MEDIZINREPORT: Studien im Fokus
Akute lymphoblastische Leukämie: CAR-T-Zellgabe ist auch bei Kleinkindern möglich, und dies mit gutem Ansprechen


Die akute B-lymphoblastische Leukämie (ALL) ist die häufigste Leukämieform bei Kindern. 75 % der Neudioagnosen werden im Alter < 6 Jahren gestellt. Bei genetischen Hochrisikokonstellationen wie KMT2A-Gen-Rearrangements ist die Prognose ungünstig und besonders auch dann, wenn die Patienten auf Standardchemotherapien und allogene Stammzelltransplantation (HSCT) unzureichend angesprochen haben. Für pädiatrische Patienten mit refraktärer oder rezidivierter Erkrankung (r/rALL) werden deshalb innovative Salvage-Therapien angewendet, darunter die Gabe von CAR-T-Zellen.
In der zulassungsrelevanten Phase-2-Studie ELIANA, in der das CAR-T-Zellpräparat Tisagenlecleucel bei Kindern und jungen Erwachsenen mit r/rALL klinisch geprüft wurde, mussten die Teilnehmer mindestens 3 Jahre alt sein. In der Zulassung des Produkts durch US-amerikanische und europäische Behörden gibt es für die r/rALL aber keine untere Altersgrenze. Die Zulassungen gelten für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre. Bislang gibt es wenig Daten zu Sicherheit und Effektivität von Tisagenlecleucel bei Patienten mit r/rALL < 3 Jahren.
Solche „Real-World“-Ergebnisse erfasst eine internationale retrospektive Kohortenstudie mit Beteiligung deutscher Zentren (1). 38 Patienten im medianen Alter von 17,0 Monaten bei CAR-T-Zellinfusion (Range: 14,9–24,6 Monate) und zu 45 % weiblich wurden eingeschlossen. 76 % hatten eine r/rALL mit KMT2A-Gen-Rearrangement. Median hatte es 2 Vortherapien außer HSCT gegeben und 66 % waren nach allogener HSCT rezidiviert. 35 Patienten erhielten eine Tisagenlecleucel-Infusion.
Nach 9–21 Monaten (median: 14 Monate) wird die 1-Jahres-Überlebensrate mit 84 % angegeben, das ereignisfreie Überleben nach 12 Monaten mit 69 % und das stringente ereignisfreie Überleben ohne minimale Resterkrankung (MRD-negativ) mit 41 %. Eine komplette Response mit MRD-Negativität erreichten 86 % von 28 Teilnehmern, die zuvor MRD-positiv waren. Ein Zytokin-Release-Syndrom ≥ Grad 3 gab es bei 14 %, davon keines tödlich, und Neurotoxizitäten traten bei 26 % auf, alle < Grad 3.
Fazit: Die Tisagenlecleucel-Behandlung einer r/r B-ALL ist auch bei Kleinkindern unter 3 Jahren möglich, wenngleich zur Vorbereitung teilweise Leukapheresen für mehrere Tage erforderlich waren. Unerwünschte Wirkungen ließen sich therapeutisch kontrollieren.
Das Ansprechen auf Tisagenlecleucel sei bei diesen Patienten mit intensiv vorbehandelter, hochaggressiver Erkrankung „beeindruckend gut“ gewesen, heißt es im Kommentar (2). Es sollten systematische und prospektive Untersuchungen in dieser Altersgruppe folgen. Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
- Ghorashian S, Jacoby E, De Moerloose B, et al.: Tisagenlecleucel therapy for relapsed or refractory B-cell acute lymphoblastic leukaemia in infants and children aged younger than 3 years at screening: an international, multicentre, retrospective cohort study. Lancet Haematol 2022; https://doi.org/10.1016/S2352-3026(22)00225-3.
- Haneen S, Shah NN: CD19 CAR T cells for infants and young children. Lancet Hematol 2022; https://doi.org/10.1016/S2352-3026(22)00258-7.
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