ArchivDÄ-TitelSupplement: PerspektivenSUPPLEMENT: Kardiologie 2/2022Dauerhafte Lärmexposition: Messbare Einflüsse auf das kardiovaskuläre System

SUPPLEMENT: Perspektiven der Kardiologie

Dauerhafte Lärmexposition: Messbare Einflüsse auf das kardiovaskuläre System

Dtsch Arztebl 2022; 119(37): [22]; DOI: 10.3238/PersKardio.2022.09.16.04

Hahad, Omar

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Geräusche von Autos, Flugzeugen, Zügen und anderen Quellen können das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. In der Beratung kardiologischer Patientinnen und Patienten kann dieser Aspekt eine Rolle spielen.

Foto: Jag_cz / stock.adobe.com
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Bereits im Jahre 1910 prophezeite der Nobelpreisträger für Medizin Robert Koch: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Pest und die Cholera.“ In der Tat hat sich in den letzten Jahrzehnten das globale Krankheitsspektrum stark verändert. Nicht übertragbare, häufig chronische Erkrankungen wie Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems dominieren die Krankheitslast westlicher Gesellschaften, wie die Global-Burden-of-Disease-(GBD-)Studie darlegt (1). Aktuelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass neben klassischen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht und Rauchen auch umweltbedingte Faktoren wie Lärm das Herz-Kreislauf-Risiko erhöhen (2, 3).

Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge gehen durch Umgebungslärm, meist bedingt durch Verkehrsbewegungen, allein in Westeuropa pro Jahr 22 000 gesunde Lebensjahre aufgrund von Tinnitus, 45 000 gesunde Lebensjahre aufgrund kognitiver Beeinträchtigungen im Kindesalter, 61 000 gesunde Lebensjahre aufgrund von koronaren Herzerkrankungen, 654 000 gesunde Lebensjahre aufgrund von Lärmbelästigungsreaktionen und 903 000 gesunde Lebensjahre aufgrund von Schlafstörungen verloren (4). Eine aktuellere Untersuchung zur verkehrslärmbedingten Krankheitslast in Deutschland kommt zu dem Ergebnis, dass Straßenverkehrslärmexposition für den Verlust von 176 888 gesunden Lebensjahren, Fluglärmexposition für den Verlust von 98 810 gesunden Lebensjahren und Schienenverkehrslärm für den Verlust von 108 902 gesunden Lebensjahren verantwortlich sind (5). Aus einem aktuellen Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) geht hervor, dass in der EU 113 Millionen Personen Tag-Abend-Nacht-Straßenlärmpegeln (Lden) von 55 Dezibel (dB) oder mehr ausgesetzt sind, etwa 20 % der europäischen Bevölkerung (6). Mögliche Lärmquellen im privaten Bereich wurden in diesen Untersuchungen nicht berücksichtigt.

Lärm wird definiert als störend empfundener Schall, der als solcher sowohl eine physikalische (objektive) als auch eine psychologische (subjektive) Dimension besitzt (7). Auf physikalischer Ebene wird Lärm in Form von Schalldruckpegeln (L) angegeben und in der Einheit Dezibel (dB) gemessen. Schalldruckpegel stellen eine logarithmische Größe für die relative Stärke des Schalls dar. Als Referenzwert gilt die menschliche Hörschwelle, die bei 20 Mikropascal bei einer Frequenz von 1 000 Hertz beziehungsweise 0 dB liegt.

Zunahme um 10 Dezibel bedeutet eine Verdoppelung der gehörten Lautstärke

Die logarithmische Natur der dB-Skala führt dazu, dass eine Zunahme beziehungsweise Abnahme um 3 dB eine Verdopplung beziehungsweise Halbierung der Schallintensität bedeutet, wobei eine Zunahme beziehungsweise Abnahme um 10 dB als eine Verdopplung beziehungsweise Halbierung der subjektiv empfundenen Lautstärke (Lautheit) wahrgenommen wird (Einheit SONE oder älter PHON) (8). In Abbildung 1 können einige Beispiele für Lärmquellen mit entsprechenden Lärmpegeln in dB zur besseren Einschätzung entnommen werden.

