POLITIK
Medizinische Versorgungszentren: Bundesärztekammer drängt auf schärfere Regeln


Die Rolle der Medizinischen Versorgungszentren innerhalb des ambulanten Versorgungsbereiches wird seit einiger Zeit zunehmend kontrovers diskutiert. Die Bundesärztekammer sieht durchaus Chancen, aber auch gewisse Gefahren – diese sollen mit verschiedenen Maßnahmen eingedämmt werden.
Umfassenden Regelungsbedarf bei Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) sieht die Bundesärztekammer (BÄK). In einem kürzlich vorgestellten Positionspapier spricht sich die BÄK unter anderem für die ausschließliche Zulassung fachübergreifender MVZ, die Begrenzung von Marktanteilen, mehr Transparenz über die Inhaberschaft sowie mehr Optionen zur Überprüfung der Versorgungsaufträge und der Einhaltung des Berufsrechts aus.
Die Thematik befindet sich bereits auf der gesundheitspolitischen Agenda des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Wie aus einer dem Deutschen Ärzteblatt vorliegenden Übersicht des BMG für ein geplantes Versorgungsgesetz hervorgeht, soll es eine „Weiterentwicklung“ der Regelungen zu MVZ geben. Regelungen zu „Gründung, Zulassung, Betrieb und Transparenz“ sollen demnach insbesondere auch mit Blick auf investorenbetriebene MVZ weiterentwickelt werden. Details und einen konkreten Zeitplan gibt es jedoch noch nicht.
Wie die BÄK in ihrer Stellungnahme betont, befasse man sich seit mehreren Jahren intensiv mit der zunehmenden Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und insbesondere auch mit der Frage der investorenbetriebenen MVZ. Zahlreiche Beschlüsse Deutscher Ärztetage der vergangenen Jahre hätten die große Besorgnis der Ärzteschaft zu dieser Thematik aufgezeigt.
Rahmenbedingungen setzen
Investitionen in das Gesundheitssystem sind aus Sicht der BÄK grundsätzlich positiv zu bewerten – insbesondere, da in einigen Fachgebieten die medizinische Technologie kaum noch durch einen einzelnen Vertragsarzt finanziert werden könne. Kritisch werde es aber, wenn die in MVZ beschäftigten Ärztinnen und Ärzte unter hohem Renditedruck stünden oder es eine Monopolisierung durch große MVZ-Strukturen oder -Ketten gebe, sagte BÄK-Präsident Dr. med. (I) Klaus Reinhardt. Deshalb bedürfe es einer Anpassung der Rahmenbedingungen für die Zulassung und die ärztliche Tätigkeit in MVZ.
Um sicherzustellen, dass MVZ einen Mehrwert für die Versorgung haben, spricht sich die BÄK dafür aus, das 2015 mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz aufgegebene Merkmal „fachübergreifend“ wieder verpflichtend einzuführen.
Hinter vielen der fachgleichen MVZ würden Kapitalinvestoren ohne Bezug zur vertragsärztlichen Versorgung stehen, die sich auf einen Teilmarkt der medizinischen Versorgung – etwa operative Augenheilkunde oder Radiologie – fokussierten. Reinhardt sprach in diesem Zusammenhang von einem „Wildwuchs“, welcher große Sorgen mache. Insbesondere MVZ-Ketten sowie Groß-MVZ führten laut BÄK zu Versorgungsmonopolen in den entsprechenden Fachgebieten und schränkten damit das Recht der Versicherten auf freie Leistungserbringerwahl ein. Nicht fachübergreifende MVZ sollten aber, so der Vorschlag, noch zehn Jahre unverändert fortbestehen können.
Zudem habe sich gezeigt, dass Kapitalinvestoren ohne fachlich-medizinischen Bezug zur vertragsärztlichen Versorgung Krankenhäuser erwerben, um bundesweit und damit vielfach in weiter Entfernung vom erworbenen Krankenhaus MVZ zu gründen. Die BÄK spricht sich deshalb dafür aus, die Gründung von MVZ durch Krankenhäuser auf ihren Einzugsbereich zu beschränken. Nur so sei ein Bezug zur Tätigkeit des Krankenhauses und damit ein Nutzen für die Versorgung der Patienten vor Ort – ein ambulant-stationäres Behandlungskonzept „aus einer Hand“ – erkennbar. Der Einzugsbereich bestimme sich dabei nach dem Krankenhausplan des jeweiligen Bundeslandes.
Leistung als zentrales Kriterium
Eine Verbesserung der Versorgung sei auch nur dann zu erwarten, wenn das MVZ-Versorgungsangebot einen Bezug zum Leistungsangebot des Krankenhauses aufweise. Durch dieses Erfordernis soll zudem verhindert werden, dass Kapitalinvestoren ohne fachlichen Bezug zur vertragsärztlichen Versorgung Krankenhäuser vor Ort aufkaufen, um MVZ zu gründen, ohne dass dies im Zusammenhang mit dem Versorgungsangebot des Krankenhauses steht, so die BÄK. Auch hier soll es eine Zehnjahresfrist als Bestandsschutzregelung geben. Die Vorschläge der BÄK sehen allerdings vor, dass auch bestehende MVZ nach der Übergangsfrist nur dann weiterbetrieben werden dürfen, wenn deren Träger die geltenden Voraussetzungen erfüllen.
