ArchivDeutsches Ärzteblatt4/2023MeshHp-Kooperationsprojekt: Hygienelektionen in der Mongolei

MEDIZINREPORT

MeshHp-Kooperationsprojekt: Hygienelektionen in der Mongolei

Lenzen-Schulte, Martina

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Die Mongolei ist nicht nur ein Land mit extremen Temperaturunterschieden von bis zu 70 °C. Wer sich dort in Kliniken umsieht, findet Holzverkleidungen auf Intensivstationen, aber auch moderne Autoklaven und Desinfektionssprühanlagen. Jahrelange Bemühungen, bessere Hygienestandards zu implementieren, tragen langsam Früchte.

Fortbildung simultan übersetzt – Die mongolischen Partner sorgen nicht nur dafür, dass die Vorträge Satz für Satz mündlich gedolmetscht werden. Sie haben auch die Folien entsprechend vorbereitet. Fotos: Martina Lenzen-Schulte
Fortbildung simultan übersetzt – Die mongolischen Partner sorgen nicht nur dafür, dass die Vorträge Satz für Satz mündlich gedolmetscht werden. Sie haben auch die Folien entsprechend vorbereitet. Fotos: Martina Lenzen-Schulte

Die Mongolei ist im Forschungsgebiet Infektiologie und Hygiene so berühmt wie berüchtigt. Dort treten zum einen außergewöhnliche Erkrankungen wie Milzbrand (Anthrax) und Pest immer noch auf (1). Murmeltiere stellen hier das Hauptreservoir für den Pesterreger Yersinia pestis dar. Das Erlegen und der Verzehr von Murmeltieren ist inzwischen verboten worden, wird aber immer noch praktiziert, nicht zuletzt zu Ehren von Gästen. Zuletzt konnte 2020 von Infektiologen nachgewiesen werden, dass die Eltern von 4 Kindern aufgrund des Verzehrs von rohen Murmeltierorganen in der Mongolei verstorben waren (2).

Zum anderen – und dies ist zahlenmäßig weit bedeutsamer – leidet das Land unter einer unvergleichlich hohen Durchseuchung mit Hepatitisviren. Nirgendwo sonst auf der Welt versterben bezogen auf die Bevölkerung so viele Menschen am hepatozellulären Karzinom (HCC) wie in der Mongolei. Primärer Leberkrebs ist dort mit 40 % die mit Abstand häufigste maligne Erkrankung. Der wichtigste ätiologische Faktor sind viral verursachte Hepatitiden. Das zentralasiatische Land zählt mit 15–20 % Virusträgern für Hepatitis-B- und -C-Viren (HBV, HCV) nicht nur für diese Infektionen zu den absoluten Hochprävalenzländern. Zusätzlich ist dort der Anteil der mit dem Hepatitis-D-Virus koinfizierten HBV-positiven Patienten im weltweiten Vergleich am höchsten: Die Koinfektionsraten werden auf 37–60 % beziffert (3, 4). Diese virale Doppelbelastung bahnt eine maligne Entartung der Leberzellen infolge von Hepatitis und Zirrhose viel eher und früher, als wenn das Hepatitis D-Virus fehlt.

Tragischerweise ist diese ungewöhnlich hohe Durchseuchung vermutlich – hierüber sind die Akten der Medizingeschichte noch nicht geschlossen – auf die Pockenimpfprogramme in den 1930er-Jahren zurückzuführen. Womöglich wurden seinerzeit die Hepatitisviren über verunreinigte Impfbestecke unwissentlich verbreitet. Weitere Impfmaßnahmen sowie Aktionen zum Blutscreening in den 1960er-Jahren haben das eventuell noch einmal fortgeführt. Letztlich ist damit der infektiologische Ausnahmestatus der Mongolei iatrogenen Maßnahmen geschuldet – gepaart mit mangelhafter Hygiene.