Beispiele für Lärmquellen mit entsprechenden Lärmpegeln in Dezibel
Grafik 1
Beispiele für Lärmquellen mit entsprechenden Lärmpegeln in Dezibel

Das Lärmwirkungsmodell von Wolfgang Babisch (10, 11, 12) gilt als Grundlage für die Beschreibung der negativen Effekte von Lärm auf den Organismus. Das Lärmwirkungsmodell unterscheidet zunächst direkte (auditorische) sowie indirekte (nichtauditorische) Auswirkungen von Lärm auf die Gesundheit (Abbildung 2). Die direkte Wirkung beschreibt den Umstand, dass über längere Zeiträume zu hohe oder kurzfristig extreme Schalldruckpegel über eine Schädigung des Hörorgans zu Lärmschwerhörigkeit beziehungsweise zu Hörverlust führen. Für die negativen lärmbedingten gesundheitlichen Auswirkungen sind jedoch vor allem die indirekten Wirkungen bedeutsam, die unmittelbar von der individuellen Perzeption des Lärms durch das lärmexponierte Individuum abhängen.

Lärmwirkungsmodell von Babisch angepasst nach und modifiziert aus Münzel et al. 2013.
Grafik 2
Lärmwirkungsmodell von Babisch angepasst nach und modifiziert aus Münzel et al. 2013.

In diesem Sinne kann eine akute sowie chronische Lärmexposition, die weit unter der Auslöseschwelle zur Lärmschwerhörigkeit liegt, zu Beeinträchtigungen von Schlaf, Kommunikation und alltäglichen Aktivitäten führen und darüber kognitive und emotionale Stressreaktionen auslösen, die zur Lärmbelästigung führen. Die damit einhergehenden physiologischen Stressreaktionen führen langfristig zur Ausbildung von klassischen Herz-Kreislauf-Risikofaktoren: Der Blutdruck wird gesteigert, die Blutzucker- und Cholesterinspiegel werden erhöht, die Blutviskosität wird gesteigert und die Blutgerinnung wird aktiviert. Persistieren diese Reaktionen über Jahre, so muss mit den Ausbildungen der klassischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie manifeste arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz, chronische koronare Herzerkrankung inklusive Herzinfarkt und Schlaganfall gerechnet werden (10, 11, 12, 13). Zumindest trägt die anhaltende Lärmexposition zur Ausprägung entsprechender Krankheitsbilder bei, wenn auch in einem geringeren Ausmaß als die bekannten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht und ähnliche.

In 2 Feldstudien untersuchten Schmidt et al. vom Zentrum für Kardiologie des Universitätsklinikums Mainz die Auswirkungen von simuliertem Nachtfluglärm auf die Gefäßfunktion von gesunden Probanden (14) beziehungsweise von Patienten mit manifester koronarer Herzerkrankung (15). Dabei wurde die Endothelfunktion durch die flussvermittelte Vasodilatation (FMD) der Arteria brachialis bestimmt. Angegeben wird die Zunahme des Gefäßdurchmessers nach Provokation in Prozent. Gleichzeitig wurden die Stresshormonspiegel gemessen und die Veränderung der Schlafqualität mithilfe von Fragebögen ermittelt.

Akuter Lärm in der Nacht sorgt für eine Störung der Endothelfunktion

Die Probanden wurden in insgesamt 3 Nächten 3 verschiedenen Lärmszenarien (30 bzw. 60 Überflüge mit Spitzenschallpegeln von 60 dB und mittleren Schalldruckpegeln von 43,12 bzw. 46,28 dB und eine Kontrollgruppe mit 0 Überflügen) sowie einem Kontrollszenario (üblicher Umgebungslärm mit mittleren Schalldruckpegeln von 35,44 dB) randomisiert ausgesetzt (14). Die Nachtfluglärmexposition führte tendenziell zu einer Verschlechterung der Vasodilatation (Kontrollgruppe: 10,4 %; Lärm 30: 9,7 %; Lärm 60: 9,5 %), zu einer verminderten Schlafqualität (Pittsburgh Schlafqualitätsindex für die Kontrollgruppe: 6,70; Lärm 30: 5,20; Lärm 60: 4,37) und einem erhöhten Adrenalinspiegel (Kontrollgruppe: 28,3 ng/L; Lärm 30: 33,2 ng/L; Lärm 60: 34,1 ng/L). Darüber hinaus war die Pulswellenlaufzeit nach Lärmexposition verkürzt (Kontrollgruppe: 271,8 ms; Lärm 30: 270,9 ms; Lärm 60: 264,9 ms), ein Parameter der mit erhöhtem Blutdruck, Gefäßtonus und -steifigkeit assoziiert ist.

