ArchivDeutsches Ärzteblatt9/2022Digitalisierung im Krankenhaus: Deutschland holt auf

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Digitalisierung im Krankenhaus: Deutschland holt auf

Osterloh, Falk

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Telehealth ist einer der Bereiche, der mit Geld aus dem Krankenhauszukunftsfonds gefördert werden kann. Foto: picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow
Telehealth ist einer der Bereiche, der mit Geld aus dem Krankenhauszukunftsfonds gefördert werden kann. Foto: picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow

Lange Zeit war Deutschland im Hinblick auf die Digitalisierung im Krankenhaus schlecht aufgestellt. Eine Erhebung des digitalen Reifegrads der Krankenhäuser zeigt nun, dass Deutschland im internationalen Vergleich Boden gutgemacht hat. Der Krankenhauszukunftsfonds soll nun den weiteren Ausbau befördern.

Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) haben Union und SPD im Jahr 2020 ein milliardenschweres Förderprogramm auf den Weg gebracht, um die Krankenhäuser beim Ausbau ihrer digitalen Strukturen zu unterstützen. Eine Förderung ist laut KHZG jedoch nur möglich, wenn die Krankenhäuser zuvor ihren digitalen Reifegrad in einer Selbsteinschätzung darstellen. Dafür bewerteten die Krankenhäuser ihre digitalen Fähigkeiten und Kompetenzen in einer Online-Erhebung, an der sich 1 616 Häuser – und damit 91 Prozent aller Plankrankenhäuser – zwischen Oktober und Dezember 2021 beteiligten. Die Daten wurden von dem Konsortium Digitalradar ausgewertet.

Unterschiedliche Prioritäten

Das durchschnittliche Ergebnis des Digitalradar-Scores der Krankenhäuser liegt bei 33,25 von 100 möglichen Punkten, wobei die Ergebnisse dem Konsortium zufolge breit streuen und sich je nach Trägerschaft und Größe der Krankenhäuser unterscheiden. Der niedrigste Punktwert liegt bei 3,27 Punkten, der höchste erreichte Punktwert liegt bei 63,87 Punkten. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Krankenhäuser unterschiedlich weit auf dem Weg zur Digitalisierung sind und dabei Prioritäten verschieden setzen“, erklärte der stellvertretende Leiter des Projekts, Prof. Dr. Alexander Geissler von der Universität St. Gallen, vor Kurzem bei der Präsentation der Ergebnisse.

Für die Analyse wurden die möglichen Förderbereiche in sieben Dimensionen unterteilt. Dabei schneiden die Krankenhäuser in der Dimension „Strukturen und Systeme“ am besten ab. Hier lag der Anteil der durchschnittlich erreichten Punkte bei 55 Prozent. In der Dimension „Resilienz-Management und Performanz“ lag der Anteil bei 45 Prozent, in der Dimension „Organisatorische Steuerung und Datenmanagement“ bei 41 Prozent, in der Dimension „Klinische Prozesse“ bei 39 Prozent, in der Dimension „Informationsaustausch“ bei 25 Prozent, in der Dimension „Telehealth“ bei 18 Prozent und in der Dimension „Patientenpartizipation“ bei fünf Prozent.

Die Daten aus Deutschland wurden mit den Daten des international gebräuchlichen Scores „Electronic Medical Record Adoption Model“ (EMRAM) verglichen, bei dem der Digitalisierungsgrad auf einer Skala von 0 bis 7 dargestellt wird. „Die Ergebnisse zeigen, dass Krankenhäuser in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern wesentliche Fortschritte gemacht haben und nun gut positioniert sind, um die digitale Reife in vorrangigen Bereichen wie Interoperabilität und Patientenpartizipation voranzutreiben“, erklärte die Projektleiterin Prof. Dr. med. Sylvia Thun vom Berlin Institute of Health.

Umfangreiches Benchmark

Um die Ergebnisse des Digitalradars für die Krankenhäuser nutzbar zu machen, hat das Konsortium ein Dashboard entwickelt, das den Krankenhäusern seit dem 11. Februar zur Verfügung steht. Damit können den Daten gegliedert nach Digitalradar-Dimensionen, KHZG-Fördertatbeständen und klinikinternen Prozessen ausgewertet werden.

„Die erste Digitalradar-Reifegraderhebung kommt einer nationalen Bestandsaufnahme gleich“, erklärt das Konsortium. „Weltweit gab es nie zuvor ein so umfangreiches, einheitliches Benchmarking mit dem konkreten Ziel, die Digitalisierung der Krankenhauslandschaft eines Landes zu vermessen und daraus Bedarfe zur Verbesserung der Versorgung abzuleiten.“ Dem Bundesgesundheitsministerium zufolge haben die Krankenhäuser allein in den Fördertatbeständen „Digitale Dokumentation“ und „Patientenportale“ bislang jeweils über 1 000 Förderanträge gestellt.

Projektpartner des Konsortiums sind die Healthcare Information and Management Systems Society (HIMSS) Europe, das Institut für angewandte Versorgungsforschung, das Beratungsunternehmen Lohfert & Lohfert, das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und die Universität St. Gallen. Falk Osterloh

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