Deutsch-mongolisches Tandem

Grund genug für Prof. Dr. med. Walter Popp, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) und in dieser auch der Koordinator für Internationale Beziehungen, über Prophylaxe der Virushepatitiden in Ulaanbaatar zu dozieren. Er tat dies im Rahmen einer 4 Tage währenden Fortbildungsveranstaltung und als Leiter eines deutschen Teams mit langjähriger Expertise in Sachen Krankenhaushaushygiene, Mikrobiologie und Infektiologie.

Das Programm umfasst dabei nicht nur Hintergrundinformationen über die Infektionslage im Land selbst. Die Teilnehmenden erhalten einen Überblick über nosokomiale Infektionen und antibiotikaresistente Keime wie MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus) und VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken).

Sie sollen lernen, wo die entsprechenden Erreger lauern, und werden vor allem praxisbezogen darin unterwiesen, wie man es verhindert, dass diese sich verbreiten können. Dr. med. dent. Anette Simonis, langjährige hygieneverantwortliche Zahnärztin der Universitätszahnklinik der Charité und Vorsitzende der AG Zahnmedizin der DGKH, hat zu diesem Zweck auch etliches Anschauungsmaterial im Gepäck. Sie unterrichtet seit vielen Jahren Kollegen und Mitarbeitende in Deutschland in Hygienefragen und findet: „Mitunter sagen Handgriffe, die man vorführt, mehr als 1 000 Folien.“ Des Weiteren sind Themen wie Desinfektion und Sterilisation prominent vertreten – vom Waschbeckenbereich bis hin zur der hoch technisierten Aufbereitung von empfindlichen Diagnosetools und von Operationszubehör.

Lernen, Ausbrüche zu stoppen

Nicht zuletzt können die Teilnehmenden von der erfahrenen Mikrobiologin Marina Lorsch lernen, wie man zum Beispiel erkennt, dass man es mit einem MRSA-Ausbruch zu tun hat, wie man den für solch ein infektiologisches Desaster verantwortlichen Erreger dingfest macht und wann eine Station, ein Operationssaal oder eine diagnostische Einheit wieder bezogen oder benutzt werden darf. „Das ist nämlich eine Frage, bei der naturgemäß nicht nur in der Mongolei die Hygieneverantwortlichen oft standhaft bleiben müssen“, sagt die Fachfrau, die bei der Kreisverwaltung Recklinghausen/Essen das Ressort Infektionsschutz, Umweltmedizin und Arzneimittelüberwachung leitet und in der Region nicht nur einmal OP-Säle dichtmachen musste.

Vorher/nachher: Das Foto oben zeigt die Situation im Jahr 2010: ein typisches Waschbecken in einem Krankenhaus. Rund ein Jahrzehnt später, 2019, gibt es Flüssigseife, Händedesinfektionsmittel und einen Papierhandtuchspender (leer, daher dennoch ein Textiltuch).
Vorher/nachher: Das Foto oben zeigt die Situation im Jahr 2010: ein typisches Waschbecken in einem Krankenhaus. Rund ein Jahrzehnt später, 2019, gibt es Flüssigseife, Händedesinfektionsmittel und einen Papierhandtuchspender (leer, daher dennoch ein Textiltuch).

Popp selbst kam als Experte für Klinikhygiene zum ersten Mal 2010 ins Land. Er war seinerzeit am Universitätsklinikum in Essen für die dortige Krankenhaushygiene verantwortlich und sollte auf Einladung aus der Mongolei über sein Fachgebiet beraten. Die Initiative ging von der deutschen Botschaft in Ulaanbaatar aus. Die daraus entstehende Kooperation wurde viele Jahre von Dr. h. c. Peter Schaller, Botschafter a. D., gefördert und zudem durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) finanziell unterstützt. Bis heute beteiligt sich die Botschaft nach wie vor an Besichtigungsterminen mit Vertretern aus Deutschland. Unter der Bezeichnung MeshHp – Mongolian Emergency Service Hospital Hygiene Project – wurde seinerzeit neben der Verbesserung der Hygiene auch der Ausbau der Rettungsdienste in der Hauptstadt in Angriff genommen, wo etwa die Hälfte der 3,5 Millionen zählenden Bevölkerung lebt (4).

