingeschränkt recht geben muss, ist seine Mahnung im Bundestag, ein Bonus als Einzelaktion reiche nicht aus.
Eine Einmalzahlung hier oder da und schöne Worte sind in der Tat viel zu wenig. Will man langfristig gute und engagierte Fachkräfte im Gesundheitswesen haben und halten, zudem neue gewinnen, muss man dauerhaft bessere Arbeitsbedingungen schaffen und die Vergütung erhöhen.
Michael Schmedt
Chefredakteur
Mussler, Michael B.
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