Die lärmbedingte Verschlechterung der FMD war besonders dann ausgeprägt, wenn die Probanden zunächst mit dem Lärmszenario 30 und dann 60 simulierten Überflügen exponiert wurden, sodass auf Gefäßebene im Sinne eines Priming-Effekts eher eine lärmbedingte Sensibilisierung als eine Habituation zu beobachten war.

Interessanterweise konnte die Verschlechterung der FMD in einer kleinen Subgruppe von Probanden (n = 5), die mit Lärmszenario 60 exponiert wurden, durch die Einmalgabe von Vitamin C verbessert werden. Dies lässt vermuten, dass eine vermehrte Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies und der damit erhöhte oxidative Stress in den Gefäßen ursächlich für die endotheliale Dysfunktion sein könnte.

In einer Nachfolgestudie von Schmidt et al. wurden 60 Probanden mit bestehender koronarer Herzerkrankung oder mit einem erhöhten Risiko für eine koronare Herzerkrankung 2 verschiedenen Lärmszenarien (60 Nachtüberflüge mit mittleren Schalldruckpegeln von 46,9 dB sowie einem Kontrollszenario üblicher Umgebungslärm mit mittleren Schalldruckpegeln von 39,2 dB) randomisiert ausgesetzt (15). Wie zu erwarten, waren die negativen Effekte auf die Gefäßfunktion bei den Patienten mit koronarer Herzerkrankung ausgeprägter (Abbildung 3), die Schlafqualität wurde reduziert und der systolische Blutdruck gesteigert (Kontrollgruppe: 129,5 mmHg; Lärm 60: 133,6 mmHg). Insbesondere wurde gezeigt, dass die Verschlechterung der FMD durch die Fluglärmexposition unabhängig war vom Geschlecht, Alter, Randomisierungssequenz, Schlafqualität, allgemeine sowie schlafbezogene Lärmsensitivität, Einstellung gegenüber Fluglärm und Chronotyp (FMD Kontrollgruppe: 9,6 %; Lärm 60: 7,9 %). Eine Effektmodifizierung durch die Berücksichtigung der Schlafqualität, allgemeinen sowie schlafbezogenen Lärmsensitivität und Einstellung gegenüber Fluglärm beim Vergleich von Kontroll- versus Lärmgruppe konnte nicht beobachtet werden.

Einfluss der Fluglärmexposition auf die Endothelfunktion
Grafik 3
Einfluss der Fluglärmexposition auf die Endothelfunktion

Zusammenhang zwischen Verkehrslärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

In groß angelegten epidemiologischen Studien aus Deutschland konnte der Einfluss von Verkehrslärm auf das Herz-Kreislauf-Risiko nachgewiesen werden. In einer multizentrischen Fall-Kontroll-Studie von Seidler et al. mit den Daten von 19 632 Patientinnen und Patienten nach Herzinfarkt und einer Kontrollgruppe von 834 734 Personen wurde gezeigt, dass Straßen- und Schienenverkehrslärm das Risiko eines Herzinfarkts nach Kontrolle für Alter, Geschlecht, sozialer Status, Bildung und Beruf erhöht (Straßenverkehrslärm: Odds-Ratio [OR] 1,028, 95-%-Konfidenzintervall [KI] 1,012; 1,045; Schienenverkehrslärm: OR 1,023, 95-%-KI 1,005; 1,042 per Zunahme von 10 dB LAeq24h beginnend ab 35 dB) (17). Der Effekt ist zwar nur geringfügig, aber wegen der hohen Teilnehmerzahl signifikant. Für den Fluglärm konnte dagegen kein erhöhtes Risiko ermittelt werden (OR 0,993 [95-%-KI 0,966; 1,020]).

