MEDIZIN: Der klinische Schnappschuss
Dünne Rippen in der Thoraxübersichtsaufnahme – richtungsweisend für die Diagnose kongenitale myotone Dystrophie
Thin ribs on chest X-ray—a sign pointing the way to the diagnosis of congenital myotonic dystrophy
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klinischeR schnappschuss
Die Entbindung eines term-eutrophen Neugeborenen erfolgte bei pränatal bestehendem Polyhydramnion von einer subjektiv beschwerdefreien Erstgravida. Das Neugeborene musste bei ausgeprägter Atemnot intubiert und beatmet auf die Intensivstation übernommen werden. Die Beatmung war für sechs Tage notwendig. Zusätzlich bestanden eine deutliche muskuläre Hypotonie („floppy infant“) und eine ausgeprägte Trinkschwäche mit prolongierter Nahrungssondenentwöhnung über sechs Wochen. Zudem zeigten sich in einer Thoraxübersichtsaufnahme grazile dünne Rippen (Abbildung), sodass der Verdacht auf eine (neuro-)muskuläre Erkrankung bestand. Bei bereits auffälliger Facies zeigte sich bei der Kindsmutter in der klinischen Untersuchung eine Greifmyotonie während des Händedrucks. Dies erhärtete den Verdacht auf eine kongenitale myotone Dystrophie Typ 1 (DM1) des Neugeborenen. Der autosomal-dominant vererbten kongenitalen DM1 liegt eine CTG-Repeat-Expansion des DMPK-Gens („dystrophia myotonica proteinkinase“) auf Chromosom 19q13.32 zugrunde. Die molekulargenetische Untersuchung des Säuglings zeigte eine pathologische Expansion (≥ 1 000 CTG-Einheiten), die die Verdachtsdiagnose bestätigte. Bei syndromaler Erkrankung erfolgte die Anbindung des Kindes in ein sozialpädiatrisches Zentrum.
Jana Hiekel, Dr. med. Maxi Kaufmann, PD Dr. med. Jürgen Dinger, Fachbereich Neonatologie, Klinik und Poliklinik für Kinder und Jugendmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, TU Dresden; Maxi.Kaufmann@uniklinikum-dresden.de
Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Zitierweise: Hiekel J, Kaufmann M, Dinger J: Thin ribs on chest X-ray—a sign pointing the way to the diagnosis of congenital myotonic dystrophy. Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 305. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0029
►Vergrößerte Abbildung und englische Übersetzung unter: www.aerzteblatt.de
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