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Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit: Mammutaufgabe


Vor ein paar Monaten wäre es ein Paukenschlag gewesen. Als jetzt aber Prof. Dr. Lothar H. Wieler, der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), am 11. Januar bekannt gab, dass er auf eigenen Wunsch das RKI verlassen werde, erschienen zwar ein paar Berichte und Porträts – die Aufregung blieb aber aus. Dennoch gilt es genau hinzuschauen, was nun kommt. Nicht wenige sehen jetzt den Zeitpunkt für einen Neuanfang gekommen, insbesondere beim Thema Public Health. Denn noch ist das RKI das „Public-Health-Institut für Deutschland“.
Die Regierung will allerdings ein Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit (BIÖG) am Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einrichten (Seite 178). Dort sollen die Aktivitäten im Public-Health-Bereich, die Vernetzung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und die Gesundheitskommunikation des Bundes gebündelt werden. Das RKI soll in seiner wissenschaftlichen Arbeit weisungsungebunden sein. Ob es selbstständig bleibt, wird man sehen. Man muss sich aber fragen, wenn im künftigen Bundesinstitut ein Public-Health-Bereich existiert, was für eine Aufgabe das RKI künftig haben wird.
Unklar ist, wie genau das BIÖG aufgebaut sein wird. „Wie nachts um drei zusammengeflickt“, konnte man in der Süddeutschen Zeitung lesen. Auch die Nähe des BIÖG zum BMG sorgt für Diskussionen. Gerade die Pandemie hat das Verhältnis von Wissenschaft und Politik wiederholt auf den Prüfstand gestellt. Dass das RKI keine unabhängige Einrichtung ist, hat ihm oft den Vorwurf mangelnder Neutralität eingebracht. Die jetzt geforderte Unabhängigkeit hört sich zunächst nachvollziehbar an. Überlegenswert ist allerdings, wie Wieler im Interview mit der ZEIT diese Problematik erläuterte. Das RKI habe den gesetzlichen Auftrag, in bestimmten Bereichen zu forschen. Methoden und Auswertung seien aber unabhängige Parameter, so Wieler. Wäre man allerdings gänzlich unabhängig, würde man eine „entscheidende Funktion verlieren, nämlich eine gesetzlich legitimierte Schnittstelle von Wissenschaft zur Politikberatung“. Ganz so einfach ist die Entscheidung für oder gegen eine Abhängigkeit wohl nicht.
Sicher ist, dass die Coronapandemie die neuralgischen Punkte aufgezeigt hat, die das künftige Bundesinstitut unbedingt verbessern muss. Die Gesundheitskommunikation war eine große Schwachstelle. Das BMG hatte diese an sich gezogen, von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung war folglich wenig zu hören. Eindeutig ist auch die insuffiziente Datenlage. Man muss es schaffen, verlässliche Routinedaten zu sammeln, denn ohne diese ist eine zielführende Public-Health-Politik nicht möglich. Auch das musste man in der Pandemie schmerzhaft erfahren, führte es oft zu politischen Entscheidungen, die nicht datenbasiert getroffen werden konnten. Zudem stellt sich die Frage, wie man Bevölkerungsgruppen in Gesundheitsfragen erreicht. Die Gesellschaft ist, was Herkunft, Status und gesellschaftliche Teilhabe betrifft, so heterogen, dass dringend Handlungsbedarf besteht.
Das sind nur die großen Themen. Das Portfolio des neuen Instituts ist riesengroß. Es ist eine Mammutaufgabe, das BIÖG mit seinen Kompetenzen und Zuständigkeiten so einzurichten, dass es effizient über die Länder bis hin zu den Kommunen steuern kann. Zunächst eine Public-Health-Strategie zu definieren, um dann die Struktur eines Instituts daran anzupassen, wäre eine gute Alternative gewesen.
Michael Schmedt
Chefredakteur
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