ArchivDeutsches Ärzteblatt25/2022Pneumologische Infektionen: Bei COVID-Risikopatienten werden schwere Verläufe mit Ivermectin nicht verhindert

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Pneumologische Infektionen: Bei COVID-Risikopatienten werden schwere Verläufe mit Ivermectin nicht verhindert

Siegmund-Schultze, Nicola

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Foto: chokniti/stcok.adobe.com
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Ivermectin ist ein Antiparasitikum, das häufig in der Veterinärmedizin angewendet wird. Indikationen beim Menschen können Skabies sein, Wurmbefall oder auch Mikrofilarämie sein. In Laborexperimenten supprimierte Ivermectin die Replikation von SARS-CoV-2, allerdings in wesentlich höheren Dosierungen als für die Therapie beim Menschen infrage kämen. Kleinere klinische Studien zu Ivermectin hatten uneinheitliche Resultate. Eine randomisierte, doppelblinde Studie zu Ivermectin vs. Placebo mit 398 kolumbianischen Patienten, die milde COVID-19-Symptome hatten, ergab keine klinisch relevanten Effekte im Sinne einer rascheren Symptomreduktion (1). Trotz unklarer Evidenz wurde der Wirkstoff international in der Indikation COVID-19 angewendet. Nun ist eine große randomisierte Studie aus Brasilien vollpubliziert worden (2).

Es ist eine prospektiv randomisierte doppelblinde und placebokontrollierte Phase-3-Studie mit 3 515 Patienten. Sie hatten eine laborgesicherte SARS-CoV-2-Infektion und seit maximal 7 Tagen COVID-19-Symptome. Alle hatten mindestens einen Risikofaktor für einen schweren Verlauf, darunter höheres Alter (≥ 50 Jahre), Diabetes, Hypertonie, eine Lungenerkrankung oder Adipositas. 1 358 Patienten wurden randomisiert in eine Gruppe, die zusätzlich zur Standardversorgung Ivermectin 400 μg/kg Körpergewicht einmal täglich für 3 Tage erhielt (n = 679) und eine 2. Gruppe, die zusätzlich Placebo bekam (n = 679). Die übrigen (n = 2 157) erhielten andere Therapien zusätzlich zum Standard, darunter antivirale Substanzen. Primärer Endpunkt war die stationäre Aufnahme in den ersten 28 Tagen nach Randomisierung oder eine Notfalltherapie wegen COVID-19.

100 Patienten der Ivermectingruppe (14,7 %) hatten ein Ereignis des primären Endpunkts und 111 (16,3 %) unter Placebo (relatives Risiko [RR]: 0,90; n. s.). Von den 211 Ereignissen des primären Endpunkts waren 171 (81,0 %) Klinikeinweisungen. Eine modifizierte Intention-to-Treat-Analyse ergab ebenfalls keine klinisch relevanten Unterschiede beim primären Endpunkt (RR: 0,89). Auch die Sterblichkeit unterschied sich nicht zwischen Verum und Placebo. Die Virus-Clearance zu Tag 7 nach Randomisierung war praktisch identisch. Bei unerwünschten Effekten gab es zwischen Ivermectin und Placebo ebenfalls keine signifikante Differenz.

Fazit: „Zu Beginn der Coronapandemie wurde bei zahlreichen Medikamenten eine relevante Wirkung gegen SARS-CoV-2 vermutet“, kommentiert Prof. Dr. med. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Nach der Publikation von unzähligen randomisierten, kontrollierten Studien wissen wir nun, welche Medikamente in welcher Phase der Erkrankung wirken und welche nicht. Das Entwurmungsmittel Ivermectin, das insbesondere auch von Impfgegnern und unseriösen Internetseiten immer wieder propagiert wurde, zeigt nach den zuletzt in JAMA und NEJM publizierten Studien keine klinische Wirksamkeit.“

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

  1. López-Medina L, López P, et al.: Effect of ivermectin on time to resolution of symptoms among adults with mild COVID-19. A randomized clinical trial. JAMA 2021; 325: 1426–35.
  2. Reis G, Silva EASM, Silva DCM, et al. for the TOGETHER Investigators: Effect of early treatment with ivermectin among patients with Covid-19. N Engl J Med 2022, DOI: 10.1056/NEJMoa2115869.

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