„Krankenhaushygiene war damals, vor gut 10 Jahren, praktisch kein Thema“, sagt Popp rückblickend und nennt als Beispiel die Händedesinfektion: „Die bestand im Waschen mit Stückseife und Trocknen mit Textilhandtüchern. Es gab keinerlei Desinfektionsmittel für die Hände.“ Auch die allgemeine Oberflächendesinfektion war bestenfalls mangelhaft, meist inexistent. Operationsbesteck oder andere Instrumente und Medizinprodukte wurden selten regelkonform aufbereitet. Nach einer Reinigung wurde längst nicht immer anschließend sterilisiert, wenn, dann in alten russischen Autoklaven.

„Man sollte wissen, dass die allermeisten Krankenhäuser in der Mongolei letztlich noch aus russischer Zeit stammen“, erklärt Popp, der seit dem ersten Besuch mindestens jährlich zu Fortbildungszwecken in die Mongolei reist, eine längere Pause hatte nur die Coronapandemie erzwungen.

Durchseuchung verringern

Der lange Atem zahlt sich offenbar aus, die Fortschritte sind erkennbar, nicht nur an den Waschbecken bei der Händedesinfektion (Abbildungen). Inzwischen werden OP-Instrumente immer öfter nicht nur gereinigt, sondern auch desinfiziert, zudem kommen moderne Sterilisationsgeräte zum Einsatz. Hier wäre aber die Aufbereitung von flexiblen Endoskopen unbedingt wünschenswert. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass dies nach wie vor einer der Hauptgründe für die Hepatitisdurchseuchung ist“, erklärt Popp. Außerdem macht er in seinem Vortrag darauf aufmerksam, dass man Hepatitisviren in Tattoostudios ebenso akquirieren kann wie beim Schröpfen und durch Akupunktur – angesichts der verbreiteten traditionellen Heilmethoden in der Mongolei ist das nicht unerheblich.

Daher adressierte der jüngste Hygienefortbildungskurs das Hepatitisproblem von vielen Seiten. Dazu gehört nicht zuletzt, die Durchimpfungsraten gegen Hepatitis B zu erhöhen, und hier insbesondere für die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen. In manchen Abteilungen waren früher bis zu 40 % der Belegschaft Hepatitisvirusträger. War 2010 in der Mongolei nur jeder 10. der im Gesundheitswesen Beschäftigten gegen Hepatitis B geimpft, gibt es nun eine generelle Impfung. Offiziellen Angaben zufolge sollen 83 % der Mitarbeiter im Gesundheitswesen im Jahr 2018 ein volle Vakzinierung gegen Hepatitis B erhalten haben – so geht es aus einem MeshHp-Bericht vom September 2020 hervor. „Entscheidend ist die Kontrolle, sonst bleibt der Erfolg solcher Bemühungen aus“, warnt der Essener Hygieneexperte. Die letzte Inspektion im Frühjahr des Jahres 2022 hatte immerhin ergeben, dass zumindest in der größten Klinik der Stadt eine Antikörperkontrolle nach der vollen Impfung stattfinden sollte.

Sensibler Umgang statt Verbot

Das MeshHP-Team versucht daher, den Zuhörerinnen einen sensiblen Umgang mit Hepatitis-B-Virusträgern unter den Beschäftigen im Gesundheitswesen nahezulegen – statt eines generellen Arbeitsverbotes. Zwar stellen Infizierte einerseits ein Risiko für die Patienten dar. Andererseits hängt dies von der Infektiosität ab und man kann auch in der Mongolei auf gut ausgebildete Mitarbeiter im Gesundheitssektor nicht verzichten. „Wir empfehlen eine Lösung ähnlich wie in Deutschland. Es sollte anhand der Viruskonzentration am Einzelfall entschieden werden“, erläutert der Hygienefachmann die Vorgehensweise.

