MEDIZIN: Kurzmitteilung
SARS-CoV-2-Immunitätslücke bei Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften im Sommer 2022
SARS-CoV-2 immunity gap among schoolchildren and teachers in the summer of 2022
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Für die Vorbereitung auf den Herbst/Winter 2022 in Deutschland ist die Kenntnis der „Immunitätslücke“, das heißt des fehlenden Nachweises einer messbaren Antikörperantwort in der Bevölkerung, von hoher Relevanz. Bis einschließlich Kalenderwoche 21/2022 wurden mehr als 26 Millionen SARS-CoV-2 Infektionen über die offiziellen Meldezahlen des Robert Koch-Institutes (RKI) registriert. Aufgrund einer relevanten Untererfassung sowie einer hohen Impfquote bildet diese Zahl die Immunität allerdings annehmbar nur unzureichend ab. Dies gilt insbesondere auch für Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer, sodass die Frage der aktuellen Seroprävalenz – vor Beginn des neuen Schuljahres – in diesen Bevölkerungsgruppen von besonderem Interesse ist.
Methoden
Seit Mai 2020 erfasst die SchoolCoviDD19 Studie (1, 2) seriell die Seroprävalenz gegenüber SARS-CoV-2 bei Schülern und Lehrern an weiterführenden Schulen in Ostsachsen. Die Auswahl der Schulen erfolgte durch das Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) des Freistaates Sachsen. Die ausgewählten Schulen erhielten Informationsmaterialien, die sie nach eigenem Ermessen an die Schüler und Lehrer verteilten. Die Teilnahmequote schwankte zwischen 10 % und 50 % je Schule. Nach Aufklärung und Einwilligung erfolgt die Bestimmung von SARS-CoV-2 Antikörpern mittels LIAISON SARS-CoV-2 S1/S2 IgG Assay gegen das Spike-Protein, welche sowohl nach natürlicher Infektion als auch nach Impfung gebildet werden. Der Impfstatus der Probanden wurde anamnestisch erhoben. Daten der Beprobungsrunden im November 2021 – auf dem Höhepunkt der Delta-Welle – und Mai 2022 – im Abklingen der Omikron-Welle – werden präsentiert.
Ergebnisse
Im November 2021 nahmen 1 535 Probandinnen und Probanden – 1 142 Schüler (74,4 %) und 393 Lehrer (25,6 %) – an der Untersuchung teil. 739 (64,6 %) der Schüler und 343 (86,6 %) der Lehrer waren zu diesem Zeitpunkt mindestens einmal geimpft (Tabelle 1). Die Seroprävalenz der ungeimpften Schüler war mit 32 % nicht relevant unterschiedlich zu der der Lehrer mit 22 %. Von den geimpften Probanden zeigten 98,2 % eine positive Serologie. Insgesamt hatten 1 203 (78,4 %) aller Teilnehmenden nachweisbare Antikörper gegen SARS-CoV-2, wobei der Anteil unter den Lehrern mit 89,3 % signifikant höher war als unter den Schülern (74,6 %).
Im Mai 2022 nahmen 865 Probanden – 601 Schüler (69,5 %) und 264 Lehrer (30,5 %) – teil; 822 (95 %) hatten auch bereits zuvor an der SchoolCoviDD19-Studie teilgenommen. Die Impfquote der Schüler stiegt leicht auf 72,9 %, während die der Lehrer stabil bei 86,1 % lag. Die Seroprävalenz der ungeimpften Teilnehmenden stieg über die fünf Monate relevant an und lag unter den Schülern nun bei 70 % (112/160) und unter den Lehrern bei 67,6 % (23/34) ohne relevante Unterschiede (Tabelle 2). Mindestens einmal geimpfte Probanden hatten in 99,7 % nachweisbare Antikörper gegen das Spike-Protein. Insgesamt hatten im Mai 2022 92,9 % der Teilnehmenden eine positive SARS-CoV-2 Serologie ohne relevante Unterschiede zwischen Lehrern (95,1 %) und Schülern (92 %).
