ArchivDeutsches Ärzteblatt18/2022Schlaganfall: Endovaskuläre Thrombektomie ist auch bei größeren Schlaganfällen erfolgreich

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Schlaganfall: Endovaskuläre Thrombektomie ist auch bei größeren Schlaganfällen erfolgreich

Meyer, Rüdiger

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Foto: Science Photo Library/FERNANDO DA CUNHA
Foto: Science Photo Library/FERNANDO DA CUNHA

Die Entfernung eines Thrombus in der Hirnarterie mit einem von der Leiste vorgeschobenen Katheter wird in Leitlinien bisher nur für kleinere ischämische Schlaganfälle empfohlen, und zwar bei einem ASPECTS (Alberta Stroke Program Early Computed Tomographic Score) ≥ 6 (0–10 Punkte; höhere Werte entsprechen geringeren Ausdehnungen der Läsion).

In der RESCUE-JAPAN-Studie wurde untersucht, ob die Indikation auf Schlaganfälle mit einem ASPECTS von 3–5 erweitert werden kann. 45 Zentren rekrutierten 203 Patienten. Bei 70 % konnte der ischämische Schlaganfall innerhalb von 6 Stunden nach Symptombeginn mit MRT, seltener auch mit einem CT, diagnostiziert werden. Bei den übrigen Patienten lag der Schlaganfall 6–24 Stunden zurück. Die Ärzte waren aber aufgrund der Bildgebung überzeugt, dass eine Behandlung Erfolg haben könnte. Der ASPECTS lag bei der Hälfte der Patienten bei 3, dies zeigt eine Unterbrechung des Blutflusses in 7–10 Hirnarealen an.

Alle Schlaganfälle waren schwer (medianer NIHSS [National Institutes of Health Stroke Scale]: 22). Der NIHSS bewertet normale Funktionen wie Sprechen und Bewegungen mit 0–42 Punkten, je höher der Wert, desto schlechter der Zustand.

Die Teilnehmer erhielten dieselbe medikamentöse Therapie, 27 % zusätzlich Alteplase zur Fibrinolyse. Bei den Übrigen wurde die Alteplasegabe wegen potenzieller Hirnblutungen als zu riskant bewertet.

Bei der Hälfte der Patienten wurde zusätzlich eine Thrombektomie mit Katheter versucht, in der Hoffnung, den Grad der Behinderungen zu begrenzen. Primärer Endpunkt war ein Wert auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS) von 0–3 nach 90 Tagen (mRS: 0–6: keine größere Behinderung). Bei mRS 3 können die Patienten ohne Hilfe gehen.

In der Gruppe mit endovaskulärer Therapie erreichten 31,0 % der Patienten den primären Endpunkt mRS 0–3 vs. 12,7 % in der Gruppe mit ausschließlicher Arzneimitteltherapie. Das relative Risiko (RR) war mit 2,43 statistisch hoch signifikant unterschiedlich (95-%-Konfidenzintervall [1,35; 4,37]).

Eine mRS von 0–2, in dieser kommen die Betroffenen ohne fremde Hilfe aus, erzielten 14 % vs. 7 % (RR: 2,04 [0,86; 4,84]). Immerhin 5,0 % vs. 2,9 % erreichten eine mRS von 0–1, also keine Einschränkungen im Alltag (RR: 1,70 [0,42; 6,93]). Eine Verbesserung um mindestens 8 Punkte im NIHSS erreichten 31,0 % vs. 8,8 % der Patienten (RR: 3,51 [1,76; 7,00]).

Nachteil der Katheterbehandlung war eine erhöhte Rate von intrazerebralen Blutungen bei 58,0 % der Patienten vs. 31,4 % in der Vergleichsgruppe (RR: 1,85 [1,3; 2,58]). Die meisten Blutungen waren jedoch asymptomatisch und wurden nur in der Bildgebung festgestellt. Der Anstieg symptomatischer Hirnblutungen (9 % vs. 4,9 %) erreichte keine Signifikanz (RR: 1,84 [0,64; 5,29]).

Fazit: Eine große, randomisierte Studie belegt erstmals, dass eine endovaskuläre Therapie auch bei großen Schlaganfällen Behinderungen vermeiden kann. Allerdings erfolge eine Schlaganfalldiagnostik in westlichen Ländern häufiger per CT als mit MRT, so die American Heart Association. Die Ergebnisse der Bildgebungen könnten sich unterscheiden. Auch sei zu bedenken, dass der Erfolg der endovaskulären Therapie wesentlich von der Erfahrung des Arztes abhänge. Dennoch könne die Studie Anreiz sein, das Verfahren bei größeren Schlaganfällen zu erproben. Rüdiger Meyer

Yoshimura S, Sakai N, Yamagami H, et al.: Endovascular therapy for acute stroke with a large ischemic region. N Engl J Med 2022; 386: 1303–13.

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