Gut ausgebildet sind die ausnahmslos weiblichen Zuhörerinnen der jüngsten Fortbildung in jedem Fall (Kasten). Im MeshHp-Projekt hatte man bereits vor Corona beschlossen, auf jene Gruppen im Gesundheitswesen zu fokussieren, die in der praktischen Arbeit am ehesten Hygienevorschriften implementieren können. „Das sind vor allem Pflegende auf Stationen, in den Operationssälen und nicht zuletzt in den zum Teil invasiven Diagnostikbereichen, wo etwa Endoskope oder Katheter verwendet werden“, erläutert Heike Kamphusmann, die als Fachkrankenschwester für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention seit vielen Jahren im Hygienemanagement für die St. Elisabeth Gruppe/Katholische Kliniken Rhein-Ruhr tätig ist. „Wir sehen es als einen Glücksfall an, dass in der Mongolei fast alle Pflegekräfte einer einzigen Vereinigung angehören, das vereinfacht die Rekrutierung und Zusammenarbeit erheblich“, sagt Kamphusmann.

Multiplikatoren für Hygiene

Der „Mongolian Nurses Association“ (MNA) gehören inzwischen rund 9 000 der mehr als 13 000 Pflegekräfte des Landes an. Fast alle sind weiblich, nur 3 % sind Männer. Zu Pflegekräften werden hier ebenfalls die etwa 1 000 Hebammen gezählt, dieser Beruf stellt eine besondere Ausrichtung im Rahmen der Krankenpflege dar. 60 % der MNA-Mitglieder haben einen Bachelor- oder Masterabschluss, weniger als die Hälfte qualifiziert sich im Rahmen einer 2-jährigen Ausbildung, die einem hiesigen Lehrberuf ähnelt.

Im Gespräch mit der 1. Vorsitzenden der Nurses Association, Frau Dorjjantsan Nyamsuren, erfährt man, dass dort der Pflegekräftemangel noch viel stärker ausgeprägt ist als hierzulande. „Obwohl sie so gut qualifiziert sind und viele über langjährige Berufserfahrung verfügen, sind die Gehälter viel zu niedrig“, klagt Nyamsuren. Zudem sei die Arbeitsbelastung hoch und viele dächten über Alternativen zu solch einem Berufsalltag nach. „Uns fehlen in manchen Bereichen 50 Prozent der Pflegekräfte“, da ginge es der Mongolei nicht anders als anderen Ländern, erläutert die 1. Pflegekraft des Landes. Aus einer Übersicht des Jahres 2021 geht hervor, dass in der Mongolei 40,4 Krankenpflegende auf 10 000 Einwohner kommen, während es in reichen Ländern 107,7 pro 10 000 sind (6).

Die Fortbildung ist somit für die Zuhörerinnen eine Möglichkeit, weitere Qualifikationen zu erwerben. Für das MeshHp-Projekt ist es der vorläufige Höhepunkt vielfältiger Bemühungen, nachhaltig bessere Strukturen zu implementieren. Dass dies überhaupt auf Anhieb ab 2010 funktionieren konnte, ist nicht zuletzt Dr. rer. nat. Tsagaan Gantumur zu verdanken. Die Mongolin hat 1999 am Max-Planck-Institut für Biochemie in München promoviert und – zurück in der Mongolei – ein Unternehmen für den Import von Hygieneprodukten für den medizinischen Sektor aufgebaut. Sie spricht daher nicht nur fließend Deutsch, sondern beherrscht auch die Fachtermini perfekt. Monate vor den Fortbildungsveranstaltungen übersetzt sie nicht nur sämtliche PowerPoint-Folien für ein gedrucktes, umfangreiches Skript. Sie war es auch, die bei nahezu allen Vorträgen zusätzlich mündlich dolmetschte.

