MEDIZIN: Kurzmitteilung
Durchführbarkeit schulischer Musikfahrten mit sicheren Kohorten während der COVID-19-Pandemie
The feasibility of school music trips with safe cohorts during the COVID-19 pandemic
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Während der COVID-19-Pandemie wurden intermittierend Schulen geschlossen (1) und extracurriculare Aktivitäten (wie Kursfahrten) untersagt (2). Die Stellungnahme der Leopoldina zur möglichen Zunahme psychischer Auffälligkeiten bei Heranwachsenden unterstreicht die Relevanz der zügigen und sicheren Wiedereinführung schulbezogener Freizeitangebote. Durch die respiratorische Transmission von SARS-CoV-2 war die Wiederaufnahme musikalischer Gruppentätigkeiten, vor allem bei Nutzung von Blasinstrumenten, umstritten.
Ziel unserer prospektiven Longitudinalstudie war es, das Konzept einer sicheren Kohorte im Rahmen einer schulischen Musikfahrt von Schülerinnen und Schülern und Lehrenden zu erproben. Zusätzlich wurden körperliche und psychische Gesundheit, das individuell eingeschätzte SARS-CoV-2-Ansteckungsrisiko sowie die Ansteckungsangst und die Wahrnehmung des Fahrterlebnisses der Studienpopulation untersucht.
Methodik
Der Studienverlauf erstreckte sich vom 12.08.2021 bis zum 25.08.2021. Teilnahmebedingung war eine unterschriebene Einwilligungserklärung. Vor Hin- und nach Rückfahrt wurden PCR-Pooltestungen durchgeführt (Methodik siehe [3]). Antigen-Schnelltests erfolgten vor und während der Reise im Zwei-Tages-Rhythmus. Primärer Endpunkt war das Auftreten von SARS-CoV-2-Infektionen im Beobachtungszeitraum. Hinzu kam eine digitale Befragung bei Hin- und nach Rückfahrt, deren Variablen zur körperlichen und psychischen Gesundheit als sekundäre Endpunkte definiert wurden (siehe Einleitung). Die pseudonymisierten Daten wurden mit der Statistiksoftware IBM Statistics 26, anhand eines explorativen Ansatzes, analysiert. Die Berechnung und Auswertung des GAD-7-Scores erfolgte nach der Methodik von Spitzer et al.. Es liegt ein positives Ethikvotum vor (EA2/091/20; Ethikkommission Charité-Universitätsmedizin Berlin).
Ergebnisse
Es traten keine SARS-CoV-2-Infektionen während oder nach der Reise auf (Charakteristika der Teilnehmenden siehe Tabelle 1). Kontakte zu SARS-CoV-2-positiven Fällen fanden im Studienzeitraum mit insgesamt 1,9 % (2/105), [−1; 5] bei den Schülern und 5,9 % (1/17), [−7; 18] unter Lehrenden nur vereinzelt statt. Schüler gaben wesentlich häufiger an, Mund-Nasen-Schutz im Schulgebäude zu tragen sowie Antigen-Schnelltests durchzuführen als Lehrende. Durchschnittlich nahmen Lehrpersonen weniger als einen Test pro Woche in Anspruch (M = 0,47 [0,2; 0,7]), während mindestens 81,6 % (80/98), [74; 89] der Schülerkohorte Schnelltests im Zwei-Tages-Rhythmus vornahmen. Der vollständige Impfstatus wurde jeweils als Hauptgrund für eine Nichttestung aufgeführt (Lehrende: 42,1 % [8/19], [17; 66]; Schülerkohorte: 8,5 % [9/105], [3; 14]).
Eine Zunahme der körperlichen Beschwerden zeigte sich insbesondere für Schnupfen (p = 0,004) und Husten (p = 0,001) in der Schülerkohorte (Tabelle 2). Die Evaluation psychischer Beschwerden ergab im Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test eine Reduktion des GAD-7-Angstscores bei zehn Schülern (10,2 % [10/98], [4; 16]), während sich bei 84 (85,7 % [84/98], [78; 92]) keine Änderung zeigte. Der Angstscore in der Lehrendenkohorte blieb weitestgehend unverändert (Tabelle 2). Es konnte eine deutliche Reduktion der individuell wahrgenommenen SARS-CoV-2-Ansteckungsangst unter Lehrenden nach Fahrtantritt nachgewiesen werden (p = 0,035). 99,1 % (106/107), [97; 100] der Schüler und alle Lehrenden (17/17), [1; 1] berichteten, dass sie erneut an solch einer Musikfahrt teilnehmen würden.