Die BÄK greift auch den Aspekt der Leistungsspektren der MVZ auf. Die Erfüllung des Versorgungsauftrags erfordere nicht nur eine ausreichende Anzahl an erbrachten Leistungen, sondern auch, dass die erforderlichen Kernleistungen erbracht werden. Deshalb solle klargestellt werden, dass die Einhaltung des jeweiligen Versorgungsauftrages auch hinsichtlich der Erbringung der Kernleistungen von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu überprüfen sei. So soll verhindert werden, dass sich Leistungserbringer auf „einzelne, besonders lukrative, oftmals prozedurale Leistungen des Fachgebiets“ – die BÄK verweist beispielhaft auf Kataraktoperationen – beschränken. Um sicherzustellen, dass in MVZ tätige Ärzte ihre ärztliche Entscheidung im Einklang mit den berufsrechtlichen Regelungen treffen können, soll bei fehlender Gewährleistung ärztlicher Entscheidungen auch der Entzug der Zulassung möglich sein – dies sei für die Patientensicherheit „unentbehrlich“. Um die freie Arztwahl auch künftig zu gewährleisten, sollen darüber hinaus die Marktanteile von MVZ begrenzt werden, so ein weiterer Vorschlag der BÄK. Speziell in der Augenheilkunde und Radiologie hätten Patienten in einzelnen Regionen schon heute kaum Alternativen zur Behandlung in großen investorenbetriebenen MVZ beziehungsweise MVZ-Ketten.
Ein Krankenhaus soll künftig nur ein MVZ gründen können, wenn der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung zehn Prozent der jeweiligen Arztgruppe nicht überschreitet. Davon abweichende, aber dennoch den Marktanteil begrenzende Regelungen sollen möglich sein, wenn der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad unter- oder überschritten ist.
Weitere Regelungsvorschläge der BÄK sehen zusätzlich ein Verbot von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, die Stärkung der Stellung des ärztlichen Leiters sowie die Streichung der Option der Konzeptbewerbung von MVZ – also die Bewerbung auf Praxisweiterführung mit einem personenunabhängigen Versorgungskonzept – vor. Um für mehr Transparenz über die jeweilige MVZ-Inhaberschaft zu bieten, soll außerdem ein Transparenzregister Auskunft auch über den „wirtschaftlich Berechtigten“ geben. Die Patienten hätten ein Anrecht zu wissen, wie die Besitzverhältnisse tatsächlich seien, betonte BÄK-Präsident Reinhardt.
Die Reaktionen auf die Vorschläge der Bundesärztekammer fielen höchst unterschiedlich aus. Während der Bayerische Hausärzteverband das Positionspapier begrüßte – der Verbandsvorsitzende Dr. med. Wolfgang Ritter sprach von einer „Gefahr für die medizinische Versorgung“ durch die Ausbreitung investorengeführter MVZ – wies der Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren (BBMV) die Inhalte als ungeeignet zurück. Die BBMV-Vorsitzende Sibylle Stauch-Eckmann sieht das Papier „im Widerspruch“ zu den jüngsten Aussagen des BÄK-Präsidenten Reinhardt, der eine differenzierte Debatte angemahnt hatte. Dieser Anspruch werde aus den vorgestellten Positionen, insbesondere einer Aufhebung des Bestandsschutzes, nicht deutlich. Dass kürzlich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit Blick auf das Engagement von privaten Kapitalgebern in der ambulanten Versorgung ankündigte, den „Einstieg von Heuschrecken“ zu unterbinden, stellt nach der Auffassung von Stauch-Eckmann „puren Populismus“ dar. Der SPD-Politiker sprach von einem „fatalen Trend, dass Investoren medizinische Versorgungszentren mit unterschiedlichen Facharztpraxen aufkaufen, um sie anschließend mit maximalem Gewinn zu betreiben“.
„Um Fehlentwicklungen im ambulanten Bereich zu vermeiden, hilft es nicht, diese an den Inhabern oder Trägern der MVZ-Gruppen als Sündenböcken festzumachen und für sie eine Art Sonderrecht zu schaffen. Der ordnungspolitische Rahmen muss alle Leistungserbringer erfassen“, so die Bewertung von Stauch-Eckmann.
Kritik von MVZ-Verband
Die Mitgliedsunternehmen im BBMV stünden Modifizierungen des gesetzlichen Rahmens für MVZ-Gruppen so lange offen im Dialog gegenüber, wie sie für alle Beteiligten gleichermaßen gelten und die Herausforderungen der ambulanten Versorgung praxistauglich zu lösen versuchen. Allein eine bestimmte Form der Trägerschaft von Praxen herauszusuchen und an diese die Axt zu legen, verkenne „völlig die Realität“, sagte die Verbandsvorsitzende.
Die Vorschläge der Bundesärztekammer wurden Bund und Ländern zur Verfügung gestellt – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe seinerseits angekündigt, in den nächsten Monaten tätig zu werden, so BÄK-Präsident Reinhardt. Zu hoffen sei, dass dabei die Vorarbeiten der BÄK Berücksichtigung finden. André Haserück
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