Gantumur selbst sieht indes das Verdienst bei den deutschen Partnern: „Ohne diese Kooperation wären die Medizin in der Mongolei längst nicht auf diesem Hygienestandard“, betont die Virologin. Inzwischen profitiert das MeshHp-Projekt von der Unterstützung aus einem weiteren deutsch-mongolischen Austauschprojekt: Die Chirurgin Dr. med. Bolor Choidogjamts ist in einem klinischen Lehr- und Lernprogramm mit deutschen Proktologen aktiv und beherrscht dank ihres Medizinstudiums in Österreich ebenfalls die deutsche Sprache und die nötige Nomenklatur.

Dr. med. Bolor Choidogjamts wurde als Ärztin in Graz ausgebildet und konnte fach - spezifisch für die deutsche Delegation übersetzen – hier im Krankenhaus „Number one“, der größten und modernsten Klinik der Hauptstadt Ulaanbaatar.
Dr. med. Bolor Choidogjamts wurde als Ärztin in Graz ausgebildet und konnte fach - spezifisch für die deutsche Delegation übersetzen – hier im Krankenhaus „Number one“, der größten und modernsten Klinik der Hauptstadt Ulaanbaatar.

Bauliche Defizite als Hindernis

Neben den Fortbildungsveranstaltungen ist die zwischenzeitliche Kontrolle des Status quo in den Kliniken ein weiteres Hauptanliegen des Kooperationsprojektes. Hier gibt es rein baulich noch einiges aufzuholen. So zeigte beispielsweise eine Begehung Anfang des Jahres 2022, dass die COVID-Intensivstation im National Center for Communicable Diseases (NCCD) in einem sehr alten Gebäude untergebracht war, in dem weithin verwendete Materialien wie Holz und Textilien eine Desinfektion gemäß üblichen Standards unmöglich machen. Ebenso wurde beobachtet, dass es zwar von China gelieferte Desinfektionsschleusen in einem neu errichteten Krankenhausgebäude gab. Es konnte indes niemand sagen, welche Desinfektionsmittel versprüht wurden, da deren Befüllung einzig von Vertretern des Herstellers vorgenommen worden war. Projektleiter Popp drängt angesichts solcher Defizite vor allem darauf, gerade teures Gerät im Hinblick auf die Funktionstüchtigkeit und korrekte Handhabung – die ebenfalls finanziert werden muss – zu überprüfen.

So habe zum Beispiel die WHO im Rahmen des Health-V-Projektes vor Jahren neue Sterilisatoren zur Abfallsterilisation in mongolischen Krankenhäusern gestiftet, die er jedoch in vielen Provinzen teilweise noch verpackt vorgefunden habe. „Das zu installieren war nicht finanziert worden und vor Ort waren die Technikmitarbeiter dazu nicht in der Lage“, erklärt Popp solche Rückschritte.

ECMO und Holzbetten

Fortbildungslektüre ist Mangelware: Dieses Hygienekurzlehrbuch wurde daher von Dr. Gantumur ins Mongolische übersetzt.
Fortbildungslektüre ist Mangelware: Dieses Hygienekurzlehrbuch wurde daher von Dr. Gantumur ins Mongolische übersetzt.

Daher müsse künftig darauf geachtet werden, dass etwa Wartung und Reparatur bei der Bereitstellung von Geräten ebenso eingeschlossen sind wie die Versorgung mit den notwendigen und – siehe Desinfektionsmittel – geprüften Betriebsmitteln. Erst dann bleiben Vorzeigekrankenhäuser wie die Universitätsklinik von Ulaanbaator keine isolierten Prestigeprojekte mehr. Sie wurde nach japanischen Standards eingerichtet und konzipiert, hat allerdings nur 100 Betten. Das größte städtische Krankenhaus in Ulaanbaatar ist „Number one“ mit 486 Betten, einer ECMO-Einheit für die extrakorporale Lungenbeatmung und immerhin 15 000 Koloskopien für die Darmkrebsfrüherkennung. Dem steht gegenüber, dass noch längst nicht in alle Krankenhäusern die Holzbetten durch abwaschbare Kunststoffbetten ersetzt worden sind. Ebenso müssen fast überall die Patienten ihre eigene Bettwäsche mitbringen – unter Hygienegesichtspunkten ist das eigentlich nicht zu verantworten.