Ebenfalls konnte das Autorenteam in einer weiteren Analyse von Versichertendaten aus dem Rhein-Main-Gebiet mit über 700 000 Datensätzen zeigen, dass die Exposition durch Straßen- und Schienenverkehrslärm mit einem erhöhten Risiko eines Schlaganfalls assoziiert war nach Kontrolle für Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf und Arbeitslosenhilfe. Allerdings konnte auch hier die Risikoerhöhung zwar verifiziert werden, fiel aber in der Realität vor allem im Vergleich zu den bekannten kardiovaskulären Risiken wie Übergewicht, Diabetes, Rauchen und anderen sehr gering aus: Die OR betrug bei Straßenverkehrslärm 1,017 (95-%-KI 1,003; 1,032), bei Schienenverkehrslärm wurde eine OR 1,018 (95-%-KI 1,001; 1,034) per Zunahme von 10 dB LAeq24h beginnend ab 35 dB gefunden (18). Im Hinblick auf den Fluglärm konnte dagegen kein erhöhtes Risiko für zerebrale Insulte ermittelt werden (OR 0,976 [95-%-KI 0,953; 1,000]).

Zudem konnte das Autorenteam ein deutlich erhöhtes Risiko einer Herzinsuffizienz beziehungsweise einer hypertensiven Herzkrankheit nach Kontrolle für Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf und Arbeitslosenhilfe in Abhängigkeit von Verkehrslärm nachweisen (19). Dabei konnten Risikoerhöhungen um 1,6 (95-%-KI 1,003; 1,030), 2,4 (95-%-KI 1,016; 1,032) und 3,1 (95-%-KI 1,022; 1,041) per Zunahme von 10 dB LAeq24h beginnend ab 35 dB in Bezug auf die Flug-, Straßen- und Schienenverkehrslärmexposition beobachtet werden.

Starke Lärmbelästigung erhöht die Prävalenz von Vorhofflimmern

Hahad et al., ebenfalls Abteilung für Kardiologie des Universitätsklinikums Mainz, konnten anhand von Daten der Gutenberg-Gesundheitsstudie (n = 15 010) erstmals zeigen, dass eine zunehmende Lärmbelästigung durch verschiedene Quellen am Tag sowie beim Nachtschlaf mit einer erhöhten Prävalenz von Vorhofflimmern assoziiert ist (20). Die Prävalenz von Vorhofflimmern lag bei Personen, die über eine extreme totale Lärmbelästigung (maximal angegebene Belästigung unabhängig von der spezifischen Lärmquelle und der Zeitperiode) berichteten, bei rund 23 %. Dieser Wert lag bei Personen, die über keine Lärmbelästigung berichteten, lediglich bei rund 15 %. Dabei war die Lärmbelästigung durch Flug- (Tag: OR 1,04 [95-%-KI 1,00; 1,08]; Nacht: OR 1,09 [95-%-KI 1,05; 1,13]), Straßen- (Tag: OR 1,04 [95-%-KI 0,99; 1,09]; Nacht: OR 1,15 [95-%-KI 1,08; 1,22]) und Schienenverkehr (Tag: OR 1,02 [95-%-KI 0,95; 1,09]; Nacht: OR 1,13 [95-%-KI 1,04; 1,22] pro Punktzunahme der Lärmbelästigung) am Tag und in der Nacht nach Kontrolle für Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status, Nachtschichtarbeit, Depression, kardiovaskuläre Medikation, Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Rauchen, Übergewichtigkeit, Fettstoffwechselstörung und Familiengeschichte von Herzinfarkt oder Schlaganfall dosisabhängig mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern assoziiert.

Dieselben Assoziationen konnten zudem auch für die Belästigung durch Industrie- (Tag: OR 1,11 [95-%-KI 1,04; 1,18]; Nacht: OR 1,14 [95-%-KI 0,99; 1,31]) und Nachbarschaftslärm (Tag: OR 1,14 [95-%-KI 1,09; 1,20]; Nacht: OR 1,14 [95-%-KI 1,07; 1,21]) beobachtet werden.

