

Im Herbst beginnt der Tausch der ersten Konnektoren zur Verbindung mit der Telematikinfrastruktur (TI). Viel Halbwissen ist im Umlauf, Hersteller berichten von verunsicherten Ärzten. Obwohl die Finanzierung noch nicht geklärt ist, beteuern sie aber unisono, dass es keinen Grund zur Sorge gibt.
Voraussichtlich im Oktober müssen die ersten Arztpraxen ihre TI-Konnektoren austauschen lassen, weil deren Sicherheitszertifikate nach fünf Jahren plangemäß ablaufen. Theoretisch wäre es nicht unbedingt notwendig, die kleinen weißen Kästen komplett auszuwechseln, denn ein Verfahren zur digitalen Verlängerung der Zertifikate wäre technisch möglich. 2020 hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) deshalb noch versucht, einen physischen Austausch der Konnektoren zu verhindern. Die gematik arbeitete dazu an „verschiedenen technischen Lösungen“, antwortete das damals CDU-geführte Haus auf eine Kleine Anfrage der Grünen.
Doch dazu kam es nicht. Ende Februar beschlossen die gematik-Gesellschafter auf Empfehlung der gematik, dass sie den Weg des Konnektortauschs als einzig verlässlich umsetzbare Lösung gehen. Konkret heißt es in der dazugehörigen Beschlussvorlage: „Auf Basis der Vorabstimmungen mit BMG, GKV-SV, KBV und KZBV empfiehlt die gematik einen Tausch der im Einsatz befindlichen Konnektoren bei Ablauf der gSMCK-Zertifikate und die Umsetzung des Highspeed-Konnektors als gesetzlich geforderte, skalierbare und performante Zugangslösung zur TI“.
Mit dem Ausfall von 80 000 Konnektoren aufgrund eines Konfigurationsfehlers bei einem Update im Mai 2020 habe die Entscheidung nichts zu tun gehabt, beteuert die mehrheitlich bundeseigene gematik. Das Schreckensszenario, das es zu vermeiden gilt, ähnelt dem damaligen Vorfall aber frappierend: Käme es bei der Verlängerung der Zertifikate mittels Fernwartung zu einem Fehler, könnten schlimmstenfalls Zehntausende Arztpraxen von der TI getrennt werden und damit in weiten Teilen handlungsunfähig sein. Schon das Versichertenstammdatenmanagement als Grundlage für die Abrechnung erbrachter Leistungen fiele dann nämlich aus, weitere TI-Anwendungen wie das E-Rezept ebenso.
Hinzu kommt, dass die Verlängerung der Zertifikate durch ein Update nur für zwei Jahre möglich gewesen wäre. Mehr ermöglicht das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nicht. Bis zur geplanten Einführung der TI 2.0, die im Wesentlichen ohne Konnektoren auskommen soll, könnte also eine Lücke bleiben – und dass sich Einführungstermine verschieben, war bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens bisher eher die Regel als die Ausnahme. „Die TI 2.0 hat heute einen Plantermin“, erklärt die gematik dazu. „Das Ende der Verschlüsselungsverfahren ist aber bereits festgesetzt. Sollte es in Zukunft zu Verzögerungen bei der TI 2.0 aus unbekannten Gründen kommen, wäre keine weitere Verlängerung möglich.“
So oder so wäre der physische Austausch mit einem Software-Update also höchstwahrscheinlich nur verschoben worden. Der Tausch blieb damit „als einzige verantwortungsvolle Möglichkeit“ übrig, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf Anfrage mitteilt. Also gehen die gematik und ihre Gesellschafter auf Nummer sicher: Ab dem Herbst dieses Jahres werden die Konnektoren nacheinander getauscht. Die drei Konnektorenhersteller Compugroup Medical (CGM), Secunet und Rise zeigen sich dabei demonstrativ gelassen: „Dass die Zertifikate fünf Jahre gültig sind, stand von Anfang an fest und ist von daher nichts Neues. Das liegt in der Kryptografie begründet und ist keine Entscheidung der Hersteller, sondern wird von ihnen nur gemäß den gematik-Spezifikationen umgesetzt“, sagt Markus Linnemann, Leiter der Division eHealth bei Secunet.
Die allermeisten Niedergelassenen müssen sich indes noch keine Gedanken machen: Nur rund 30 000 Konnektoren sollen noch in diesem Jahr getauscht werden, allesamt von CGM. „Wir waren 2017 die Ersten, die einen zertifizierten Konnektor auf den Markt gebracht haben, deshalb sind wir auch die Ersten, die mit dem Austausch beginnen“, erklärt das Unternehmen auf Anfrage. In der Zahl seien auch solche Konnektoren inbegriffen, deren Zertifikate erst im Januar oder Februar ablaufen, die aber schon im ersten Schwung mit getauscht werden sollen. Weitere rund 30 000 würden nacheinander in den Folgejahren getauscht. Angst vor möglichen Engpässen – der globale Mangel an Mikrochips aufgrund der Coronapandemie ist in aller Munde – müsse kein CGM-Kunde haben, betont das Unternehmen. Bereits im vergangenen Jahr habe es für Millionen Euro in zehntausende neue Konnektoren bezogen – die Lager seien jetzt schon voll, die Kästen müssten nur ausgeliefert und angeschlossen werden, was die Techniker dann in die Hand nähmen.
