SPEKTRUM: Leserbriefe
Denkmal: Auf Zeitzeugen hören
Zu der Nationalen Gedenkfeier in Pirna-Sonnenstein und dem Beitrag „Kein Heilsversprechen rechtfertigt die Entscheidung über das Leben anderer“ von Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer in Heft 12/2000 und dem Kommentar zur „Präimplantationsdiagnostik Mensch von Anfang an“ von Joachim Kardinal Meisner in Heft 14/2000 sowie dem Beitrag „Schatten der Vergangenheit: Ein Denkmal wankt“ von Dr. Thomas Gerst in Heft 14/2000:


Um die Ziele der in der Klinik auftauchenden Kommissionen oder Gutachter zu erkennen, bedurfte es sicherlich großer Aufmerksamkeit. Nur so konnte man, falls man erkannte, dass sie ein Kind für die Euthanasie vormerkten, sogleich einen Vermerk darüber im Krankenblatt anbringen. Man stiftete dadurch bei den Nazi-Institutionen Verwirrung, gleichzeitig aber wurde deren Maßnahme dadurch behindert, dass die angestrebte strenge Geheimhaltung durch den Eintrag durchbrochen und Öffentlichkeit hergestellt wurde. Dass dies bei den Nazi-Institutionen unerwünscht war, zeigt die im Artikel zitierte Beschwerde des Leiters der Euthanasiemaßnahmen über derartige Eintragungen in Krankenblättern der Universitäts-Kinderklinik Jena an den damaligen Rektor der Universität Jena, Prof. Astel (der als Parteigänger der Nazis bekannt war).
Es klingt absurd, dass gerade Teile der Hilfsmaßnahmen, die zur Rettungsaktion eingesetzt wurden, heute gegen die Retter als Indiz für ihre Tötungsbeteiligung verwendet werden. Es muss schlimm um die Auseinandersetzung mit der Nazizeit in Deutschland bestellt sein, wenn man sich heute, mehr als ein halbes Jahrhundert nach Beendigung dieser entsetzlichen Diktatur, noch eher auf Aussagen oder Schrift-sätze von Nazifunktionären stützt, als Berichten von Zeitzeugen und Betroffenen der Naziverbrechen Glauben zu schenken, und dass Menschen, die damals unter Einsatz ihrer Existenz und ihres Lebens Menschen gerettet haben, heute als Mordhelfer diffamiert werden.
Vielleicht werden die Menschen in den nächsten zwei Jahrtausenden fähig werden, eine Mentalität zu überwinden, die gute Menschen zu vernichten sucht, weil sie ihr zu groß sind.
Prof. Dr. med. Harald Haupt, Marienburger Ufer 23 a, 47279 Duisburg
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.