Insgesamt wird ersichtlich, dass Umweltrisikofaktoren wie Lärm im Vergleich zu den klassischen Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht und körperliche Inaktivität zwar geringere Effekte auf den Organismus ausüben mit Hinblick auf die ermittelten Effektschätzer und das Herz-Kreislauf-Risiko. Da aber weite Teile der Bevölkerung Umweltstressoren ständig ausgesetzt sind, muss die gesamtgesellschaftlich induzierte Krankheitslast beachtet werden wie auch durch die Zahlen der WHO unterstrichen wird (4).

WHO-Leitlinien für Umgebungslärm empfehlen unter 25 dB im Schlafraum

In den aktuellen WHO-Leitlinien für Umgebungslärm für die Europäische Region wurden konkrete Empfehlungen für den Schutz der menschlichen Gesundheit vor Umgebungslärm aus verschiedenen Quellen formuliert (Tabelle 1) (21). Wichtig ist zu erwähnen, dass der Entwicklungsprozess der WHO-Leitlinien einer strengen Methodik mittels GRADE-Ansatz (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation) folgte und dass die empfohlenen Lärmpegel auch in anderen Regionen anwendbar sind. Denn es wurden hinsichtlich der lärmbedingten gesundheitlichen Auswirkungen – darunter Auswirkungen auf Herz und Kreislauf sowie Stoffwechsel, Belästigung, Schlaf, kognitive Beeinträchtigung, Hörschäden und Tinnitus, Fehlgeburten, sowie Lebensqualität, psychische Gesundheit und Wohlbefinden –, nicht nur Evidenz aus europäischen Untersuchungen herangezogen. Sondern es wurden zusätzlich auch Untersuchungen aus Amerika, Asien und Australien betrachtet. Da vor allem der Nachtlärm mit negativen gesundheitlichen Konsequenzen aufgrund der Beeinträchtigung des Schlafes verbunden ist, werden in den WHO-Nachtlärmrichtlinien für die Europäische Region im Allgemeinen Nachtlärmaußenpegel von weniger als 40 dB Lnight (Nachtlärmindex) gefordert (22). Auch das Umweltbundesamt empfiehlt übergreifend Lärmpegel innerhalb von Wohnungen, die nachts unter 25 dB(A) und tags unter 35 dB(A) liegen. Diese Lärminnenpegel können bei gekippten Fenstern erreicht werden, wenn die Außenlärmpegel nachts unter 40 dB(A) und tags unter 50 dB(A) liegen (23).

WHO-Leitlinien für Umgebungslärm für die europäische Region
Tabelle
WHO-Leitlinien für Umgebungslärm für die europäische Region

Fazit für die Praxis

  • Starke und dauerhafte Lärmexposition zum Beispiel durch Verkehrs- und Fluglärm, aber auch durch andere Lärmquellen, kann kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Vasokonstriktion, Blutviskosität und Bluthochdruck ungünstig beeinflussen.
  • Die Prävalenz von Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz steigt bei dauerhafter Lärmexposition.
  • Eine Zunahme von Herzinfarkten, Herzinsuffizienz und zerebralen Insulten bei dauerhafter Lärmexposition ist in großen Populationen in einem geringen Ausmaß nachweisbar.

DOI: 10.3238/PersKardio.2022.09.16.04

Dr. rer. physiol. Omar Hahad

Zentrum für Kardiologie
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) Mainz

Interessenkonflikt: Dr. Hahad gibt keine Interessenkonflikte an.

Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit3722

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Beispiele für Lärmquellen mit entsprechenden Lärmpegeln in Dezibel
Grafik 1
Beispiele für Lärmquellen mit entsprechenden Lärmpegeln in Dezibel
Lärmwirkungsmodell von Babisch angepasst nach und modifiziert aus Münzel et al. 2013.
Grafik 2
Lärmwirkungsmodell von Babisch angepasst nach und modifiziert aus Münzel et al. 2013.
Einfluss der Fluglärmexposition auf die Endothelfunktion
Grafik 3
Einfluss der Fluglärmexposition auf die Endothelfunktion
WHO-Leitlinien für Umgebungslärm für die europäische Region
Tabelle
WHO-Leitlinien für Umgebungslärm für die europäische Region
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