

Wir danken den Autoren der Leserbriefe für die positiven Rückmeldungen, aber auch für die weiteren Hinweise und konstruktive Kritik zu unserer Analyse. Ziel der Studie war es, einen möglichst breiten Überblick über die Versorgungssituation von Patientinnen und Patienten mit diagnostizierter Depression zu geben (1). Wir danken für den Hinweis, dass es sich bei der Diagnose ICD-10 F33.4 eigentlich um eine spezifische Diagnose und keine unspezifische Diagnose im Sinne der gebildeten Kategorie handelt. In der Arbeit lag ein Schwerpunkt auf der Schweregradbeurteilung beziehungsweise -klassifikation, die ja bekanntlich die Grundlage für eine leitliniengerechte Therapie darstellt, sodass diese Ungenauigkeit bewusst in Kauf genommen wurde. Lediglich 11 100 der insgesamt 1,28 Millionen Depressionsdiagnosen wurden mit dem ICD-Code F33.4 gestellt. Somit sind keine Auswirkungen auf die Ergebnisse zu erwarten. Eine Ausweitung der Betrachtung der medikamentösen Versorgung auf alle Substanzklassen für ATC-Gruppe „N“ halten wir für einen Überblick über die Versorgung nicht für zielführend. Der Fokus sollte auf den spezifischen nach Leitlinie empfohlenen Arzneimittelklassen beziehungsweise Arzneimittelkombinationen liegen. Bei der Betrachtung spezifischer Patientengruppen, zum Beispiel mit bestimmten Komorbiditäten, können weitere relevante Wirkstoffklassen natürlich Berücksichtigung finden.
Weiterhin sehen wir in der Anregung zur spezifischen Betrachtung einzelner Patientengruppen, zum Beispiel älterer Patientinnen und Patienten, oder einer tiefergehenden Betrachtung der Versorgung, zum Beispiel über die Analyse von Kombinationsbehandlungen aus Psychotherapie und medikamentöser Therapie oder behandelnde/verordnende Arztgruppen, Ansatzpunkte für weiterführende und nachfolgende Analysen.
Die Schlussfolgerungen der Arbeit mit dem Fokus, dass sich Hinweise ergeben, dass Patientinnen und Patienten nicht immer gemäß den Leitlinien behandelt werden sowie Diagnosestellung, Schweregradbestimmung und Einleitung einer leitlinienbasierten Therapie verstärkt in Fort- und Weiterbildung thematisiert werden sollten, sehen wir durch unsere Analysen und trotz der Limitationen von GKV-Routinedatenanalysen in jedem Fall gedeckt. Fraglich ist, warum immer noch für so viele Patientinnen und Patienten keine Schweregradbeurteilung vorliegt, auch wenn dies die Grundlage einer leitliniengerechten Therapie ist. Die Gründe, warum Ärztinnen und Ärzte keine Schweregradbeurteilung vornehmen lassen, ließ sich über die Analysen nicht ermitteln. Unkenntnis der Leitlinie oder Zeitmangel in der täglichen Praxis mögen hier Gründe sein. In jedem Fall stellen Fort- und Weiterbildungen Grundvoraussetzung und ein geeignetes Mittel dar, um den Kenntnisstand zu Leitlinienempfehlungen bezüglich Diagnostik und Therapie zu erhöhen. Weitere hinderliche Faktoren bei der Umsetzung einer leitliniengerechten Therapie, seien diese prozess- oder strukturbedingt, müssen jedoch zwangsläufig beachtet werden. Der routinemäßige Einsatz einfacher klinischer Tools, die Implementierung von standardisierten Prozessen über Praxissoftwaresysteme oder spezifische Disease Management Programme können helfen, die Leitliniengerechtigkeit einer Therapie zu erhöhen. Inwieweit der Aufbau zusätzlicher Versorgungsangebote dazu beiträgt, Versorgungsdefizite zu beseitigen und damit die Krankheitslast zu senken, wird kontrovers diskutiert (2).
DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0339
Für die Autoren
Dr. PH Jona T. Stahmeyer
Stabsbereich Versorgungsforschung
AOK – Die Gesundheitskasse für Niedersachsen, Hannover
Jona.Stahmeyer@nds.aok.de
Interessenkonflikt
Die Autorinnen und Autoren aller Beiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
1. | Stahmeyer JT, Märtens C, Eidt-Koch D, Kahl KG, Zeidler J, Eberhard S: The state of care for persons with a diagnosis of depression—an analysis based on routine data from a German statutory health insurance carrier. Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 458–65 VOLLTEXT |
2. | Thom J, Bretschneider J, Kraus N, Handerer J, Jacobi F: [Healthcare epidemiology of mental disorders: why is the prevalence not declining despite growing provision of care?]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2019; 62: 128–39 CrossRef MEDLINE |
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