Deshalb gehen immer noch viele Mongolen, die über die entsprechenden Mittel verfügen, zur medizinischen Behandlung ins Ausland. Die Mongol Bank geht davon aus, dass mehr als 80 000 Mongolen pro Jahr 120–150 Millionen Dollar dafür in anderen Ländern ausgeben.

Was Verbesserungen bei Infektionskrankheiten angeht, ist in der Mongolei mithin nach wie vor Luft nach oben. Bei einer Erkrankung sind sie jedoch Deutschland voraus: Im Jahr 2014 wurde die Mongolei offiziell masernfrei und erhielt als 4. Land in der Westpazifik-Region – nach Australien, Macao und Südkorea – das Masern-Eliminations-Zertifikat der WHO, auf das hierzulande absehbar nicht zu hoffen ist (7). Dr. med. Martina Lenzen-Schulte

Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit0423
oder über QR-Code.

Vielfältige Qualifikation als Ziel

Die 50 Teilnehmerinnen am Hygienefortbildungskurs sind sehr gut ausgebildet, die meisten haben entweder einen Bachelor- oder sogar einen Masterabschluss. Die Fortbildungsplätze wurden unter den 21 Provinzen der Mongolei aufgeteilt, um sicherzustellen, dass diese Fachkräfte in ihren Regionen als Multiplikatoren das erworbene Wissen möglichst breit gestreut implementieren. Sie kommen alle aus sogenannten Zentral- oder großen Bezirkskrankenhäusern.

Bolorchimeg Munkhbat, 32 Jahre alt, eine der Teilnehmerinnen der deutsch-mongolischen Fortbildungsveranstaltung. Foto: Martina Lenzen-Schulte
Bolorchimeg Munkhbat, 32 Jahre alt, eine der Teilnehmerinnen der deutsch-mongolischen Fortbildungsveranstaltung. Foto: Martina Lenzen-Schulte

Frau Bolorchimeg Munkhbat ist eine typische Vertreterin. Sie hat langjährige Erfahrung als Krankenpflegerin und zusätzlich zu ihrem Bachelorabschluss einen Magister an der Universität von Shanghai erworben, um speziell bei Operationen assistieren zu können. Eine Berufserfahrung von mindestens 5 Jahren war Voraussetzung für die Teilnahme am Kurs. Die junge Frau arbeitet im größten Militärhospital des Landes in Ulaanbaatar. Dort finden rund 16 chirurgische Routineeingriffe pro Tag statt, dazu kommen die Notfalloperationen. Man ist nicht zuletzt auf einschlägige Verletzungen von Soldaten spezialisiert, etwa Schusswunden, aber wie bei uns in Militärkrankenhäusern werden hier ebenfalls Zivilisten behandelt. „Hygienemaßnahmen spielen für die Genesung der Operierten eine sehr wichtige Rolle“, begründet Bolorchimeg ihren Wunsch, sich hierfür auf den neuesten Stand zu bringen. Ihre Klinik hat ihr die Teilnahme unter der Maßgabe ermöglicht, dass sie nach ausreichender Qualifizierung die Rolle einer Hygienebeauftragten übernimmt.

Sie räumt nach Abschluss des Kurses ein, dass sie bisher ihr Wissen in Bezug auf Krankenhaushygiene eher zu hoch angesetzt habe. „Wir können einige Dinge besser machen“, lautet ihr Fazit. In den kommenden Monaten stehen Hausaufgaben an. Sie ist wie die übrigen Teilnehmerinnen gehalten, für ihre Klinik zum Beispiel die Häufigkeit der MRSA-Infektionen festzustellen, die Hepatitis-B-Impfrate zu kontrollieren und die Antikörper der Geimpften zu bestimmen. Zudem muss jede für ihr Zertifikat die Resultate in einer Präsentation vorstellen.

