ArchivDeutsches Ärzteblatt4/2023Ambulante Operationen: Mehr Geld durch die Hintertür

POLITIK

Ambulante Operationen: Mehr Geld durch die Hintertür

Lau, Tobias

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

Verbände der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde protestieren gegen die Neubewertung ambulanter Operationen und wollen keine Termine mehr für Mandeloperationen bei Kindern vergeben. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht dagegen insgesamt ein moderates Plus.

Keine Termine mehr: HNO-Verbände fordern ihre Mitglieder auf, keine Termine mehr für Mandeloperationen bei Kindern zu vergeben. Foto: picture alliance/PantherMedia/Andrey Popov
Keine Termine mehr: HNO-Verbände fordern ihre Mitglieder auf, keine Termine mehr für Mandeloperationen bei Kindern zu vergeben. Foto: picture alliance/PantherMedia/Andrey Popov

Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte (BVHNO) und die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO) eskalieren im Streit um die Kürzung der Erstattungsbeträge der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Sie forderten ihre Mitglieder auf, keine Termine mehr für Adenotomien und Tonsillotomien bei Kindern mehr zu vergeben. Es bleibe nichts anderes mehr übrig, um auf die katastrophale Lage hinzuweisen, die eine jahrelange Unterfinanzierung dieser Eingriffe verursacht habe.

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war demnach die Neubewertung ambulanter Operationen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM), die der Bewertungsausschuss am 14. Dezember mit Wirkung zum Jahresanfang beschlossen hatte. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zeigt – anders als der GKV-Spitzenverband, der den beiden Verbänden eine „empörende Kampagne“ vorwirft – Verständnis für die Sorgen und die Kritik der HNO-Verbände.

Unterkomplexe Kritik

Doch die Realität sei komplexer als es der BVHNO und die DGHNO darstellen. In einem Schreiben an die Vorstände der beiden Verbände, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, betont die KBV, dass es zu kurz greife, lediglich einzelne Gebührenordnungspositionen (GOP) zu betrachten. So zeige sich in der Gesamtbetrachtung aller Kategorien des ambulanten Operierens bereits ein moderates Vergütungsplus von 2,3 Prozent. Hinzu komme aber noch, dass die KBV auch Anpassungen und Ergänzungen von Förderzuschlägen zur Weiterentwicklung des ambulanten Operierens herausgehandelt hat, die ebenfalls in die Analyse einbezogen werden müssten.

Es stimme zwar, dass die beiden GOPen, hinter denen sich die submuköse Resektion der unteren Nasenmuschel – laut KBV der mit Abstand am häufigsten kodierte Eingriff im Fachgebiet HNO – verbirgt, um 5 beziehungsweise 5,8 Prozent abgewertet wurden. Jedoch würden die Eingriffe zu rund 30 Prozent als Simultaneingriffe erfolgen und die dafür erteilten Zuschläge seien um 28,3 Prozent aufgewertet worden. Unter dem Strich gebe es für diese Eingriffe deshalb sogar um 1,3 Prozent mehr.

Bei den von beiden Verbänden besonders kritisierten Vergütungen für Adenotomien und Tonsillotomien gebe es darüber hinaus noch eine weitere Verbesserung, nämlich mehr Geld für einen erhöhten postoperativen Aufwand. So werde Ergänzend zu den bereits bestehenden postoperativen Überwachungskomplexen nun die Möglichkeit einer Nachbeobachtung etabliert. Für Kinder ist nun über eine neue GOP als 30-minütiger Zuschlag das doppelte der jeweiligen postoperativen Überwachungszeit möglich und berechnungsfähig. So fallen beispielsweise nach einer partiellen Tonsillektomie für eine postoperativ verlängerte Nachbeobachtung von insgesamt dreieinhalb Stunden in den Räumen der ambulant operierenden Einrichtung zusätzlich 106,30 Euro ab.

Weiterer Verbesserungsbedarf

Komplett zurückweisen will die KBV die Kritik der HNO-Ärztinnen und -Ärzte dennoch nicht. Die Verbesserungen, die sie gegenüber dem GKV-Spitzenverband herausverhandelt habe, seien nur der Anfang. „Auch wenn wir die pauschale und harsche Kritik des Berufsverbandes der HNO-Ärzte für überzogen halten, muss festgestellt werden, dass die Förderung des ambulanten Operierens zügig weiter deutlich verbessert werden muss“, erklärte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. med. Andreas Gassen. Das sage er vor allem in Richtung des GKV-Spitzenverbandes.

Die KBV habe der Kritik an einer relativen Überbewertung kleinerer im Vergleich zu den komplexeren Eingriffen mit dem Beschluss Rechnung getragen. Trotzdem räumte er ein, dass das herausgehandelte Plus insbesondere für die Fachgruppen, die für die Behandlung von Kindern relevant sind, „perspektivisch zu wenig“ sei. „Um es deutlich zu sagen: Wir sind erst am Anfang“, versichert Gassen. „Wir wollen nun zügig weitermachen und mit den Krankenkassen verhandeln, übrigens auch zum hohen Hygieneaufwand. Natürlich muss die finanzielle Ausstattung der ambulanten Versorgung insgesamt verbessert werden.“ Tobias Lau

Kommentare

Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote