ArchivDeutsches Ärzteblatt5/2023Prävalenz entzündlich rheumatischer Erkrankungen: Circa 2 Millionen Erwachsene in Deutschland haben eine rheumatische Erkrankung

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Prävalenz entzündlich rheumatischer Erkrankungen: Circa 2 Millionen Erwachsene in Deutschland haben eine rheumatische Erkrankung

Siegmund-Schultze, Nicola

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Foto: picture-alliance/BSIP/CAVALLINI JAMES
Foto: picture-alliance/BSIP/CAVALLINI JAMES

In Deutschland gibt es kein Bevölkerungsregister zur Erfassung entzündlich rheumatischer Erkrankungen (ERE). Um die Prävalenz der ERE für den Zeitraum 2014 bis 2022 abzuschätzen, erfolgte daher eine systematische Literaturrecherche nach publizierten regionalen und bundesweiten Surveys und Routinedatenanalysen zu Arthritiden, Kollagenosen und Vaskulitiden (1). Insgesamt wurden 20 Studien ausgewertet, darunter 18 Analysen von Routinedaten und 2 Erhebungen (Surveys). Auch internationale Prävalenzdaten wurden in die Schätzungen einbezogen.

Die Prävalenz von ERE unter den circa 69,4 Millionen Erwachsenen in Deutschland wird auf 2,2–3,0 % geschätzt, also auf 1,5 bis 2,1 Millionen Einwohner.

Darunter waren Spondyloarthritiden mit einer Prävalenz von 1,0–1,4 % unter Erwachsenen am häufigsten. Das entspricht 690 000 bis 970 000 Menschen. Die ankylosierende Spondylitis, die zu den Spondyloarthritiden gehört, wird in der erwachsenen Bevölkerung aktuell auf 0,5 % geschätzt, entsprechend 350 000 Personen.

Zur axialen Spondyloarthritis/Morbus Bechterew gibt es wenig Daten, als grobe Schätzung der Prävalenz wird hier ein Bereich zwischen 0,31 % und 0,41 % angegeben.

Circa 0,8–1,2 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland haben die Diagnose einer rheumatoiden Arthritis, das sind 560 000 bis 830 000 Menschen. Für die Psoriasisarthritis liegt die Schätzung bei 0,24–0,32 %, also 170 000 bis 220 000 Patienten.

Bei Lupus erythematodes sei eine Prävalenz von 0,056 % plausibel, so die Autorinnen und Autoren, das entspräche circa 39 000 Betroffenen. Für primäre und sekundäre Formen des Sjögren-Syndroms gemeinsam wird die Prävalenz in Deutschland auf 0,4–0,7 % geschätzt, das wären 280 000 bis 490 000 Patienten.

Von juveniler idiopathischer Arthritis sind circa 0,10 % der Kinder und Jugendlichen < 18 Jahren betroffen. Bei insgesamt 13,9 Millionen Personen dieser Altersgruppe in Deutschland wären dies ungefähr 14 000 Kinder und Jugendliche.

Fazit: Die Prävalenz entzündlich rheumatischer Erkrankungen im Erwachsenenalter hat in Deutschland steigende Tendenz, sie habe seit einer Schätzung für das Jahr 2014 um circa 1 % zugenommen, konstatieren die Autorinnen und Autoren. Am häufigsten sind rheumatoide Arthritis und Spondyloarthritiden.

Gründe für den Anstieg der ERE seien vor allem Verbesserungen in der Frühdiagnostik und höhere Lebenserwartung, denn die meisten dieser Erkrankungen seien nicht heilbar. Allein der Anteil der Menschen > 80 Jahre habe sich seit 2014 in der deutschen Bevölkerung von 5,6 % auf 7,3 % erhöht.

Der Versorgungsbedarf sei aktuell nicht gedeckt, die Patienten warteten viel zu lange auf einen Facharzttermin, kommentiert Prof. Dr. med. Andreas Krause vom Immanuel Krankenhaus Berlin, 2. Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (2). Eine frühe Diagnostik aber sei dringend notwendig, um bleibende Schäden von den Patienten abzuwenden.

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

  1. Albrecht K, Binder S, Minden K, et al.: Systematisches Review zur Schätzung der Prävalenz entzündlich rheumatischer Erkrankungen in Deutschland. Z Rheumatol 2023; https://doi.org/10.1007/s00393–022-01305–2.
  2. Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, Statement am 4. Januar 2023.

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