Diskussion
Im Frühsommer 2022, im dritten Jahr der SARS-CoV-2 Pandemie, betrug die Immunitätslücke in Ostsachsen – einem Bundesland mit einer im bundesweiten Vergleich geringen Impfquote – bei Schülern und Lehrern lediglich wenige Prozent. Die noch im Herbst 2021 nachweisbaren Unterschiede zwischen den untersuchten Erwachsenen und Jugendlichen glichen sich im Verlauf der Omikron-Welle an, die Immunisierung entsprechend den jeweils geltenden STIKO-Empfehlung nahm zu, und die große Mehrheit der verbleibenden Ungeimpften hatte sich in diesem Zeitraum natürlich immunisiert. Dieser Prozess wird annehmbar auch über die kommenden Sommermonate anhalten und noch vorhandene Immunitätslücken weiter reduzieren. Die im Herbst mutmaßlich ansteigenden Infektionszahlen werden daher auf eine in hohem Maße immunisierte Population treffen. Dies lässt erwarten, dass die Wahrscheinlichkeit einer raschen unkontrollierten Ausbreitung und die damit verbundene Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems eher gering sein dürfte, sofern sich nicht Varianten mit einem starken Immunflucht-Potenzial durchsetzen werden.
Die vorliegenden Daten zeigen auch, dass trotz der Fokussierung einer Vielzahl von Pandemiemaßnahmen auf Schüler – wie anlasslose Testungen, Maskenpflicht im Unterricht, Einschränkung von Sport- und Freizeitangeboten – die überwiegend natürliche Immunisierung dieser Population nicht beeinflusst werden konnte. Die Maßnahmen wiederum haben eine Vielzahl von unerwünschten negativen Effekten auf diese Altersgruppe (3, 4), deren langfristige Folgen aktuell nur eingeschränkt abgeschätzt werden können. Dies sollte im weiteren Pandemieverlauf in den zu treffenden Abwägungen berücksichtig werden, nicht zuletzt, da diese Altersgruppe selbst ein sehr geringes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf trägt (5).
Interessenkonflikt
Die Autorinnen und Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 07.06.2022, revidierte Fassung angenommen: 16.08.2022
Zitierweise
Armann JP, Blankenburg J, Czyborra P, Doenhardt M, Horst T, Schneider J, Gano C, Berner R: SARS-CoV-2 immunity gap among schoolchildren and teachers in the summer of 2022. Dtsch Arztebl Int 2022; 119. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0307
Dieser Beitrag erschien online am 19.08.2022 (online first) unter:
www.aerzteblatt.de
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Jakob.Armann@ukdd.de
1. | Kirsten C, Kahre E, Blankenburg J, Schumm L, Haag L, Galow L, et al.: Seroprevalence of SARS-CoV-2 in German secondary schools from October 2020 to July 2021: a longitudinal study. Infection 2022; 23: 1–8 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
2. | Kirsten C, Unrath M, Lück C, Dalpke AH, Berner R, Armann J: SARS-CoV-2 seroprevalence in students and teachers: a longitudinal study from May to October 2020 in German secondary schools. BMJ Open 2021;11: e049876 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
3. | Blankenburg J, Wekenborg MK, Reichert J, Kirsten C, Kahre E, Haag L, et al.: Comparison of mental health outcomes in seropositive and seronegative adolescents during the COVID19 pandemic. Sci Rep 2022; 12: 2246 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
4. | Ravens-Sieberer U, Kaman A, Devine J, et al.: The mental health and health-related behavior of children and parents during the COVID-19 pandemic. Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 436–7 VOLLTEXT |
5. | Sorg A-L, Hufnagel M, Doenhardt M, et al.: Risk for severe outcomes of COVID-19 and PIMS-TS in children with SARS-CoV-2 infection in Germany. Eur J Pediatr 2022; 13: 1–9 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
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Infection, 202310.1007/s15010-023-02052-5
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Viruses, 202210.3390/v14102102