Diskussion
Einschränkungen in den PCR-Kapazitäten bei steigenden Inzidenzen, stellen eine mögliche Limitation zur Durchführbarkeit dar. Durch die Terminierung im Sommer konnte diesbezüglich von den saisonal niedrigen 7-Tages-Inzidenzwerten profitiert werden (4). Diese lagen im Stadtteil der teilnehmenden Schule (Steglitz-Zehlendorf) bei 36,4 zum Musikfahrtsantritt (4, 5). Jedoch vermuten wir, dass die Inzidenzen für die grundsätzliche Umsetzbarkeit eine untergeordnete Rolle spielen. Dies wird in einer zweiten Kohorte unter steigender Dominanz der Omikron-Variante und Hochinzidenzen untersucht. Trotz Einhaltung der Hygienemaßnahmen kann eine Ausbreitung von Erregern bei Einschleppung in die Reisegruppe nicht gänzlich ausgeschlossen werden (siehe Zunahme respiratorischer Beschwerden innerhalb der Schülerkohorte). Eine Durchführung unter Niedriginzidenzen und das Ausbleiben positiver Fälle sind daher weiterhin als protektive Faktoren zu werten.
Unsere Ergebnisse unterstreichen die Durchführbarkeit einer schulischen Musikfahrt bei einer sicheren (PCR-negativen, unterwegs isolierten) Kohorte und zeigen eine Reduktion der SARS-CoV-2-Ansteckungsangst unter Lehrenden sowie ein positives Fahrterlebnis trotz pandemischer Einschränkungen auf.
Samipa Pudasaini, Kira Louisa Boldt, Jennifer Hitzek, Linus Möckel, Anna Slagman, Stefanie Theuring, Frank Mockenhaupt, Martin Möckel
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Notfall- und Akutmedizin Campus Mitte und Virchow, Berlin (Pudasaini, Boldt, Hitzek, Möckel, Slagman, Möckel)
martin.moeckel@charite.de
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit, Berlin (Theuring, Mockenhaupt)
Danksagung
Wir danken Tamara Dietrich, Gloria Münch und Natalie-Viviane Ulrich-Möckel für die Unterstützung bei der Testvorbereitung und -durchführung; Dr. Martin Burggaller für die federführende Erstellung und die Umsetzung des Hygienekonzeptes; Prof. Dr. Jörg Hofmann für die Durchführung der Pool-PCR-Messungen und Senatorin Sandra Scheeres, Staatsekretärin Beate Stoffers und Holger Schmidt für die Durchführungsgenehmigung und Beratung im Hygienebeirat.
Interessenkonflikt
Die Autorinnen und Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 30.12.2021, revidierte Fassung angenommen: 11.04.2022
Zitierweise
Pudasaini S, Boldt KL, Hitzek J, Möckel L, Slagman A, Theuring S, Mockenhaupt F, Möckel M: The feasibility of school music trips with safe cohorts during the COVID-19 pandemic. Dtsch Arztebl Int 2022; 119. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0201
Dieser Beitrag erschien online am 18.05.2022 (online first) unter www.aerzteblatt.de.
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de
1. | Otte Im Kampe E, Lehfeld AS, Buda S, Buchholz U, Haas W: Surveillance of COVID-19 school outbreaks, Germany, March to August 2020. Euro Surveill 2020; 25: 2001645 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
2. | Robert Koch-Institut: Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemien. 2020. www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Praevention-Schulen.pdf?__blob=publicationFile (last accessed on 29 October 2021). |
3. | Möckel M HJ, Edelmann A, Schwarzer R, et al.: Konzept und Validierung einer SARS-CoV-2-Pooltestung bei Mitarbeitenden der Notaufnahmen. Das Krankenhaus 2020. |
4. | Robert Koch-Institut: 7-Tage-Inzidenzen nach Bundesländern und Kreisen (fixierte Werte) sowie Gesamtübersicht der pro Tag ans RKI übermittelten Fälle und Todesfälle. 2021. www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Fallzahlen_Kum_Tab.html (last accessed on 29 October 2021). |
5. | Landesamt für Gesundheit und Soziales: Lagebericht 14.08.2021. 2021. https://data.lageso.de/lageso/corona/archiv/berlin-website-2021-08-14.html (last accessed on 29 October 2021). |
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