

Alles schon mal da gewesen: Vor 70 Jahren waren die deutschen Kurorte, ganz ähnlich wie heute, in
einer wirtschaftlichen Krise. Die Seebäder schlossen sich daher 1930 zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen,
um mit einer drastischen Maßnahme Abhilfe zu schaffen: Das Verbot des Glücksspiels in den Bädern müsse aus
dem Reichskurortgesetz verschwinden. Die Kur-Manager setzten, neudeutsch formuliert, schon damals auf den
"fun factor". Von Spielbanken versprach man sich mehr touristische Attraktivität und einen Zustrom frischen
Geldes in die gebeutelten Orte.
"Das darf nie erlaubt werden", appellierte der Satiriker und Kommentator Kurt Tucholsky. Denn "man mag nicht
an einem Ort, wo sich der Städter von elf Monaten Staub und Arbeit erholt, diese Schieber des Spiels
versammelt sehen, die überall auftauchen, wo gespielt wird". Tucholsky fürchtete vor allem auch einen rasanten
Preisanstieg in den Kurorten, denn "wer sich Geld erspielt und nicht erarbeitet, achtet es nicht". Gewinnen
würden nur die Banken, warnte der Autor. Außerdem wäre es "eine geradezu gemeine Aufreizung, wenn unsere
Arbeitslosen in der jetzigen Zeit mitansehen müssten, wie die Leute ihr Geld verspielen".
Im Jahr 2000, angesichts von Dutzenden Spielbanken und Casinos in Kurorten, ein längst überholtes HorrorSzenario? Nicht ganz, denn der Mahner Tucholsky findet selbst unter höchsten Kur-Funktionären offene Ohren.
Professor Dr. med. Manfred Steinbach, Präsident des Deutschen Heilbäderverbandes (DHV), würde
"Spielbanken nicht auf die Liste der Einrichtungen setzen, die wir in Kurorten benötigen". Zwar wolle der DHV
das seiner medizinischen Qualität verpflichtete Kurwesen behutsam für Touristik- und Freizeit-Industrie öffnen,
aber irgendwo sei eine Grenze. Für Steinbach liegt sie derzeit bei "Damenringen im Heilmoor und Motocross im
Kurpark". OD
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