

Die Diskussion um die Qualität der medizinischen Versorgung in der Onkologie anlässlich des
deutschen Krebskongresses spiegelt seit langem bekannte Mängel der patientenorientierten klinischen Forschung
wider. In vielen Publikationen stechen eklatante Unsicherheiten bezüglich des Gewinns und der Umsetzung
neuer Erkenntnisse ins Auge. Obwohl die Anforderungen in vielfacher Form international publiziert sind, kann
man von einer entwickelten Kultur für die Planung und Durchführung von aussagekräftigen klinischen Studien
sowie der Präsentation, Verbreitung und Umsetzung der Ergebnisse auf einem State-of-the-art-Niveau nicht
sprechen.
Die fehlende klare Unterscheidung von Surrogatparametern und klinisch relevanten Outcomes behindert den für
Patienten bedeutsamen Fortschritt ebenso wie die auf Einzelfallbeobachtungen beruhenden Erwartungen in den
Erfolg neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren. Die gegenwärtigen Diskussionen um das
Mammographie-Screening sowie um die Hochdosis-Chemotherapie beim Mammakarzinom belegen die
Konfusion, die bezüglich der Interpretation von vorhandenen Daten oft besteht. Beide Beispiele zeigen, wie
Glaube und A-priori-Einschätzung die notwendigen Untersuchungen in Studien beeinflussen.
Der Einschluss von Patientinnen in randomisierte Studien zur Hochdosis-Chemotherapie wurde jahrelang
behindert durch den voreiligen, wissenschaftlich unbegründeten Glauben an die Wirksamkeit der Therapie
aufgrund positiver Berichte nichtrandomisierter, stark selektierter Fallserien. Die teilweise zu frühe Publikation
noch nicht abgesicherter negativer Ergebnisse randomisierter Studien und die kürzliche Erkenntnis, dass das
bislang einzige - aus einer randomisierten Studie stammende - positive Resultat gefälscht ist, behindern nun
den Einschluss von Patientinnen in randomisierte Studien durch den ebenfalls voreiligen wissenschaftlich
unbegründeten Glauben an die fehlende Wirksamkeit der Therapie.
Dieses Dilemma kann nur gelöst werden, indem nicht als wirksam belegte Verfahren konsequent und
ausschließlich in klinischen Studien angewendet werden, die die heutigen Qualitätsanforderungen bezüglich
Kontrollgruppe, Randomisierung und Verblindung im Rahmen der gegebenen Bedingungen voll ausschöpfen.
Dies ist der direkte Weg vom "Hinweis auf Wirksamkeit" zum "Beleg von Wirksamkeit".
Dr. rer. nat. Gerd Antes