Die Mongolei ist nicht nur ein Land mit extremen Temperaturunterschieden von bis zu 70 °C. Wer sich dort in Kliniken umsieht, findet Holzverkleidungen auf Intensivstationen, aber auch moderne Autoklaven und Desinfektionssprühanlagen. Jahrelange Bemühungen, bessere Hygienestandards zu implementieren, tragen langsam Früchte.

1.
Zorigt T, Ito S, Isoda N, et al.: Risk factors and spatio-temporal patterns of livestock anthrax in Khuvsgul Province, Mongolia. PLoS One 2021; 16 (11): e0260299 CrossRef MEDLINE PubMed Central
2.
Kehrmann J, Popp W, Delgermaa B, et al.: Two fatal cases of plague after consumption of raw marmot organs. Emerg Microbes Infect 2020; 9 (1): 1878–80 CrossRef MEDLINE PubMed Central
3.
Popp W, Gantumur T, Suvd-Erdene T, et al.: Virushepatitis in der Mongolei. Mongolische Notizen 2022; 29: 12–21. ISSN 0937–8618.
4.
Dashtseren B, Bungert A, Bat-Ulzii P, et al.: Endemic prevalence of hepatitis B and C in Mongolia: A nationwide survey amongst Mongolian adults. J Viral Hepat 2017; 24 (9): 759–67 CrossRef MEDLINE
5.
Kooperationssprojekt MeshHp zwischen Deutschland und der Mongolei: http://www.meshhp.de/ (last accessed on 23 January 2023).
6.
https://www.researchgate.net/profile/Claire-Su-Yeon-Park/publication/354038000_Nursing_Policy_and_Practice_in_Mongolia_Issues_and_the_Way_Forward/links/625bf93da279ec5dd7fe9408/Nursing-Policy-and-Practice-in-Mongolia-Issues-and-the-Way-Forward.pdf (last accessed on 23 January 2023).
7.
https://www.who.int/westernpacific/news/item/08-07-2014-mongolia-certified-measles-free (last accessed on 23 January 2023).
1.Zorigt T, Ito S, Isoda N, et al.: Risk factors and spatio-temporal patterns of livestock anthrax in Khuvsgul Province, Mongolia. PLoS One 2021; 16 (11): e0260299 CrossRef MEDLINE PubMed Central
2.Kehrmann J, Popp W, Delgermaa B, et al.: Two fatal cases of plague after consumption of raw marmot organs. Emerg Microbes Infect 2020; 9 (1): 1878–80 CrossRef MEDLINE PubMed Central
3.Popp W, Gantumur T, Suvd-Erdene T, et al.: Virushepatitis in der Mongolei. Mongolische Notizen 2022; 29: 12–21. ISSN 0937–8618.
4.Dashtseren B, Bungert A, Bat-Ulzii P, et al.: Endemic prevalence of hepatitis B and C in Mongolia: A nationwide survey amongst Mongolian adults. J Viral Hepat 2017; 24 (9): 759–67 CrossRef MEDLINE
5.Kooperationssprojekt MeshHp zwischen Deutschland und der Mongolei: http://www.meshhp.de/ (last accessed on 23 January 2023).
6.https://www.researchgate.net/profile/Claire-Su-Yeon-Park/publication/354038000_Nursing_Policy_and_Practice_in_Mongolia_Issues_and_the_Way_Forward/links/625bf93da279ec5dd7fe9408/Nursing-Policy-and-Practice-in-Mongolia-Issues-and-the-Way-Forward.pdf (last accessed on 23 January 2023).
7.https://www.who.int/westernpacific/news/item/08-07-2014-mongolia-certified-measles-free (last accessed on 23 January 2023).

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