Praxen werden benachrichtigt
Aus Ärztesicht funktioniere das denkbar einfach: „Das Bestellportal für die neuen Konnektoren ist bereits online gegangen. Die betroffenen CGM-Kunden werden frühzeitig und proaktiv in einem mehrstufigen Kommunikationskonzept über die notwendigen Maßnahmen in der Praxis informiert“, erklärt CGM. „Unter anderem werden unsere Kunden, die ein CGM-Primärsystem einsetzen, mit einer Meldung sechs Monate vor Ablauf des Zertifikats auf die Restlaufzeit ihrer Konnektoren hingewiesen. Derzeit unterbreiten wir die ersten Angebote.“
Genau diese Angebote sind aber durchaus etwas heikel: Denn es gibt noch keine Finanzierungsvereinbarung zur Erstattung der neuen Konnektoren. Warten, bis sie steht, wollte CGM allerdings auch nicht: Ein Einigungsdatum ist noch nicht absehbar, die Kapazitäten an Technikern und Terminen aber natürlich begrenzt. Es könnte auch hier eine Lücke entstehen. Also geht CGM bereits vor und hat das nach eigenen Angaben dem GKV-Spitzenverband gemeldet.
Die KBV fordert in den Verhandlungen, dass die Krankenkassen die mit dem Tausch verbundenen Kosten vollumfänglich finanzieren. „Wir werden alles dafür tun, dass es für die Praxen keine Mehrbelastungen geben wird“, sagt KBV-Vorstand Dr. rer. soc. Thomas Kriedel. „Das Verfahren klären wir derzeit mit dem GKV-Spitzenverband ab, damit wir schnell zu Ergebnissen kommen werden.“
Kunden anderer Anbieter betrifft diese Unsicherheit nicht. T-Systems betont, das eigene TI-Portfolio habe seit Beginn des Roll-outs stabile Preise. „Entsprechend können wir Angebote unabhängig von Finanzierungsvereinbarungen machen“, so das Unternehmen. „Da Rise-Konnektoren frühestens mit Oktober 2023 getauscht werden müssen, ist noch ausreichend Zeit, um die Finanzierungsvereinbarung zu berücksichtigen“, teilt das österreichische Unternehmen auf Anfrage mit. „Rise-Konnektoren wurden immer zeitnah an der Auslieferung produziert und haben daher die längstmögliche Laufzeit.“ Dazu, wie viele Kunden und Konnektoren in welchen Zeiträumen betroffen sind, machte Rise auf Anfrage keine Angaben. Das Unternehmen ist neben CGM und Secunet der dritte verbliebene Konnektorenbauer auf dem deutschen Markt, die Telekom-Tochter T-Systems hingegen war bereits 2019 aus der Herstellung ausgestiegen und vertreibt seitdem die Modelle von Secunet – entsprechend gelten deren Fristen: Der allererste Secunet-Konnektor wurde demnach im Dezember 2018 zugelassen. „Nach aktueller Sicht laufen zu Ende 2023 circa 4 000 bis 7 000 Zertifikate und in 2024 über das Jahr verteilt circa 25 000 bis 34 000 Zertifikate aus“, teilt das Unternehmen mit. Insgesamt seien rund 80 000 Secunet-Konnektoren im Einsatz. „Austauschgeräte sind bereits jetzt bestellbar. Wir bitten die Kunden daher, die Laufzeit der Zertifikate für ihre Geräte im Auge zu behalten“, heißt es dazu von T-Systems. „Wir empfehlen Praxen oder MVZ, sich möglichst frühzeitig mit uns in Verbindung zu setzen.“
Hersteller zählt, nicht Anbieter
Entscheidend ist aus Praxissicht also nicht, bei welchem Anbieter man das TI-Equipment gebucht hat, sondern von welchem Hersteller er Konnektoren vertreibt. Ein Blick auf den weißen Kasten verrät deshalb schon in den allermeisten Fällen, wann man beginnen muss, sich zu kümmern. Darauf verweisen sowohl Secunet als auch Rise in der Frage nach dem Vorgehen beim Austausch. „Rise-Bestandskunden werden über die Vertriebspartner rechtzeitig vor Ablauf informiert. Neukunden können Konnektoren über die Vertriebspartner beziehen“, erklärt das Unternehmen.
Speziell der letzte Punkt macht einem anderen Anbieter im Markt Hoffnung. Dem Münchner Unternehmen Red Medical kommt eine Sonderstellung zu. Als einziger Anbieter im ambulanten Bereich arbeitet es mit dem Modell sogenannter Konnektorenfarmen: Dabei steht die Hardware nicht in der Praxis, sondern zentral in Rechenzentren, was sich nun besonders auszahle. „Unsere Kunden merken beim Tausch der Konnektoren gar nichts“, sagt Geschäftsführer Jochen Brüggemann. Rund 1 000 Arztpraxen seien so an die TI angebunden, mehrere Verbände wie der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (BVVP) oder die Gesellschaft für Versorgung und Praxis mbH im Deutschen Hausärzteverband (GVP) sind Kooperationspartner. Brüggemann erwartet deshalb nach eigenen Angaben, dass angesichts der einfacheren Handhabung und geringeren Kosten zahlreiche Praxen zu ihm wechseln würden: „Wir gehen davon aus, dass im Rahmen des Konnektorentauschs unsere Kundenzahlen explodieren.“ Tobias Lau